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Deutlich aktiver, deutlich klimafreundlicher: Die EU denkt ihre Industriepolitik neu

Die EU-Kommission will neue Allianzen mit der Industrie ins Leben rufen – und so die heimischen Märkte stärken. Den Aufschlag soll die Wasserstoff-Branche machen.

Die EU-Kommission will künftig eine deutlich aktivere Industriepolitik verfolgen als in der Vergangenheit. Die Brüsseler Behörde kündigte am Dienstag an, gemeinsam mit Mitgliedstaaten und Unternehmen eine neue Wasserstoff-Allianz aufsetzen zu wollen. Ähnliche Initiativen könnten folgen, bei klimaschonenden Fertigungsprozessen etwa für Stahl, bei Rohstoffen oder Plattformen und Cloud-Speichern für die Industrie.

Unternehmen und Behörden sollen Hand in Hand arbeiten, um erforderliche Technologien, Investitionsbedarf und regulatorische Hürden zu identifizieren. Bereits diese Woche dürften sich Industrievertreter treffen, um eine mögliche Zusammenarbeit beim Wasserstoff zu diskutieren. Mit erneuerbaren Energien gewonnener „grüner“ Wasserstoff ist ein klimafreundlicher Energieträger, der etwa in der Luftfahrt oder im Straßenverkehr eingesetzt werden könnte. Die Kosten für seine Herstellung sind bislang aber unwirtschaftlich hoch.

Um die Entwicklung auf dem Gebiet voranzutreiben, setzt die Kommission auf ein Modell, das sie derzeit in zwei Sektoren erprobt: die Mikroelektronik und Batterien vor allem für Elektro‧autos. In der europäischen Batterieallianz hatten sich im vergangenen Jahr zwei Konsortien formiert, die die existierende Lithium-Ionen-Technik weiterentwickeln und später in die Massenfertigung von Batteriezellen einsteigen wollen.

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Etliche Regierungen in der EU leisten dabei Anschubhilfe, allein das erste Firmenbündnis soll bis zu 3,2 Milliarden Euro an Subventionen erhalten. Die Kommission hat die Beihilfen bereits als wichtiges Projekt von europäischem Interesse (IPCEI) genehmigt. Das Bündeln der Kräfte soll das Entstehen einer europäischen Batterieindustrie erst ermöglichen – bislang dominieren Hersteller aus Asien das Geschäft.

Entsprechend sollen die geplanten neuen Allianzen die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Industrie stärken und dieser zugleich helfen, den von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ausgerufenen Wandel zum digitalen und klimaschonenden Wirtschaften zu bewältigen. „Europas Industrie bringt alles mit, um führend zu sein, und wir werden alles tun, um sie dabei zu unterstützen“, sagte die CDU-Politikerin.

Die von ihr geführte Kommission hatte nach ihrem Amtsantritt im Dezember bereits Strategiepapiere zum Green Deal und zur Digitalpolitik vorgelegt. Am Dienstag konkretisierte die Behörde nun, welche Rolle die Industrie spielen soll. Neben der Industriestrategie legte Binnenmarktkommissar Thierry Breton auch ein Konzept zur Stärkung des Mittelstands vor und einen Aktionsplan, um die Hürden für Unternehmen im europäischen Binnenmarkt abzubauen.

Bedingungen für kleine Unternehmen sollen verbessert werden

Es ist beileibe nicht die erste Industriestrategie, die die Behörde vorlegt – die vorherige ist noch keine drei Jahre alt. Die Umsetzungserfolge waren überschaubar, nun versucht es die Kommission mit einem anderen Ansatz: mit „inklusiven Arbeitsmethoden“, wie es Vizepräsidentin Margrethe Vestager formulierte. Große und kleine Firmen, Forscher und nationale Regierungen werden enger eingebunden, etwa in einem neuen Industrieforum. Das Gremium soll der Kommission auch dabei helfen, industrielle „Ökosysteme“ zu identifizieren, die wie Batterien oder jetzt Wasserstoff einer umfassenden Förderung bedürfen.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) lobte den Ansatz der Kommission: Angesichts zunehmender Konkurrenz aus den USA und Asien müsse die Europäische Union „alle Kräfte bündeln, um Schlüsseltechnologien in Europa zu stärken“. Nur so könnten Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze langfristig gesichert werden.

Bislang gebe es zwar ehrgeizige Klimaziele auf dem Papier, sagte Thorsten Muschal, Präsident des Verbands der europäischen Autozulieferer (Clepa), „aber häufig noch kein Geschäftsmodell dafür“. Eine intelligente Industriepolitik müsse den Unternehmen daher Anreize geben, noch mehr in Forschung und Entwicklung zu investieren, und zugleich die nötige Infrastruktur etwa für klimafreundliche Kraftstoffe bereitstellen, sagte er dem Handelsblatt.

Joachim Lang, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie, hält die geplante Wasserstoff-Allianz für richtig: „Unsere Unternehmen brauchen eine groß angelegte EU-Strategie zum Import erneuerbarer Energieträger und ein paneuropäisches Forschungs- und Innovationsprojekt zum Aufbau von Wasserstoff-Infrastrukturen“, sagte er. Kerstin Andreae vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft lobte, es sei richtig, dass die Kommission auch den verstärkten Einsatz von Wasserstoff in der Industrie, etwa zur Dekarbonisierung der Stahlherstellung, in den Blick nehme.

Daneben will die Kommission die Bedingungen gerade für kleinere Unternehmen im europäischen Binnenmarkt verbessern. Über eine gemeinsame Taskforce will die Behörde die Mitgliedstaaten in die Pflicht nehmen, Hindernisse für grenzüberschreitende aktive Firmen auszuräumen. Zudem sollen die Firmen eine einzige Behörde als Ansprechpartner bekommen, an die sie sich wenden können. In einer Befragung hatten 70 Prozent der Unternehmen angegeben, dass der gemeinsame Markt nicht ausreichend integriert sei.

Die Interessen des Mittelstands sollen überdies durch einen hochrangigen Beauftragten innerhalb der EU-Kommission vertreten werden. Es sei „ein gutes Signal“, dass sämtliche Gesetzesvorschläge der Behörde auf ihre Verträglichkeit für kleine und mittelgroße Betriebe überprüft würden, sagte der CDU-Europaabgeordnete Markus Pieper.