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Deutsche-Bank-Chef Sewing: „Frage nach Staatshilfe stellt sich nicht“

Auf ihrer virtuellen Hauptversammlung warnt die Deutsche Bank vor den Risiken der Pandemie, sieht sich aber gut gerüstet. Im Aufsichtsrat bahnt sich ein Wechsel an.

Der Vorstandschef der Deutschen Bank stellt sich auf der HV in diesem Jahr im Internet den Fragen der Aktionäre – nicht wie hier im Bild aus dem vergangenen Jahr in der Frankfurter Festhalle. Foto: dpa
Der Vorstandschef der Deutschen Bank stellt sich auf der HV in diesem Jahr im Internet den Fragen der Aktionäre – nicht wie hier im Bild aus dem vergangenen Jahr in der Frankfurter Festhalle. Foto: dpa

Die Deutsche Bank steht noch ganz am Anfang der Coronakrise. Noch hat die befürchtete Welle fauler Kredite das größte heimische Geldhaus nicht erreicht. Aber Vorstandschef Christian Sewing macht schon einmal klar, dass die Bank ohne Staatshilfe durch die Pandemie kommen will.

„Dank unserer strategischen Neuausrichtung gepaart mit der soliden Kapital- als auch Liquiditätsausstattung sehen wir die Bank heute in einer deutlich stärkeren Position als noch vor einigen Jahren. Von daher sind wir gut gerüstet, die Herausforderung zu meistern, die auch das aktuelle Umfeld mit sich bringt“, sagte Sewing am Mittwoch bei der virtuellen Hauptversammlung des Instituts. „Somit stellt sich die Frage nach einem potenziellen Einstieg nicht“, antwortete er auf die Frage eines Aktionärs, ob die Bank ohne Staatshilfe durch die Coronakrise kommen werde.

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Der 50-Jährige betonte darüber hinaus, dass die Bank bei Fusionen und Zusammenschlüssen in der Branche eine „aktive Rolle“ spielen wolle: „Wir müssen profitabler sein als heute, wenn wir eine führende Rolle spielen wollen in der europäischen Konsolidierung.“ 2019 musste die Bank einen Verlust von 5,7 Milliarden Euro verkraften. Es war der fünfte Jahresverlust in Folge.

So nüchtern ging es bei einer Hauptversammlung der Deutschen Bank schon lange nicht mehr zu. Statt aufgebrachter Aktionäre auf der Bühne der Frankfurter Festhalle gab es dieses Mal lediglich eine lange Liste von Fragen, die die Aktionäre vorher einreichen mussten und die die TV-Moderatorin Doro Plutte in einer Art improvisiertem Fernsehstudio in den Doppeltürmen an der Taunusanlage der Reihe nach vorlas.

Achleitner strebt keine Wiederwahl an

Aufsichtsratschef Paul Achleitner, Vorstandschef Sewing, sein Stellvertreter Karl von Rohr und Finanzvorstand James von Moltke arbeiteten die Fragen im Akkord hintereinander ab. Insgesamt hatten 54 Aktionäre 366 Fragen gestellt. Eine der Fragen bezog sich auf die Zukunft von Aufsichtsratschef Achleitner, der bis zum Ablauf der Hauptversammlung 2022 ins Kontrollgremium gewählt wurde. Achleitner stellte klar, dass er nicht vorhat, seine Amtszeit zu verkürzen. Danach soll aber Schluss sein: „Eine Wiederwahl strebe ich nicht an. Nach zehn Jahren in dieser Verantwortung muss dann auch genug sein“, sagte er.

Nachdem die Anleger im vergangenen Jahr dem Aufsichtsratschef noch einen Dämpfer versetzt haben, entlasteten sie Achleitner dieses Mal mit 92,99 Prozent der abgegebenen Stimmen. Bankchef Sewing wurde mit 98,86 Prozent entlastet – auch das ist deutlich mehr als im vergangenen Jahr.

Wegen der Coronakrise musste die Deutsche Bank ihr Aktionärstreffen zum ersten Mal ins Internet verlegen. Langweilig ist die Veranstaltung trotzdem nicht. Schließlich hat die Pandemie das größte heimische Geldhaus mitten im Umbau erwischt. „In dieser Phase des Umbruchs müssen wir unsere Bank noch wetterfester machen – oder sagen wir besser: sturmfest“, räumt Vorstandschef Sewing in seiner vorab veröffentlichten Rede ein.

Aufsichtsratschef Paul Achleitner warnt: „Die Coronakrise wird nicht nur länger andauern als zunächst erwartet – sie wird auch dauerhafte Konsequenzen haben.“

Kostenziel möglichst unterbieten

Deshalb will die Bank ihre Sparanstrengungen verstärken und hofft, ihr Kostenziel für dieses Jahr nach Möglichkeit zu unterbieten. Dazu soll auch die gerade vollzogene Verschmelzung der Privatkundensparte der Deutschen Bank auf die Konzernmutter beitragen. Die Bank spare dadurch jährlich 45 Millionen Euro, etwa durch den Abbau von 200 Vollzeitstellen, erläuterte der Vize-Chef des Instituts, Karl von Rohr. Die Verschmelzung sorge außerdem für ein besseres Kontrollumfeld sowie für weniger Komplexität.


Wie sich das Filialnetz von Deutscher Bank und Postbank weiter entwickeln wird, wollte von Rohr nicht konkretisieren. „Wir arrondieren unser Filialnetz ständig, wie schon in der Vergangenheit“, sagte er. Dabei berücksichtige die Deutsche Bank auch, wie präsent wichtige Wettbewerber an den jeweiligen Standorten seien.

Auch die Integration der Postbank in die Deutsche Bank mache gute Fortschritte, berichtete von Rohr. So habe die Bank im vergangenen Jahr die beiden Bausparkassen-Töchter von Deutscher Bank und Postbank verschmolzen und das Liquiditätsmanagement verbessern können. Durch die Integration habe die Bank im Jahr 2019 rund 200 Millionen Euro an Synergien realisieren können.

Die Zeichen standen auf Entlastung

Die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat hatte sich abgezeichnet. Der amerikanische Stimmrechtsberater ISS unterstützte die Deutsche Bank in allen Tagesordnungspunkten, Deka und Union Investment hielten es ebenso. Nur Aktionärsberater Glass Lewis sprach sich im Vorfeld explizit gegen die Entlastung von Aufsichtsratschef Paul Achleitner sowie der ausgeschiedenen Vorstandsmitglieder Sylvie Matherat und Garth Ritchie aus.

Ein Grund für diese vergleichsweise beruhigende Ausgangslage für das Aktionärstreffen sind die Fortschritte, die die Bank in den vergangenen Monaten beim Umbau gemacht hat. Allerdings gibt es unter den Großaktionären unterschiedliche Meinungen darüber, ob das Glas halbvoll oder halbleer ist.

Aus Sicht von Fondsmanagerin Alexandra Annecke von Union Investment ist die Bank „für eine tiefe Rezession nicht gut gerüstet“. Sie könne sich nicht vorstellen, „wie die Deutsche Bank angesichts der wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronakrise ihre Ertrags- und Renditeziele erreichen will“. Ihr Fazit: „Der Umbau der Bank hätte viel früher kommen müssen, um die Profitabilität rechtzeitig durch Kostensenkungsmaßnahmen zu stärken. Jetzt ist die schwache Profitabilität die größte Achillesferse.“

Deka-Fondsmanager Andreas Thomae glaubt dagegen, dass die Bank „mit ihrem moderaten Kreditrisikoprofil und ihrer guten Diversifizierung gut durch die Krise kommen“ wird. Lob kommt auch von Filippo Alloatti vom Vermögensverwalter Federated Hermes: „In einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld macht der Umstrukturierungsplan der Deutschen Bank einige Fortschritte.“ Und: „Kapital und Liquidität sind komfortabel“, selbst wenn die Bank das harte Kernkapital-Ziel von 12,5 Prozent für das Jahr aufgegeben habe.

Umstrittene Personalie im Aufsichtsrat

Konfliktstoff bieten in diesem Jahr vor allem die Themen Aufsichtsrat und Aktienrückkäufe. So kritisieren mehrere Aktionärsvertreter den Tagesordnungspunkt, der der Bank den Kauf eigener Aktien erlaubt. Das Institut wollte sich genehmigen lassen, bis zu zehn Prozent der eigenen Anteilsscheine aufzukaufen. Ein solcher Vorratsbeschluss ist unter anderem nötig, um Mitarbeitern einen Teil ihrer Boni in Aktien auszuzahlen. „Die Bank hat diesen Rahmen in der Vergangenheit nur geringfügig ausgeschöpft“, betonte Finanzvorstand James von Moltke.

Er erläuterte, dass die Bank die Aktienrückkäufe in der Vergangenheit ausschließlich dazu genutzt habe, um Lieferverpflichtungen zu erfüllen, etwa zur Vergütung von Mitarbeitern in Aktien. Im vergangenen Jahr habe die Bank zu diesem Zweck nur 1,6 Prozent der ausstehenden Aktien erworben. Die Bank habe nicht vor, Aktienkäufe zu nutzen, um die Kapitalbasis zu verringern.

Die Fondsgesellschaften Deka und Union Investment sowie die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) haben angekündigt, dagegen zu stimmen. Union Investment lehnt „Aktienrückkaufprogramme grundsätzlich ab“, wie Fondsmanagerin Annecke mitteilte.


DSW-Vizepräsident Klaus Nieding begründet seinen Widerstand damit, dass die Bank in der aktuellen Situation Liquidität und Kapital zusammenhalten müsse. Daher sei im übertragenen Sinne unbedingt „das Pulver trocken zu halten“. Am Ende stimmte mit 96,5 Prozent aber doch eine große Mehrheit für diesen Tagsordnungspunkt.

Heiß diskutiert wurde im Vorfeld auch die Kandidatur von Deutsche-Börse-Chef Theo Weimer für den Aufsichtsrat der Bank. Nicht weil jemand Weimer für unqualifiziert gehalten hätte, sondern weil er für den Geschmack einiger Investoren zu viele Ämter auf sich vereint. Dennoch wurde er mit knapp 98 Prozent gewählt.

Aus dem Aufsichtsrat des Fußballklubs FC Bayern München ist Weimer bereits ausgeschieden, an seiner Wahl in den Aufsichtsrat von Knorr Bremse hält er aber fest. Und er lässt offen, ob er seinen Vorstandsjob bei der Deutschen Börse in zwei Jahren niederlegen könnte, um Achleitner an der Spitze des Aufsichtsrats zu beerben. Durch Achleitners offiziell angekündigten Verzicht auf eine weitere Amtszeit wird diese Personalie nun sehr wichtig. Um sein Stimmergebnis musste Weimer sich zu keinem Zeitpunkt sorgen, da auch die Kritiker seiner Ämterpolitik wie etwa Union Investment oder Deka im Vorfeld angekündigt hatten, ihn wählen zu wollen.

Auch wenn die Hauptversammlung der Deutschen Bank in diesem Jahr nur im Internet stattfindet, bleiben die traditionellen Protestaktionen nicht aus. Wegen des Kontaktverbots infolge der Corona-Pandemie fallen sie allerdings deutlich kleiner aus als in den vergangenen Jahren: Vor den Türmen der Bank in der Frankfurter City versammelten sich fünf Demonstranten von Attac, die von dem größten deutschen Geldhaus Aufklärung verlangen im Cum-Ex-Steuerskandal. Das Ordnungsamt hatte nicht mehr Personen erlaubt.


Die Bank machte weitere Details publik. Hier eine Übersicht:

  • Themenkomplex Cum-Ex-Geschäfte I: Die Deutsche Bank lässt im Rahmen des "Cum-Ex-Sachverhalts" aus den Jahren 2007 bis 2011 derzeit prüfen, ob sie von individuellen Vorstandsmitgliedern Schadenersatz verlangen kann. Diese Prüfung sei noch nicht abgeschlossen, so Aufsichtsratschef Achleitner. Möglich sind die denkbare Rückforderungen auf Basis von Claw-Back-Klauseln in den Vorstandsverträgen. Im vergangenen Sommer wurde bekannt, dass die Kölner Staatsanwälte gegen 80 Beschuldigte ermittelt, darunter mehrere Vorstände, die damals für die Bank arbeiteten oder früher einmal gearbeitet hatten. Zu den Betroffenen zählte unter anderem der damalige Investmentbanking-Vorstand Garth Ritchie.

  • Themenkomplex Cum-Ex-Geschäfte II: Die Hauptversammlung brachte auch ans Licht, dass Gutachten der Anwaltskanzlei Freshfields, das prüfen sollte ob sich die Bank im Steuerskandal um Cum-Ex-Geschäfte etwas zuschulden kommen ließ zum Teil von Ulf Johannemann stammte. Der Freshfields-Partner zählt zu den prominenten Figuren des Skandals und saß wegen seiner Rolle in der Cum-Ex-Affäre zeitweise in Untersuchungshaft. Die Bank habe die von Freshfields erstellten Gutachten noch einmal von einer anderen Kanzlei prüfen lassen, hieß es auf der Hauptversammlung. Deshalb gebe es keinen Anlass die Ergebnisse anzuzweifeln. Die Deutsche Bank hat nach eigenen Angaben nicht direkt von Cum-Ex-Geschäften profitiert, aber für Kunden gearbeitet, die solche Geschäfte betrieben.

  • Streitpunkt Gehälter: Dauerbrenner auf jeder Hauptversammlung: Hohe Boni und geringe Dividenden. In den Jahren 2012 bis 2019 zahlte die Bank insgesamt Boni in Höhe von 17,7 Milliarden Euro aus. An die Aktionäre flossen Dividenden in Höhe von 4,1 Milliarden Euro, berichtet Finanzvorstand James von Moltke. Die Bank hat außerdem aufgeschlüsselt, in welchen Bereichen die 583 Banker arbeiten, die im vergangenen Jahr mehr als eine Million Euro verdienten. 17 entfallen auf aktuelle und ehemalige Vorstände, 329 auf die Investmentbank, 47 auf die Privatbank. Bei der Fondstochter DWS gab es 62 Einkommensmillionäre und bei der Abwicklungseinheit 42, dazu kommen 63 Mitarbeiter im Bereich Infrastruktur.

  • Frauen in Führungspositionen: Derzeit sitzt im derzeit neunköpfigen Vorstand mit Amerika-Chefin Christiana Riley nur eine Frau. Das soll sich in den nächsten Jahren ändern. Der Aufsichtsrat des Instituts hatte bereits 2015 beschlossen, den Frauenanteil im Vorstand bis Juni 2022 auf 20 Prozent zu steigern, was etwa zwei Frauen im Führungsgremium entspricht. An diesem Ziel hält der Aufsichtsrat fest. Der Vorstand wiederum hat sich eigene Zielquoten für die drei Führungsebenen unterhalb des Vorstands gesetzt. Der Anteil von Frauen unter den Managing Directors, der Ende 2019 bei 18,9 Prozent lag, soll bis Ende 2021 auf 21 Prozent steigen. Der Anteil unter den Directors soll von 25,9 Prozent auf 28 Prozent steigen und unter den Vice-Presidents von 32,6 Prozent auf 35 Prozent.

  • Bafin-Sonderprüfung: Die Deutsche Bank hat Details zu einer Sonderprüfung der Bafin genannt, die auf Grundlage von §88 des Wertpapierhandelsgesetzes erfolgt. Dabei soll die Angemessenheit, Unabhängigkeit und Effektivität der Compliance-Funktion zu prüfen. Der besondere Schwerpunkt solle dabei auf der Angemessenheit des Budgets zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben sowie die Unabhängigkeit der Compliance-Funktion liegen. Die Bafin habe die Prüfung bislang nur in Aussicht gestellt und noch nicht durchgeführt, sagte Aufsichtsratschef Achleitner.

  • Schuldenmoratorien von Kunden: Bis Anfang Mai hat die Deutsche Bank von weltweit 120.000 Kunden, die wegen der Corona-Krise in Schwierigkeiten geraten sind, Anfragen für Kreditstundungen erhalten und den Großteil davon auch gewährt, sagte Vorstandschef Sewing. Der Großteil der Anfragen stammt mit rund 100.000 aus dem Privatkundengeschäft in Deutschland, Spanien und Italien.