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Deutsche Bank verspricht sich von Google-Kooperation einen Milliardengewinn

US-Tech-Konzerne werden für Europas Banken zu wichtigen Partnern. Jetzt setzt auch die Deutsche Bank auf die Cloud-Dienste von Google – und weckt damit hohe Erwartungen.

Wie lange reicht die Liquidität meiner Firma noch aus? Sollte ich jetzt eine Kreditlinie ziehen? Während der Coronakrise haben solche Fragen für Unternehmer schnell eine existenzielle Bedeutung bekommen. Doch verlässliche Antworten fallen auch großen Geldhäusern wie der Deutschen Bank oft noch schwer.

Um valide Cashflow-Prognosen erstellen zu können, braucht es gerade in ungewöhnlichen Situationen wie der Corona-Pandemie komplexe Analysesysteme und Künstliche Intelligenz. Zugang zu solchen Tools will die Deutsche Bank nun über eine weltweite strategische Partnerschaft mit Google Cloud erlangen.

Damit soll verwirklicht werden, was Vorstandschef Christian Sewing schon vor einem Jahr angekündigt hatte: Aus der Deutschen Bank solle wieder „ein erfolgreiches und führendes Bankhaus“ werden. Und sie werde sich „wieder voll und ganz auf ihre Kunden ausrichten“.

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Verantwortlich für die kürzlich verkündete Partnerschaft mit Google ist Bernd Leukert, IT-Vorstand der Deutschen Bank. „Gemeinsam mit Google Cloud wollen wir für unsere Kunden digitale Finanzdienstleistungen entwickeln, Technologie und Innovation sind da entscheidende Wettbewerbsfaktoren“, erklärt er im Gespräch mit dem Handelsblatt.

Andere Banken sind bei der Nutzung der Cloud längst vorgeprescht. Experten sehen in der geplanten Zusammenarbeit jedoch Besonderheiten. „Nahezu jede große Bank experimentiert mit Cloud-Diensten, aber die Kooperation zwischen Deutscher Bank und Google ist in dieser umfassenden Form ein Novum und eher überraschend“, sagt Sandra Ficht, Digitalisierungsexpertin bei der Unternehmensberatung Capgemini Invent.

Auch Christian Tölkes, Managing Director beim Berater Accenture, hält das Ausmaß der angekündigten Zusammenarbeit mindestens in der Kreditwirtschaft für einzigartig: „Hier geht es um viel mehr als nur die Lieferung von IT-Dienstleistungen, es geht auch um Innovationskraft und die Modernisierung alter Systeme.“

Die Vorteile der Cloud

Dass die IT-Systeme in der größten deutschen Bank veraltet sind, ist schon lange bekannt. Der frühere Vorstandschef John Cryan bezeichnete sie 2015 sogar als „lausig“. Zudem arbeitet das Institut schon länger daran, die Anzahl der Betriebssysteme zu verringern. Vor fünf Jahren gab es bei der Deutschen Bank noch 45 IT-Systeme, Ende 2019 waren es Finanzkreisen zufolge 24. Dabei liegt das erklärte Ziel bei gerade einmal vier. Nur so lassen sich die Kosten spürbar senken.

Neue Systeme und gemeinsam mit Google entwickelte neue Finanzdienstleistungen dürften künftig direkt über die Cloud laufen. Wie schnell auch bestehende Anwendungen bis hin zum Kernbankensystem in die Cloud verlagert werden, lässt Leukert noch offen. „Perspektivisch sollte alles in die Cloud wandern, was möglich ist. Aber manche Bereiche stehen eher am Ende der Liste, so etwa das Emissions- und Beratungsgeschäft oder der Handel mit Anleihen.“

Nach Ansicht von Beraterin Ficht wäre es ohnehin nicht sinnvoll, die alten Systeme eins zu eins in die Cloud zu verlagern. „Schließlich wird eine Anwendung nicht allein dadurch besser und kompatibler, dass man sie in die Cloud legt.“

Die Cloud, um die sich alles dreht, steht bildlich für eine Datenwolke, auf die man – im Gegensatz zu lokalen Datenspeichern – von überall auf der Welt zugreifen kann. Speicherplatz und Rechenleistung können je nach Bedarf erhöht oder reduziert werden. So müssen Unternehmen nicht mehr ständig IT-Leistung für Spitzenlasten vorhalten, was ein großer finanzieller Vorteil ist.

Daneben stellen Cloud-Dienste auch Software und Algorithmen zur Verfügung. Damit können Kunden neue Programme entwickeln und ihre Daten analysieren. Hinzu kommt: Neuerungen können in der Cloud in Echtzeit umgesetzt werden – während Updates bei traditionellen Systemen oft nur in Abständen von Tagen oder Wochen möglich sind.

Die Deutsche Bank erwartet aus der Partnerschaft mit Google Finanzkreisen zufolge einen zusätzlichen Gewinn von einer Milliarde Euro. Zu den nötigen Investitionskosten wurde nichts bekannt. Die Zusammenarbeit mit Google Cloud soll sämtliche Bereiche der Bank umfassen. Während im Firmenkundengeschäft etwa das Cash-Management verbessert werden soll, geht es laut Leukert im Privatkundengeschäft zunächst darum, die Nutzeroberfläche bedienerfreundlicher zu machen und Produkte vollständig digital anzubieten. Letzteres mit Einsatz von digitalen Identitäten.

Google sticht Amazon aus

Zwischen Februar und Juni hatte die Deutsche Bank neben Google auch Anbieter wie Amazon und Microsoft geprüft. Dass die Wahl auf Google fiel, erklärt Leukert damit, dass Google „technologisch führend“ sei, „insbesondere bei Datenanalyse und Künstlicher Intelligenz“. Dies solle auch in den Bereichen Geldwäscheprävention und Anti-Financial-Crime genutzt werden. Hinzu komme, dass Google das Erfolgsrisiko für die gemeinsamen Entwicklungen mittrage. „Wir wollen nicht nur Services einkaufen, sondern auch einen Partner haben, der sich für die Projekte engagiert“, sagt Leukert.

Bisher haben die beiden Konzerne eine Absichtserklärung unterzeichnet, in den nächsten Monaten soll ein Vertrag für mindestens zehn Jahre geschlossen werden. „Natürlich werden wir uns vertraglich eine gewisse Flexibilität sichern, aber ich gehe davon aus, dass die Zusammenarbeit eher länger andauert.“

Google ist im Rennen der größten Cloud-Anbieter der abgeschlagene Dritte. Die Analysefirma Canalys schätzte den Marktanteil von Google Cloud im Februar auf sechs Prozent, weit hinter Amazons AWS mit 32 Prozent und Microsofts Azure mit 17 Prozent. Um Marktanteile zu gewinnen, hat Thomas Kurian, seit Ende 2018 Googles Cloud-Chef, die Finanzbranche als einen der Zielmärkte definiert.

Bislang hatte Google unter globalen Banken nur die HSBC als Großkunden, die 2018 noch unter Kurians Vorgängerin Diane Greene gewonnen wurde. So ist der Deal mit der Deutschen Bank auch für Google ein Durchbruch. Nach Einschätzung von Experten dürfte Google vor diesem Hintergrund auch zu Zugeständnissen bereit gewesen sein, die der Marktführer Amazon nicht gemacht hat.

Ein Manko könnte jedoch Googles Image als Datenkrake sein. Die Datensicherheit bewerten Experten daher als wichtigen Erfolgsfaktor für das Cloud-Projekt. „Das ist vor allem eine kommunikative Herausforderung für die Bank, denn gegenüber Tech-Konzernen wie Google herrscht in der Gesellschaft ein großes Misstrauen in Bezug auf die Datensicherheit“, sagt Silke Finken, Professorin für Innovationsmanagement an der International School of Management (ISM) in München.

Bankvorstand Leukert versichert, dass die Daten der europäischen Kunden ausschließlich in europäischen Rechenzentren liegen. „Ich habe mir ein solches Zentrum selbst angeschaut und war beeindruckt. Ein solches Sicherheitsniveau kennt man sonst nur von militärischen Einrichtungen“, sagt er. „Bei der Datensicherheit machen wir als Bank dank der Kooperation noch mal einen Schritt nach vorn.“

Auch Bedenken wegen eines möglichen Datenabgriffs durch Google teilt Leukert nicht. „Die Daten sind verschlüsselt, und nur wir haben Zugriff darauf.“ Es gebe einen entscheidenden Unterschied zwischen Googles Diensten für Privatnutzer und für Geschäftskunden: „Privatleute erhalten die Dienste kostenlos und müssen dafür der Nutzung ihrer Daten zustimmen, doch wir als Geschäftskunde bezahlen für die Leistungen und behalten dafür die Datenhoheit.“

Berater Tölkes hält Cloud-Systeme ebenfalls für sicher: „Die Wahrscheinlichkeit, dass Systeme bei einem Cloud-Anbieter gehackt werden, ist viel kleiner, als dass das bei einer Bank passiert“, sagt er. Und wenn der Anbieter die Daten heimlich selbst nutze, würde er sein Geschäftsmodell zerstören.

Kein europäischer Anbieter in Sicht

Die Zusammenarbeit mit einem amerikanischen Cloud-Anbieter scheint für Banken unausweichlich. Im März ergab eine Bloomberg-Umfrage unter 22 europäischen Großbanken, dass jede einzelne mit einem US-Konzern als primärem Cloud-Anbieter kooperiert – obwohl viele in der Branche mit ungutem Bauchgefühl mit den Konzernen zusammenarbeiten. Schließlich könnten politische Konflikte mit den USA die Zusammenarbeit gefährden.

Lieber würden die Geldhäuser deshalb einen europäischen Cloud-Anbieter nutzen, doch den gibt es nicht. Wann ein entsprechendes Projekt namens „Gaia-X“ startet, ist noch ungewiss. Die Banken wollen nicht darauf warten.

Die Commerzbank etwa arbeitet mit Microsoft und Google zusammen. Bereichsvorstand Kerem Tomak erklärte dazu im vergangenen Jahr: „Cloud-Technologien helfen uns, wettbewerbsfähig zu bleiben, indem wir Angebote und Dienstleistungen schneller zu den Kunden bringen und einfacher mit anderen Unternehmen kooperieren können.“

Die Smartphonebank N26 hatte gleich seit ihrem Start 2015 auf die Cloud gesetzt. „Nur so war es möglich, schnell zu skalieren und innerhalb von fünf Jahren von null auf über fünf Millionen Kunden zu wachsen“, sagt Deutschlandchef Georg Hauer. Allerdings: „Um in der gesamten europäischen Bankenbranche ein starkes digitales Mindset zu entwickeln, bedarf es natürlich mehr, als nur Technologie zuzukaufen.“

Wenn die Kooperation mit Google einmal Fahrt aufgenommen hat, dürfte die Deutsche Bank in vielen Bereichen profitieren. Kritiker befürchten jedoch, dass auch Google daraus einen Nutzen ziehen könnte, der über das Cloud-Geschäft hinausgeht: Was, wenn Google die Kooperation nutzt, um für den Start einer eigenen Bank zu lernen?

„Darüber haben wir im Vorstand auch diskutiert, aber ich halte das für unwahrscheinlich“, sagt Leukert. „Wenn Google die Absicht hätte, selbst ins Bankgeschäft einzusteigen, dann würden sie es einfach tun. Geld genug dafür hätten sie.“ Googles Mutterkonzern Alphabet hatte zuletzt eine Marktkapitalisierung von umgerechnet rund 906 Milliarden Euro, die Deutsche Bank kam gerade mal auf rund 18 Milliarden Euro.