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Deutsche Politik warnt Türkei vor Einflussnahme

Der Versuch der türkischen Regierung, gegen in Deutschland lebende Anhänger des Predigers Fethullah Gülen vorzugehen, stößt auf deutliche Kritik in Berlin. Politiker von CDU, SPD und Grünen warnten den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan eindringlich davor, seinen innenpolitischen Konflikt auch in Deutschland auszutragen.

„Es ist nicht im Sinne der Verhältnismäßigkeit, befreundete Staaten durch Auslieferungsgesuche für innere machtpolitische Ambitionen zu missbrauchen. Die Bundesregierung sollte deshalb deutlich machen, dass die Rechtsstaatlichkeit in Deutschland vollumfänglich gewahrt bleibt“, sagte der Obmann der Unions-Fraktion im Auswärtigen Ausschuss, Roderich Kiesewetter (CDU), dem Handelsblatt. Die Zugehörigkeit zur Gülen-Bewegung sei dabei keine Rechtfertigung. „Deshalb müssen klare individuelle Anhaltspunkte für eine Teilnahme am oder Hilfe für den Putschversuch vorgebracht werden.“

Der CDU-Außenpolitiker Karl-Georg Wellmann betonte, dass aus Deutschland nur dann an ein anderes Land ausgeliefert werden dürfe, wenn gewährleistet sei, dass ihn dort ein rechtsstaatliches Verfahren erwarte. „Das ist in der in keiner Weise mehr gewährleistet. Der Rechtsstaat wird dort gerade mit atemberaubender Geschwindigkeit demontiert“, sagte Wellmann dem Handelsblatt. „Grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien und europäische Werte scheinen in der Türkei keine Geltung mehr zu haben.“ Hinzu komme, dass der Präsident und die führende AKP Partei die Einführung der Todesstrafe planten. „Dieses wäre dann sowieso ein absoluter Ausschließungsgrund für eine Auslieferung.“

Erdogan hält den im US-Exil lebenden Gülen für den eigentlichen Drahtzieher des gescheiterten Putsches vom 15. Juli. Die Bewegung um den Geistlichen gilt in der Türkei als terroristische Organisation. Im Rahmen der Maßnahmen gegen mutmaßliche Anhänger der Putschisten wurden bislang über 60.000 Menschen von ihren Posten in Militär, Bildungswesen und Verwaltung entfernt.

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Im Ausland wächst die Sorge, Erdogan wolle nicht nur gegen die Aufständischen vorgehen, sondern die gesamte Opposition ausschalten. „Jetzt gehen die Reaktionen über jedes Maß hinaus“, sagte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) den Dortmunder „Ruhr Nachrichten“.

Der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, der Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs, forderte klare Worte von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Die Kanzlerin habe deutsche Interessen zu vertreten. „Sie darf sich nicht wieder von Erdogan erpressen lassen“, sagte Kahrs dem Handelsblatt. „Wenn es Probleme in Deutschland mit der Gülen-Bewegung geben sollte, muss das in Deutschland bewertet werden. Bei uns gelten dafür rechtsstaatliche Grundsätze.“


Baden-Württemberg berichtet von türkischer Einflussnahme

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann zeigte sich befremdet über türkische Einflussversuche in Deutschland. Kretschmann sagte der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, das türkische Generalkonsulat in Stuttgart habe die Landesregierung aufgefordert, „Vereine, Einrichtungen, Schulen, die nach Meinung der türkischen Regierung von der Gülen-Bewegung wie sie sagt 'betrieben' werden, einer Prüfung zu unterziehen“. Der Grünen-Politiker kritisierte: „Hier sollen Leute auf irgendeinen Verdacht hin grundlos verfolgt oder diskriminiert werden.“

Der Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin wertete das Begehren im Handelsblatt als „dreiste Forderung nach Verfolgung“. „In seiner Hexenjagd auf Regierungsgegner will Erdogan sein Jagdrevier auf Deutschland ausdehnen“, sagte Trittin. Das sei unerträglich. Deutschland liefere aber nur an Rechtsstaaten aus. „Und auch nur dann, wenn es sich um Delikte handelt, die nach deutschem Recht strafbar sind“, betonte der Grünen-Politiker.

Offenbar handelte es sich bei dem Begehren des Generalkonsulates um eine vereinzelte Aktion. Nach Angaben der Regierungen von Hessen, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen vom Freitag sind dort vergleichbare Schreiben nicht eingegangen. Alle drei Länder sind auch Standorte türkischer Generalkonsulate.

Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu hatte am Donnerstag gefordert, Deutschland solle türkische Richter und Staatsanwälte mit Verbindungen zu Gülen, die sich in die Bundesrepublik abgesetzt hätten, ausliefern.

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) sieht die Einflussversuche der türkischen Regierung gelassen. „Das Auslieferungsersuchen der ist rein politischer Natur, da es faktisch keine Aussicht auf Erfolg hat“, sagte DAV-Präsident Ulrich Schellenberg dem Handelsblatt. Das Ersuchen werde „mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit“ aus juristischen Gründen scheitern.

Eine Auslieferung sei zum Beispiel schon dann nicht möglich, wenn befürchtet werden müsse, dass die Betroffenen in der Türkei allein wegen ihrer politischen Anschauung verfolgt oder bestraft würden, sagte Schellenberg weiter. „Angesichts der derzeitigen Vorgänge in der Türkei ist von einer Verfolgung oder Bestrafung vermeintlicher Gülen-Befürworter auszugehen.“

Schellenberg erinnerte in diesem Zusammenhang, dass bereits im Februar beispielsweise das Oberlandesgericht München die Auslieferung eines türkischen Staatsangehörigen für unzulässig erklärt habe, weil die „Gefahr von politischer Verfolgung und unmenschlicher und erniedrigender Behandlung“ durch den türkischen Geheimdienst bestünde. „Seitdem hat sich die Menschenrechtslage in der Türkei dramatisch verschlechtert“, sagte Schellenberg.


CDU-Politiker attackiert Erdogan-nahen Islam-Verband

Auch die Aktivitäten Erdogan-naher Islam-Gruppen in Deutschland werden inzwischen argwöhnisch beobachtet. Scharfe Kritik äußerte etwa der CDU-Außenpolitiker Kiesewetter am deutschen Islamverband Ditib, der direkt der türkischen Religionsbehörde untersteht. Ditib fordere in Deutschland die Türken auf, Namenslisten von angeblichen Gülen-Anhängern zu übermitteln. „Das ist untragbar und muss durch rechtsstaatliche Mittel unterbunden werden“, sagte der CDU-Politiker.

Der CDU-Politiker Wellmann erklärte, die deutschen Sicherheitsbehörden prüften inzwischen „routinemäßig und von Amts wegen, ob die Tätigkeit von Vereinen und sonstigen Einrichtungen, egal ob sie von Deutschen oder Ausländern betrieben werden, mit den Grundsätzen unserer Verfassung in Einklang stehen“. Sei das nicht der Fall, werde dagegen vorgegangen, wie gerade in Niedersachsen. „Es bedarf insoweit nicht der Nachhilfe von Regimen, die es mit europäischen rechtlichen Standards nicht so ernst nehmen“, sagte Wellmann.

Mit einem Großaufgebot hatte die Polizei im niedersächsischen Hildesheim am Mittwoch einen Moscheeverein und die Wohnungen seiner führenden Vertreter durchsucht. Die Aktion diene der Vorbereitung eines Verbotsverfahrens gegen die Vereinigung wegen salafistischer Aktivitäten, teilte das Landesinnenministerium mit.

Demnach beteiligten sich bis zu 400 Beamte an den Razzien gegen den „Deutschen Islamkreis Hildesheim“ (DIK), darunter unter anderem ein Spezialeinsatzkommando sowie Einsatzhundertschaften der Bereitschaftspolizei. Durchsucht wurden die von dem Verein betriebene Moschee sowie Privatwohnungen von acht Vorständen.

„Der DIK in Hildesheim ist ein bundesweiter Hotspot der radikalen Salafistenszene, den die niedersächsischen Sicherheitsbehörden seit längerer Zeit beobachten“, sagte der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD). Er sei zuversichtlich, dass die „akribisch vorbereitete Aktion“ von Verfassungsschutz und Polizei erfolgreich sei. Konkrete Angaben über Ergebnisse gab es zunächst aber nicht.

Mit Sorge blickt die Politik derweil auf die für Sonntag geplante Großkundgebung von Türken in Köln, zu der 30.000 Teilnehmer erwartet werden.

Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Ekin Deligöz sagte, in Demokratien müssten solche Kundgebungen ertragen und ermöglicht werden. Gewalt sei aber keine Meinung und werde nicht geduldet, sagte sie im Deutschlandfunk. Auch die Türkische Gemeinde in Deutschland rief zur Mäßigung auf. Die Stimmung unter den türkischstämmigen Menschen in der Bundesrepublik sei sehr angespannt.

KONTEXT

Gülen-Bewegung: Weltoffener Islam oder unvereinbar mit dem westlichen Gesellschaftsbild?

Was charakterisiert die Hizmet-Bewegung?

Unter der geistigen Führerschaft des seit 1999 im US-Bundesstaat Pennsylvania lebenden Gülen will Hizmet nach eigenen Angaben Bildung, Wissenschaft und Dialog auf der Basis eines modernen Islam fördern. In der Türkei hat die Bewegung in den Medien, der Polizei und der Justiz viele Unterstützer. Weltweit betreibt Hizmet hunderte Schulen - getreu Gülens zentraler Forderung, Schulen zu bauen statt Moscheen.

Was werfen Kritiker der Bewegung vor?

Seine Gegner legen dem 75-jährigen Gülen zur Last, einen radikalen Islamismus zu befördern - und in der Türkei einen Staat im Staat aufgebaut zu haben. Auch in Deutschland ist die Bewegung umstritten: Kritiker bemängeln fehlende Transparenz in der dezentral aufgebauten Hizmet-Bewegung. In Wahrheit wolle Hizmet mit ihrer Bildungsarbeit einer Islamisierung der Gesellschaft den Weg ebnen.

Was sagen andere?

Die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen gibt zu bedenken, dass sich das Gülen-Schrifttum programmatisch an einem konservativ-islamischen Gesellschaftsbild orientiere - dem Bild einer Gesellschaft, das insbesondere hinsichtlich der Rechte von Frauen, der Meinungs- und Religionsfreiheit sowie der Trennung von Religion und Staat "dem Gesellschaftsbild der Mehrheitsgesellschaft entgegensteht".

Wie ist Hizmet in Deutschland organisiert?

Als Ansprechpartner der deutschen Hizmet-Bewegung versteht sich die Stiftung Dialog und Bildung in Berlin. Nach deren Angaben engagieren sich bundesweit etwa 150.000 Menschen in der Bewegung. Die Hizmet-Anhänger betreiben demnach hierzulande rund 160 Nachhilfevereine, 30 Schulen und ein Dutzend Dialogvereine.

Was hält die Hizmet-Bewegung ihren Kritikern entgegen?

Der Stiftungs-Geschäftsführer Ercan Karakoyun betont, Hizmet stehe für einen weltoffenen und toleranten Islam. "Das sieht in Deutschland so aus, dass hier unterschiedliche Bildungsprojekte auf die Beine gestellt werden und dass man in Kontakt tritt mit Andersgläubigen und Andersdenkenden in der Gesellschaft, um so interkulturelle Dialoge zu ermöglichen", sagte er am Montag im WDR-Fernsehen.

Was sagt Hizmet in Deutschland zum Putschversuchin der Türkei?

Die Stiftung Dialog und Bildung verurteilte den Putschversuch in einer Stellungnahme vom vergangenen Samstag "aufs Schärfste". Zudem schrieb Geschäftsführer Karakoyun im Kurzbotschaftendienst Twitter: "Die schlechteste Demokratie ist besser als jeder Putsch."

Wie beurteilen die Sicherheitsbehörden die Gülen-Bewegung?

In einem Bericht zur Hizmet-Bewegung kam der Verfassungsschutz Baden-Württemberg im Juli 2014 zu dem Ergebnis, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine geheimdienstliche Beobachtung "derzeit nicht gegeben" seien. Es lägen "keine tatsächlichen Anhaltspunkte" dafür vor, dass die Gülen-Bewegung mit ihren Aktivitäten verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolge.

Aber?

Zwar vertrete Gülen ein "konservatives Islambild im Sinne eines allumfassenden Systems der Gesellschaft", das auch die staatliche Ordnung umfasse. Die "mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung kollidierenden Elemente in der Lehre Gülens" fänden jedoch keinen Ausdruck in politischen Aktivitäten, die auf die Beseitigung zentraler Verfassungsgrundsätze ausgerichtet seien, schrieben die Stuttgarter Verfassungsschützer.

KONTEXT

Wer hat Einfluss auf Erdogan?

Hintergrund

Demokratisch legitimierte Institutionen dürfen nicht vom Militär gestürzt werden - das ist die einhellige Reaktion vieler Staats- und Regierungschefs auf den Putschversuch in der Türkei. Doch die postwendende Ankündigung von Präsident Recep Tayyip Erdogan einer "Säuberung" lässt nichts Gutes für Demokratie und Rechtsstaat ahnen.

Der Westen

Die Beziehungen zum Westen haben sich in den vergangenen Monaten weiter verschlechtert. Gründe sind die Eskalation des innertürkischen Konflikts mit den Kurden, Einschränkungen von Parlamentarierrechten und hartes Vorgehen gegen Journalisten. Von US-Präsident Barack Obama bis zu Bundeskanzlerin Angela Merkel sind Staats- und Regierungschefs auf Distanz zu Erdogan gegangen. Von ihnen dürfte er sich nun erst recht nichts sagen lassen.

Angela Merkel

Seit Übernahme des Kanzleramts 2005 spricht sich Merkel gegen eine Vollmitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union aus. Sie hat zu dem impulsiven Erdogan nie einen engen Draht aufbauen können. Viel besser gelang ihr das mit Premierminister Ahmet Davutoglu, mit dem sie in Brüssel die Verhandlungen über den Flüchtlingspakt der EU mit der Türkei führte - der aber auf Betreiben Erdogans im Juni abtreten musste. Mit der Armenienresolution des Bundestags ist das Verhältnis zur Türkei im Frühsommer dann auf dem Tiefpunkt angelangt. Der Bundestag hatte die Massaker im damaligen Osmanischen Reich 1915 an den Armeniern als Völkermord eingestuft.

Wladimir Putin

Die Türkei hatte Ende November 2015 ein russisches Kampfflugzeug im syrischen Grenzgebiet abgeschossen. Putin tobte und verhängte schmerzhafte Sanktionen gegen die bis dahin befreundete Türkei. Nun sollen die Beziehungen wieder normalisiert werden, nachdem Erdogan jüngst einen Brief an Putin schrieb, den der Kreml als die geforderte Entschuldigung für den Abschuss gelten ließ. Aber selbst wenn die beiden Präsidenten wieder zueinander fänden - Putin gilt nicht gerade als guter Lehrer in den Fächern Demokratie und Rechtsstaat.

Die EU

Erdogan weiß um die Macht der Türkei, Flüchtlinge von ihrem Weg in die EU abzuhalten. Manchmal konnte man den Eindruck haben, dass Brüssel in Demokratie- und Menschenrechtsfragen gegenüber der Türkei stillhielt, um Ankara nicht zu verprellen.

G20

Anfang September treffen sich Obama, Merkel, Putin und Erdogan beim Gipfel der 19 führenden Industrienationen und der EU (G20) in China. Der neue Ministerpräsident Binali Yildirim verkündete erst kürzlich, außenpolitisches Ziel Ankaras sei es, "die Zahl der Freunde zu mehren, die der Feinde zu verringern". Bis September könnte Erdogan Säuberungswelle aber schon weitgehend abgeschlossen sein.

KONTEXT

Islamistische Terrorgruppen

Islamischer Staat

Der sogenannte Islamische Staat ging aus einem Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida hervor. Im Irak-Krieg 2003 kämpfte die Gruppe gegen die US-Armee, 2013 setzte sie auf Expansion. Als "Islamischer Staat im Irak und in Syrien (Isis)" griff sie im syrischen Bürgerkrieg ein. Sie wurde stärker und lieferte sich Machtkämpfe mit anderen Islamisten, darunter Al-Kaida. In eroberten Gebieten in Syrien und im Irak riefen die Dschihadisten - nun als Islamischer Staat (IS) - ein Kalifat aus, in dem sie brutal gegen Gegner vorgehen. Dschihadisten in anderen Ländern schworen dem IS ihre Treue. Seit einiger Zeit verübt die Terrormiliz auch Anschläge außerhalb Syriens und des Irak.

Ansar Beit Al-Makdis

Die ägyptische Organisation ist eine der Gruppen, die sich dem IS angeschlossen haben. Seit Ende 2014 bezeichnet sich Ansar Beit al-Makdis ("Unterstützer Jerusalems") als "Provinz Sinai" des IS. Laut ägyptischem Innenministerium gehören der Zelle rund 2000 Kämpfer an. Die Islamistentruppe verübt vor allem auf der Sinai-Halbinsel und in Kairo Anschläge.

Taliban

Die 2001 in Kabul gestürzten radikalislamischen Taliban haben weiterhin in großen Teilen Afghanistans Einfluss. Seit dem Auslaufen des Nato-Kampfeinsatzes bemüht sich die afghanische Führung verstärkt um Friedensgespräche mit ihnen. Weiterhin verüben die Taliban aber verheerende Anschläge in allen Teilen des Landes und nehmen Gebiete ein. Pakistans Grenzgebiet zu Afghanistan ist ein Rückzugsgebiet für die Taliban und Al-Kaida. Dort sind Gruppen wie die Tehrik-E-Taliban Pakisten (TTP) oder das Haqqani-Netzwerk aktiv. Auch die Gruppe Laschkar-E-Taiba ("Armee der Reinen") agiert von Pakistan aus auf dem Subkontinent.

Al-Kaida

1988 gründeten Dschihadisten in Afghanistan das Terrornetzwerk Al-Kaida ("Die Basis"). Später richteten sich dessen Angriffe gegen die USA und Westeuropa. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 war Al-Kaida-Chef Osama bin Laden bis zu seinem Tod der meistgesuchte Terrorist der Welt. 2011 tötete eine US-Spezialeinheit Bin Laden im pakistanischen Abbottabad. Seit 2001 setzt das Terrornetzwerk zunehmend auf Regionalisierung.

AQAP

Zu den weitgehend unabhängig agierenden Al-Kaida-Ablegern zählt die 2008 aus der Vereinigung des jemenitischen mit dem saudi-arabischen Zweig entstandene Al-Kaida auf der Arabischen Halbinsel (Al-Qaeda in the Arabian Peninsula/AQAP). Die Terrorgruppe verübt seit Jahren immer wieder Anschläge. Der im Januar 2015 ermordete Redaktionsleiter des Satiremagazins "Charlie Hebdo", Stéphane Charbonnier, stand auf einer "Fahndungsliste" des Dschihad-Magazins "Inspire", das von AQAP veröffentlicht wird. Die USA greifen im Jemen regelmäßig Lager der Gruppe mit Drohnen an.

AQMI

Die ursprünglich algerische Gruppe Alk-Kaida im islamischen Maghreb (AQMI) versucht, Tunesien, Marokko, Algerien, Mauretanien, Niger und Mali durch Anschläge und Entführungen zu destabilisieren. Sie hat auch Rückzugsgebiete in Libyen. Auch die aus Libyen stammende Organisation Ansar al-Scharia ("Unterstützer des islamischen Rechts") verübt Anschläge in Tunesien.

Ansar Dine

Anhänger der Gruppe besetzten 2012 gemeinsam mit Tuareg-Rebellen den Norden Malis. Ihr werden Verbindungen zu Al-Kaida im islamischen Maghreb nachgesagt. Dem Terrorregime der Ansar Dine fielen viele Menschen mit westlichem Lebensstil zum Opfer. Französische und afrikanische Truppen vertrieben die Extremisten weitgehend aus der Region. Es kommt aber weiterhin zu Gefechten und Anschlägen auf Sicherheitskräfte in Mali.

Boko Haram

Die islamistische Terrorgruppe führt in Nigeria einen blutigen Feldzug zur Errichtung eines sogenannten Gottesstaats. Boko Haram heißt so viel wie: "Westliche Bildung ist verboten". Die sunnitischen Dschihadisten werden für viele Attentate und Angriffe verantwortlich gemacht. Schätzungen zufolge wurden seit 2009 mehr als 14.000 Menschen getötet. Die selbst ernannten "Gotteskrieger" kontrollieren Teile Nordostnigerias und versuchen auch, Gebiete in den Nachbarländern Kamerun und Niger zu erobern. Die Gruppe schwor der IS-Miliz Gefolgschaft.

Al-Shabaab

Die radikale Miliz verbreitet in Somalia Angst und Schrecken und verübt auch in Nachbarländern wie Kenia Anschläge. Zwar vertrieben Regierungstruppen und Soldaten der Afrikanischen Union die Extremisten 2011 aus der Hauptstadt Mogadischu, Al-Shabaab beherrscht aber noch weite Teile Mittel- und Südsomalias. Die Organisation hat Verbindungen zum Terrornetzwerk Al-Kaida und kooperiert mit den Extremisten von Boko Haram in Nigeria.

Jemaah Islamiyah

Die Anfang der 1990er Jahre von Indonesiern in Malaysia gegründete Terrorgruppe war bisher in Indonesien, Malaysia und im Süden der Philippinen aktiv. Sie will ein Kalifat in Südostasien errichten und steht Al-Kaida nahe. 2002 ermordeten Jemaah Islamiya-Terroristen bei Bombenanschlägen auf der indonesischen Ferieninsel Bali 202 Menschen, darunter mehr als 150 ausländische Touristen. Weitere Anschläge folgten.

KONTEXT

Türken in Deutschland

Wie viele Türken leben in Deutschland?

Im Jahr 2015 leben rund 1,5 Millionen Türken in Deutschland. Damit sind die Türken die am größten vertretene ausländische Bevölkerungsgruppe in Deutschland. Ihre Zahl nimmt jedoch ab. 2011 waren es noch rund 1,6 Millionen. 1997 gab es sogar über zwei Millionen Türken in Deutschland.

Wie viele Türken wurden in Deutschland eingebürgert?

Im Jahr 2015 wurden 19.674 Türken in Deutschland eingebürgert. Auch diese Zahl ist rückläufig. Im Vorjahr waren es noch 22.463, im Jahr 2003 sogar 56.244.

Wie lang ist die durchschnittliche Aufenthaltsdauer von Türken in Deutschland?

Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer eines Türken in Deutschland beträgt 30 Jahre.

Welche berufliche Stellung haben Türken in Deutschland?

Mit 42 Prozent sind die meisten Türken in Deutschland Arbeiter. Einfache Angestellte sind 21 Prozent. Als höhere Angestellte können sich dagegen nur zwei Prozent bezeichnen. Verbeamtet ist im Jahr 2013 keiner.

Welche Schulen besuchen türkische Kinder?

Die meisten türkischen Kinder und Jugendliche gehen im Jahr 2014 in Deutschland auf eine Hauptschule (14 Prozent) oder auf eine berufliche Schule mit mittlerem Abschluss (13,9 Prozent). Nur 4,5 Prozent besuchen ein Gymnasium.

Wie viel verdienen Türken in Deutschland?

Das monatliche Nettoeinkommen eines Türken in Deutschland beträgt im Jahr 2013 durchschnittlich rund 1.200 Euro.

Wie viele deutsch-türkische Partnerschaften gibt es?

Wenn deutsche Männer eine ausländische Partnerin wählen, dann kommt sie am häufigsten aus der Türkei (12 Prozent). Und auch deutsche Frauen lebten 2014 vor allem mit Türken (18 Prozent) zusammen.

Wie viele Türken fühlen sich aufgrund ihrer Herkunft benachteiligt?

18 Prozent der Türken fühlen sich häufig wegen ihrer Herkunft benachteiligt. 29 Prozent machen sich sogar große Sorgen um die Ausländerfeindlichkeit in Deutschland.

Wie viele Türken wollen für immer in Deutschland bleiben?

Die Absicht, in Deutschland zu bleiben, ist bei den Türken von allen ausländischen Bevölkerungsgruppen am geringsten. Nur 66 Prozent wollen dies laut dem Sozialbericht 2016 vom Statistischen Bundesamt. Die schwierige soziale Situation der Türken, sowie die stärker verbreitete subjektive Erfahrung von Benachteiligung könnten dieses Ergebnis erklären.