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Merkel trifft Modi – deutsche Wirtschaft erwartet Einsatz gegen Indiens Protektionismus

Eigentlich macht es Schaeffler genau so, wie es sich Indiens Premierminister Narendra Modi wünscht: Der Automobilzulieferer produziert ganz nach Modis Leitspruch „Make in India“ auf dem Subkontinent und hat dort mehr als 4000 Jobs geschaffen. Doch Modis Handelspolitik erschwert die Geschäfte des Familienunternehmens aus Herzogenaurach erheblich.

Auf Komponenten, die das Unternehmen aus ausländischen Werken importiert, werden seit April höhere Zölle fällig. „Es schmerzt uns sehr“, sagt Schaefflers Indien-Chef Dharmesh Aurora im Gespräch mit dem Handelsblatt. „Das passt nicht zu der wirtschaftsfreundlichen Politik, die Modi versprochen hat.“

Die neuen Zölle treffen die deutsche Automobilindustrie besonders hart. Wirtschaftsvertreter fordern nun Kanzlerin Angela Merkel dazu auf, sich gegen den zunehmenden Protektionismus in Indien einzusetzen. Am Freitagabend trifft sie sich mit Modi im Kanzleramt. Der indische Regierungschef befindet sich nach Staatsbesuchen in Skandinavien und Großbritannien auf der Durchreise.

Bei dem Arbeitstreffen stehen laut Bundesregierung Wirtschaftsfragen auf der Agenda. Erwartet wird, dass die beiden Politiker ein Freihandelsabkommen zwischen Indien und der EU besprechen werden, das nach jahrelangem Stillstand in den Verhandlungen in diesem Jahr wieder neuen Schwung bekommen soll.

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In der Industriestadt Pune – der Hauptstadt der deutschen Indien-Investitionen – sind die Hoffnungen groß, dass das gelingt. Rund 300 Unternehmen aus Deutschland haben hier ihre Niederlassung – darunter Volkswagen und Mercedes-Benz. Die Zahl hat sich im vergangenen Jahrzehnt mehr als verdoppelt. Ein Freihandelsabkommen würde laut Thomas Fuhrmann dafür sorgen, dass die Erfolgsgeschichte weitergeht.

Fuhrmann leitet das Indien-Geschäft des Tüv Rheinland und ist Präsident der indisch-deutschen Handelskammer. „Ein Freihandelsabkommen würde Vertrauen schaffen und ausländischen Firmen zeigen, dass sie hier willkommen sind“, sagt er. „Indien muss ein Signal setzen, dass es seinen Markt öffnet.“

Die bisherigen Versuche, Marktzugänge zu erleichtern, verliefen frustrierend langsam: Bereits 2007 starteten die Verhandlungen zwischen den Europäern und der Regierung in Neu-Delhi über einen Freihandelsvertrag. Doch auch zehn Jahre später gab es noch kein Ergebnis.

Die indische Regierung gelobt nun, die festgefahrenen Gespräche wieder neu beleben zu wollen: Handelsminister Suresh Prabhu ließ Ende März durchblicken, dass eine neue Verhandlungsrunde kurz bevorstehen könnte. Die letzte liegt bereits fünf Jahre zurück.

Bernhard Steinrücke, Geschäftsführer der Auslandshandelskammer (AHK) in Indien, befürwortet die Wiederbelebung der Gespräche vehement. „Gerade mit Blick auf die Entwicklungen in Amerika und China ist es wichtig, dass die Europäer zusammen mit Indien den Freihandel propagieren“, sagt er. Nach dem Scheitern der TTIP-Verhandlungen mit den USA sind alternative Freihandelsabkommen für die EU von großer Bedeutung.

Auch die südostasiatische Staatengemeinschaft Asean steht auf der Wunschliste der europäischen Freihandelsbefürworter. Indien, das in wenigen Jahren zum bevölkerungsreichsten Land der Welt aufsteigen wird, wäre aber besonders wichtig. „Für Deutschland als Exportnation ist ein Freihandelsabkommen mit Indien essenziell“, sagt Steinrücke.

Eine Studie des Ifo-Instituts im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung ergab im vergangenen Jahr, dass das deutsche Bruttoinlandsprodukt im Fall eines umfassenden Abkommens mit Indien um 4,6 Milliarden Euro steigen könnte. Nur Großbritannien würde in Europa noch stärker profitieren.

Aus europäischer Sicht scheiterte eine Vereinbarung bisher vor allem an Indiens Umgang mit Patenten und dem Unwillen, seinen Automarkt für Hersteller aus dem Ausland zu öffnen. Der Subkontinent ist gerade dabei, Deutschland als viertgrößten Automarkt der Welt abzulösen und will die indische Fertigung unterstützen.

Die Inder wünschen sich hingegen eine größere Freizügigkeit für indische Fachkräfte in Europa. Steinrücke fordert hier Zugeständnisse der EU: „Die Ängste, dass indische Programmierer dann Europäern die Jobs wegnehmen, halte ich für nicht gerechtfertigt.“ IT-Tätigkeiten würden ohnehin bereits umfassend nach Indien ausgelagert. „Ich sage: Macht die Grenzen auf!“

Steinrücke verlangt aber auch ein Entgegenkommen der Inder – zum Beispiel in der Debatte über Modis neue Zölle. Er hofft auf ein gutes Wort der Kanzlerin: „Es wäre sicher gut, wenn sie darauf hinweist, dass diese Politik nicht gerade sinnvoll ist.“ Ähnlich äußert sich Tüv-Rheinland-Manager Fuhrmann: „Die Zollerhöhung halte ich für das falsche Signal.“ Modi erinnere mit der protektionistischen Politik an US-Präsident Donald Trump. „Um sich weiterzuentwickeln muss sich die indische Wirtschaft auch dem internationalen Wettbewerb stellen.“

Von Seiten deutscher Wirtschaftsvertreter kommt jedoch auch Kritik an der Bundesregierung. Diese lasse sich in Indien zu selten blicken. Merkel komme im Rahmen der deutsch-indischen Regierungskonsultationen nur alle vier Jahre auf den Subkontinent, beklagt Steinrücke. In China sei sie deutlich öfter.

Der letzte Wirtschaftsminister, der Indien besucht habe, sei Philipp Rösler im Jahr 2012 gewesen. Engere Kontakte würden der Wirtschaft seiner Meinung nach helfen. Das Treffen von Modi und Merkel in Berlin sei deshalb zu begrüßen. „Und die Einladung an Peter Altmaier, nach Indien zu kommen, ist längst raus.“