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Deutsche Wirtschaft in London fordert Reform der Ausbildung

London (dpa) - Die deutsche Wirtschaft in Großbritannien fordert eine Reform der Berufsausbildung. Am besten wäre es, wenn das Vereinigte Königreich das deutsche System der dualen Ausbildung übernehmen würde, sagte der Präsident des Wirtschaftsverbands German Industry UK (GIUK), Bernd Atenstaedt, am Montag der Deutschen Presse-Agentur. «Das grundsätzliche Problem ist, dass Bildung und Ausbildung nicht unseren Standards entsprechen. Da müssen wir eine Menge Arbeit leisten», sagte Atenstaedt. Darunter leide auch die Produktivität.

Dringend notwendig ist aber auch ein Mentalitätswandel, wie auch der für Ausbildung zuständige britische Staatsminister Robert Halfon im Gespräch mit dpa einräumte. «Zum Unterschied zwischen akademischer Bildung und technischer Bildung gab es viel Snobismus», sagte Halfon. Der Chef des European College of Business and Management (ECBM), Richard Bills, sagte der dpa, Ausbildung etwa für Handwerksberufe werde nicht wertgeschätzt. «Noch immer wollen die Eltern, dass ihre Kinder Vollzeit studieren», sagte Bills. Anwälte, Banker oder Ärzte seien höher angesehen als Handwerker.

In Großbritannien herrscht - wie in vielen Ländern - ein eklatanter Fachkräftemangel. Mehr als eine Million Stellen sind unbesetzt. Während der Pandemie sind zahlreiche Menschen im erwerbsfähigen Alter aus dem Arbeitsleben ausgeschieden.

«Landschaft der Fähigkeiten verändert»

Staatsminister Halfon zeigte sich als Bewunderer des deutschen Ausbildungssystems. Zugleich betonte er, die Regierung investiere Milliarden in flexible Ausbildungsprogramme und fördere auch in Schulen das Bewusstsein. Es gebe kostenlose Schulungsangebote für Erwachsene. Eine staatliche «Lehrlingsentschädigung» (apprenticeship levy) ermutige nicht nur große Unternehmen, Nachwuchs auszubilden, sondern sorge auch für einen Kulturwandel. «Jetzt gehören für Ausbildung verantwortliche Manager zum Vorstand. Das wäre vorher nie passiert», sagte der konservative Politiker. «In den vergangenen Jahren haben wir die Landschaft der Fähigkeiten verändert.»

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Halfon räumte ein, dass noch viel zu tun sei. «Ich will mehr junge Leute, mehr erfahrene Leute, die eine Ausbildung anfangen», sagte er. Aber Großbritannien sei auf dem richtigen Weg. Auch der deutsche Botschafter Miguel Berger betonte: «Wir können Systeme nicht kopieren, aber wir können voneinander lernen.» Auch in Deutschland gebe es Herausforderungen beim Nachwuchs. «Da wir in Großbritannien und Deutschland vor ähnlichen Herausforderungen stehen, werden wir prüfen, wo wir die Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Ländern in dieser Frage verbessern können.»

Doch die deutsche Wirtschaft ist skeptisch. «Das Thema Bildung und Ausbildung steht auf der Tagesordnung jedes Premierministers», sagte Atenstaedt. «Wir hoffen, dass es auch mal konkrete Schritte gibt.» Ein Problem sei der häufige personelle Wechsel in der Regierung. Bildungsministerin Gillian Keegan ist bereits die zehnte Ressortchefin seit 2010. Allein im vergangenen Jahr gab es - bedingt durch die politische Krise - fünf verschiedene Minister. «Man muss sich immer sich wieder neu einarbeiten», kritisierte Atenstaedt.

Solide Ausbildung in Deutschland

Auch Experte Bills sagte, die häufigen Wechsel verhinderten einen nachhaltigen Umbau des Ausbildungssystems. «Viele lachen über Deutschlands Fixierung auf Zertifikate», sagte Bills. Dafür gebe es in Deutschland mit Handwerkskammern und Meisterprüfungen eine solide Ausbildung - in Großbritannien hingegen kaum Qualitätssicherung. «Es gibt kein wirkliches System. Und es ist normal, wenn man in diese Branche einsteigt, während der Arbeit zu lernen», sagte Bills. Viele Handwerker seien eher professionelle Do-it-yourself-Arbeiter.

Die deutsche Wirtschaft drückt nun aufs Tempo. «Wenn die Regierung nicht zumindest Elemente der deutschen Berufsausbildung einführt in diesem Land, werden unsere Firmen Schritt für Schritt selbst die deutsche Berufsausbildung hier einführen», sagte Atenstaedt. Einige große deutsche Konzerne hätten die Ausbildung in Großbritannien bereits selbst in die Hand genommen und orientierten sich am dualen System: vier Tage im Unternehmen, einen in einem College. «Wir brauchen die Sicherheit, dass die Leute gut ausgebildet werden, dass der Staat sie fördert», sagte der GIUK-Präsident.