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Deutsche Mitarbeiter von ZF Friedrichshafen fürchten um ihre Arbeitsplätze

Die Situation der deutschen Autozulieferer wird immer angespannter. Nach Continental drohen auch beim Branchendritten ZF Friedrichshafen Einschnitte.

Die lokalen Betriebsräte haben bereits angekündigt, um jede Arbeitsstelle zu kämpfen. Foto: dpa
Die lokalen Betriebsräte haben bereits angekündigt, um jede Arbeitsstelle zu kämpfen. Foto: dpa

Die Szene vor der Konzernzentrale von ZF in Friedrichshafen war am Mittwoch schon etwas skurril, hatte aber durchaus Symbolcharakter. Es kommt nicht alle Tage vor, dass 5000 Beschäftigte des Stiftungsunternehmens auf die Straße gehen, weil sie Angst um ihren Job haben. Sie fürchten, in der Transformation zur Elektromobilität auf der Strecke zu bleiben.

Die Beschäftigten forderten ZF-Chef Wolf-Henning Scheider – oder zumindest einen seiner Vorstandskollegen – zur Rede. Aber keiner war da. Die komplette Führung war auf Tour zu den US-Werken. Das passte unfreiwillig, denn die größte Sorge der Beschäftigten ist die Jobverlagerung ins Ausland.

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„Vor Kurzem hat ZF im serbischen Pancevo ein Werk aus dem Boden gestampft, wo Elektroantriebe hergestellt werden. In Ungarn wurde eine Fabrik hingestellt, wo künftig die neuesten Acht-Gang-Automatikgetriebe montiert werden sollen. Diesen Trend zur Lohnkonkurrenz müssen wir stoppen“, wettert Betriebsratschef Achim Dietrich.

Am Donnerstag machte der Betriebsrat im größten Getriebewerk des Konzerns in Saarbrücken weiter mobil. Und das mit Informationen zu Planspielen des Vorstands, in Saarbrücken bis 2026 die Zahl der Beschäftigten von 7200 auf 5400 zu reduzieren. Ausgerechnet in Saarbrücken. Noch vor Kurzem wurden dort zweistellige Milliardenaufträge für das neue Hybridgetriebe von BMW und Fiat gefeiert.

Das wurde von den Medien vor Ort quasi als Lebensversicherung für das Werk gesehen. Selbst IG-Metallchef Jörg Hofmann lobte ZF als schillerndes Beispiel, „wie die Transformation gelingen kann.“ Seither hat die Nervosität selbst in dem saarländischen Vorzeigewerk deutlich zugenommen, obwohl es eine Beschäftigungssicherung bis zum Jahr 2022 gibt.

Zwar baut ZF auch in den USA und in China Getriebe, aber die Arbeitnehmer haben wohl interne Informationen, dass Arbeiten stärker als bisher geplant ins Ausland verlagert werden sollen. „Wir nehmen zunehmend Signale wahr, dass die Beschäftigten in Deutschland zu teuer sind und ZF daher vermehrt Arbeit – sowohl in Produktion als auch Entwicklung und Verwaltung – ins billigere Ausland verlagern will“, sagt Dietrich.

Eigentlich ist die Entwicklung nicht neu. Arbeiteten vor zehn Jahren noch mehr als 60 Prozent der ZF-Beschäftigten im Inland, sind es heute mit rund 50.000 Beschäftigten nur noch etwa ein Drittel. Auch der oberste Arbeitnehmervertreter weiß, dass dies mit der Globalisierung und der Übernahme des US-Konzerns TRW einhergeht, aber er befürchtet nach dem jüngsten Gewinneinbruch niedere Beweggründe im Management: „Wir warnen davor, die konjunkturell bedingten Absatzrückgänge mit langfristigen Herausforderungen zu vermischen.“

Tatsächlich bastelt der Vorstand an seiner Strategie für 2026. „Wir befinden uns momentan in einer Planungsphase, da gibt es verschiedene Szenarien“, betonte ein Sprecher. Wann die Planungen abgeschlossen seien, ließ das Unternehmen offen.

Die Arbeitnehmer bemängeln dabei die Informationspolitik des Vorstands und wollen stärker eingebunden werden. „Wir verstehen, dass die Mitarbeiter Sicherheit fordern, aber das ist vor dem Hintergrund der politischen und wirtschaftlichen Risiken nicht uneingeschränkt möglich“, ließ das Unternehmen mitteilen.

Auch die Transformation der Autoindustrie hin zur E-Mobilität und neuen Mobilitätsangeboten führe zu langfristigen Veränderungen der Beschäftigung. ZF wolle aber seine fest angestellte Stammbelegschaft in Deutschland erhalten.


Belastungstest steht unmittelbar bevor

ZF ist zwar, anders als Continental oder Bosch, nicht so stark dem Einbruch der Diesel-Nachfrage ausgesetzt, aber dem schrumpfenden Gesamtmarkt kann sich auch der Stiftungskonzern keinesfalls entziehen. Der Gewinn brach im ersten Halbjahr um 35 Prozent auf 650 Millionen Euro ein. Im Gesamtjahr wird nur noch ein leicht rückläufiger Umsatz zwischen 36 und 37 Milliarden Euro erwartet.

Auch Branchenprimus Bosch hatte bereits angekündigt, dass Umsatz und Renditeziele in diesem Jahr nicht erreicht würden. Auch Arbeitsplatzabbau drohe, hatte Bosch-Chef Volkmar Denner eingeräumt. Konkrete Maßnahmen über das Beenden auslaufender befristeter Verträge oder Vorruhestandsregelungen nannten die Schwaben aber bislang nicht.

Bereits im Frühjahr gingen hunderte Bosch-Beschäftigte in Stuttgart auf die Straße, um für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze vor allem in der Dieseltechnik zu demonstrieren. Der Stiftungskonzern Bosch ist dafür bekannt, solche Situationen möglichst sozialverträglich zu lösen.

Keiner weiß das besser als ZF-Chef Scheider, der lange Jahre bei Bosch gearbeitet hat. Auch im Stiftungskonzern ZF gibt es eine eigene Kultur mit hoher Identifikation der Belegschaft. Der Belastungstest steht unmittelbar bevor: Einen Vorgeschmack gab Betriebsrats-Chef Dietrich.

Er erinnerte auf der Kundgebung in Friedrichshafen an die letzte große Krise. Da habe der damalige Chef Hans-Georg Härter anders geredet. „Da hieß es, wir nehmen alle mit, keiner geht von Bord.“ Und damals in der Finanzkrise schrieb ZF rote Zahlen. „Damals gab es ein Band, das uns zusammengehalten hat: die ZF-Kultur. Dieses Band müssen wir erneuern.“

Um jede Stelle kämpfen

Ignorieren kann Scheider die Mobilmachung der Arbeitnehmer nicht. Denn das Unternehmen gehört der Zeppelin-Stiftung und an deren Spitze steht der Oberbürgermeister von Friedrichshafen, dem das Wohl der Beschäftigten immer ein besonderes Anliegen ist. Es sind ja seine Wähler. Diese Konstellation birgt schwer kalkulierende Risiken für Scheider, wenn er zu radikal vorgeht.

Sein Vorgänger Stefan Sommer ist an speziellen Friedrichshafener Verhältnissen letztendlich gescheitert. Die Konjunkturflaute und die Belastungen durch die Transformation haben den börsennotierten Konkurrenten Continental bereits zu starken Einschnitten gezwungen. Nach dem Schock vom Mittwoch arbeiten die Betriebsräte bei Continental nun an Lösungen.

In den kommenden Wochen werden an den vom Kostensenkungsprogramm betroffenen Standorten Strategien entwickelt, um den Stellenabbau so sozialverträglich wie möglich zu gestalten. Bis Ende des Jahres dürfte klar sein, was genau an den Standorten Babenhausen, Roding und Limbach passieren wird.

Die lokalen Betriebsräte haben allerdings bereits angekündigt, um jede Arbeitsstelle zu kämpfen. Brisant ist zudem, dass die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der Schließung von Standorten in Deutschland nicht zustimmen werden. Streiks dürften daher nicht ausgeschlossen sein.

In der Mitteilung der Conti-Geschäftsführung steckt zudem weiterer Sprengstoff. So wird auf weitere Projekte verwiesen, dessen Details derzeit noch ausgearbeitet werden. Dabei geht es um den möglichen Verkauf einzelner Geschäfts- und Teilsegmente. Daher ist fraglich, ob es bei den drei betroffenen Continental-Standorten in Deutschland bleiben wird.

An diesem Freitag findet darüber hinaus eine vom Betriebsrat einberufene außerordentliche Konzernbetriebsratssitzung statt, an der Konzernchef Elmar Degenhart, Nikolai Setzer – Vorstand des Automotive Board, das mit dem Konzernumbau von Continental in eine Holding betraut ist – und Personalchefin Ariane Reinhart teilnehmen werden.

In dieser Sitzung werden die Arbeitnehmervertreter vom Vorstand weitere Informationen zum Konzernumbau und zum Teilbörsengang oder der Abspaltung der Antriebssparte (künftig Vitesco Technologies) und die daraus resultierenden Auswirkungen auf die Mitarbeiter fordern.