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Delivery Hero wird vom Start-up zum Investor

Der Lieferkonzern gründet einen Investment-Arm für Gründer. Die Erfahrungen anderer Dax-Konzerne mit diesem Instrument waren nicht immer erfolgreich.

Der Autohersteller vermisste die Rendite seiner Experimente. Foto: dpa
Der Autohersteller vermisste die Rendite seiner Experimente. Foto: dpa

Es ist noch nicht lang her, dass Delivery Hero noch selbst ein Start-up war. Schließlich wird der Berliner Lieferdienst in diesem Frühjahr erst zehn Jahre alt, 2017 erfolgte der Börsengang. Doch als vorgezogenes Geburtstagsgeschenk leistet sich der jüngste Dax-Wert nun etwas, das in der oberen Börsenliga seit einigen Jahren im Trend liegt: einen eigenen Risikokapitalfonds. 50 Millionen Euro stellt Delivery Hero unter dem Namen DX Ventures dafür bereit.

Die Risikokapital-Arme sollen den Konzern-Schwergewichten den Anschluss an die Start-up-Welt sichern und ein modernes Image bringen. Doch zuletzt wurde öfter Kritik laut. Denn die Aufgabenbeschreibung ist oft schwammig.

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Einerseits erhoffen sich die Manager Einblicke in neue Arbeitsweisen und die Denkstrukturen der Gründerszene. Andererseits sollen die Fonds Trends und Zukunftstechnologien aufspüren, die das Kerngeschäft bereichern können. Die hohen Erwartungen erfüllen sich nicht immer, die Kosten sind hoch. Intern konkurrieren die Risikokapitalfonds zudem häufig mit eigenen Gründungen der Konzerne.

Auch Delivery Hero will mit seinem neuen Investment-Arm in Bereiche gehen, die dem Konzern als Ganzes nützen sollen. Beauftragt damit ist mit Duncan McIntyre ein Manager, der seit 2014 im Konzern über 20 Zukäufe sowie den Börsengang 2017 begleitet hat. Er bringt zum Start bei DX Ventures nicht nur bestehende Beteiligungen etwa am südamerikanischen Lieferkonzern Rappi unter, sondern auch kleinere Investments in neue Ideen.

Dazu gehört das Start-up Bio-Lutions. Die Hamburger stellen Einmal-Pappteller aus Pflanzenfasern her, die als Ernteabfälle anfallen. Die erste Fabrik eröffnete 2017 in Indien und nutzt Fasern von Zuckerrohr und Bananenpalmen. Derzeit entsteht im brandenburgischen Schwedt die erste große deutsche Produktionsstätte.

Für Delivery Hero könnte die Investition sehr nützlich sein: Mit umweltfreundlichen Verpackungen könnte der Konzern der Kritik am Verpackungsmüll durch Lieferessen entgegentreten, das bislang oft in Plastik und Aluminium verpackt wird.

Daimler löst Konflikt radikal

Auch andere Dax-Konzerne nutzen die Venture-Arme, um Erfahrungen in neuen Bereichen zu sammeln und eigenes Know-how beizusteuern. Der Konsumgüterkonzern Henkel etwa hat seine Mittel für den Bereich auf inzwischen 150 Millionen Euro hochgefahren. Damit investierte der Konzern vor zwei Jahren in zwei deutsche Onlineshops für Beautyprodukte: Purish und Youtiful. Deren Erfahrungen könnten der schwächelnden Kosmetik-Sparte Schwarzkopf helfen.

„Wir lernen von ihren Erfahrungen mit spezialisiertem E-Commerce und den aufkommenden sozialen Marketingmodellen. Im Gegenzug hilft Henkel beim internationalen Wachstum und identifiziert die besten Partner in unserem Netzwerk für ihr Wachstum“, erklärte damals Henkel-Manager Marius Swart.

Der Amerikaner gründete auch die Innovationseinheit Henkel X mit, die ebenfalls den Kontakt zur Start-up-Szene sucht – auch mit eigenen Gründungen. Zuvor investierte er im Auftrag von Coca-Cola in Start-ups.

Allerdings bringt eine solche Vielfalt der Instrumente und Zielsetzungen innerhalb der Konzerne Konflikte mit sich. Offensichtlich wurde das zuletzt beim Autohersteller Daimler. Erst 2017 hatte der Konzern seinen Innovationsbereich in „Lab 1886“ umgetauft – benannt nach dem Daimler-Gründungsjahr. Nach dem Muster des selbst gegründeten Carsharing-Dienstes Car2go und der Beteiligung am Flugtaxi-Entwickler Volocopter sollte Lab1886 viele weitere Start-ups hervorbringen.

Doch im Dezember folgte eine komplette Kehrtwende: Der neue Konzernchef Ola Källenius verkaufte weite Teile des Vorzeigeprojekts seines Vorgängers Dieter Zetsche. Die Mehrheit an den Projekten ging an den IT-Unternehmer Ulrich Dietz. Das Berliner Team wechselte größtenteils zur Beratung Deloitte.

Die Begründung des Konzerns: „Im Lab1886 sind Technologien, Geschäftsmodelle und Start-ups mit großem Potenzial entstanden. Unternehmenseigene Innovationsbereiche mit dem Fokus New Business stoßen allerdings spätestens in der Phase der Kommerzialisierung häufig an die Grenzen der Umsetzung.“ So gilt vor allem Car2go, das in Share Now aufgegangen ist, als notorischer Verlustbringer.

Allerdings will Daimler weiter direkt in Start-ups investieren: Die Einheit techinvest@daimler hält die bestehenden Beteiligungen etwa an Volocopter oder dem Limousinendienst Blacklane und soll auch bei weiteren Gründungen einsteigen.

Trotzdem zeigt sich: Konzerne tun sich schwer damit, die selbst aufgebauten Start-ups in die eigenen Konzernziele zu integrieren – besonders wenn es darum geht, schnell auf die gewünschten Gewinnmargen zu kommen. In einigen Fällen bedeutet das sogar das frühzeitige Aus für Start-up-Ideen – besonders, wenn diese mit den Projekten von etablierten Konzernteilen kollidieren.

Ein anderer Weg ist für Konzerne daher, indirekt in Start-ups zu investieren – also über bestehende, eigenständige Risikokapitalgeber. Das vermeidet Zielkonflikte, belegt weniger Managementkapazität im Konzern selbst, reduziert das Risiko und bringt auch Zugang zu solchen ambitionierten Gründern, die sich nicht früh bereits an einen Konzern binden wollen.

Investment über Umwege

Früh dabei war in Deutschland etwa die Otto-Gruppe, die 2012 den Berliner Frühphaseninvestor Project A mitgegründet hat. Auch beim ähnlich aufgestellten Investor Eventures gehörte Otto zu den ersten deutschen Geldgebern. Die Investitionen gelten in der Hamburger Gruppe als Erfolg: Die Einblicke in die Start-up-Welt hätten wesentlich zum Kulturwandel vom Katalogversender zum digitalen Marktplatz-Unternehmen beigetragen.

Dank der Erfahrungen könne die Gruppe inzwischen eigenständig neue erfolgreiche Digitalprojekte aufsetzen. Zudem lohnt sich das Engagement finanziell: 2019 verkaufte Otto einen Teil seines Eventures-Pakets an einen spezialisierten US-Investor. 133 Millionen Euro trug das damals zum Jahresgewinn bei.

Sogar Konzerne mit eigenem Fonds setzen so auf externe Investmentexpertise. Henkel Ventures etwa hat gut 5,5 Millionen Euro in einen Fonds des Investors Circularity Capital gesteckt, der sich auf Start-ups aus dem Bereich Kreislaufwirtschaft spezialisiert. Das soll zum Konzernziel beitragen, bis 2025 alle Verpackungen wiederverwertbar zu machen.

Inzwischen haben sich einige Risikokapitalfonds bewusst auf das Geschäft mit den Konzernen spezialisiert: Paua Ventures aus Berlin arbeitet etwa sowohl mit dem Geld des Versicherungskonzerns Axa als auch mit Mitteln des Maschinenbauers Klöckner. Die Berliner versprechen den Konzernen nicht nur Wertsteigerung, sondern auch Zugang zum hauptstädtischen Gründergeist.

„Natürlich wollen wir eine Rendite, aber das ist bei uns nicht der Treiber. Es geht um die Zusammenarbeit mit der Start-up-Szene“, sagte Klöckner-Chef Gisbert Rühl kürzlich dem Handelsblatt.