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„Dann steht es 7:1 gegen Andreas Scheuer“

Kaum ein Politiker musste 2020 so viel Kritik einstecken wie Verkehrsminister Andreas Scheuer. War das berechtigt? Ja, sagt FDP-Verkehrspolitiker Oliver Luksic – und zieht jetzt sogar vors Verfassungsgericht.

Oliver Luksic, 41, ist FDP-Chef im Saarland und verkehrspolitischer Sprecher der FDP im Bundestag. Dort arbeitet er in einem Untersuchungsausschuss auch an Aufklärung des Maut-Debakels mit. Foto: dpa
Oliver Luksic, 41, ist FDP-Chef im Saarland und verkehrspolitischer Sprecher der FDP im Bundestag. Dort arbeitet er in einem Untersuchungsausschuss auch an Aufklärung des Maut-Debakels mit. Foto: dpa

WirtschaftsWoche: Herr Luksic, Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat sich in diesem Jahr wieder viel Kritik und Rücktrittsforderungen anhören dürfen – auch von Ihnen. Warum ist er eigentlich noch im Amt?
Oliver Luksic: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat im Parlament gesagt, Andreas Scheuer mache gute Arbeit. Ich vermute, Sie wollte und will einfach um jeden Preis keine Kabinettsumbildung. Und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder war aller Wahrscheinlichkeit nach in die Vorgänge rund um die gescheiterte Pkw-Maut eingebunden. Und um die geht es bei der Kritik ja vor allem. Die Verträge mit den Unternehmen, die die Maut betreiben sollten, wurden im Herbst der bayerischen Landtagswahl 2018 verhandelt und beschlossen. Scheuer hat wohl nicht alleine im luftleeren Raum gehandelt, da gab es sicherlich auch Druck aus München.

Was hat der Untersuchungsausschuss des Bundestags zur Maut denn bisher herausgefunden?
Unser Verdacht hat sich erhärtet, dass Scheuer und sein Ministerium das Vergabe- und das Haushaltsrecht gebrochen haben. In den vergangenen Wochen haben wir auch neue Erkenntnisse erhalten, wie der Tag im Verkehrsministerium ablief, als der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Maut in ihrer geplanten Ausgestaltung für europarechtswidrig erklärt hat. Das muss ein großes Chaos gewesen sein. Es gibt nur sehr wenige Experten im Ministerium, die die Mautverträge wirklich verstanden hatten. Und ausgerechnet die waren im Urlaub oder nicht greifbar.

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Und dann?
Scheuer hat sofort externe Berater ins Haus geholt und gefragt, wie hoch der Schaden sei. Die haben das Ministerium aber in kleiner Runde wohl mehrfach gewarnt, dass sie das so schnell gar nicht genau beziffern könnten. In kurzer Zeit änderte sich dreimal die Schadenssumme. Es war beim Zeitpunkt der Kündigung völlig unklar, wie viel eine Kündigung der Maut-Verträge mit den Betreiberfirmen den Bund und somit alle Steuerzahler kosten würde. Scheuer hat trotzdem gekündigt. Er hat den Vertrag weder bei der Unterzeichnung noch bei der Kündigung verstanden.

War das klug?
Die Kündigung war völlig überhastet und ein schwerer Fehler. Ein paar Wochen später hat Scheuer selbst noch die Idee eines Kündigungsmoratoriums ins Spiel gebracht und darüber nachgedacht, das Projekt in eine Art Öko-Maut umzuwandeln. Die Unterstützung der Grünen wäre ihm dafür sicher gewesen. Einen Untersuchungsausschuss hätte es dann nie gegeben.

Stattdessen steht jetzt sogar der Vorwurf im Raum, Minister Scheuer habe das Parlament belogen. Worum geht es da?
Schon letztes Jahr habe ich Herrn Scheuer im Bundestag gefragt, ob ihm die Betreiberfirmen der Maut angeboten hatten, mit der Vertragsunterzeichnung bis zum EuGH-Urteil zu warten. Er hat damals nach langem Hin und Her gesagt, ein solches Angebot habe es nie gegeben. Jetzt haben wir aber sechs Zeugen gehört, die glaubhaft aussagen, dass es anders war. Dass es dieses Angebot sehr wohl gab. Und ein siebter Zeuge kommt erst noch. Dann steht es 7:1 gegen Herrn Scheuer. Das ist wie Deutschland gegen Brasilien bei der WM 2014. Für mich klingt das ziemlich eindeutig.

Verkehrsminister Scheuer sieht das anders. Er hat hingegen Sie öffentlich der Lüge bezichtigt.
Da sind ihm wohl nach einer sehr langen Befragung bis morgens um fünf Uhr die Sicherungen durchgebrannt. Ich denke, das hat er inzwischen bereut, weil es auch noch mehr Aufmerksamkeit auf seine Fehler gelenkt hat. Er ärgert sich vermutlich am meisten darüber.

Wenn Sie jetzt Weihnachten innehalten und selbstkritisch zurückschauen: Haben Sie das Gefühl, dass die Kritik an Scheuer aus der Opposition manchmal zu hart oder sogar persönlich wurde?
Ich habe ihn nie auf der persönlichen Ebene angegriffen, sondern habe ihn bei anderen Themen sogar durchaus auch mal gelobt. Aber bei der Maut bleibe ich in der Sache hart. Das ist leider mehr als berechtigt. Es geht um schwere Fehler und einen Schaden von mehr als 500 Millionen Euro, der den Steuerzahlern droht. Die Bürger erwarten, dass man da hartnäckig ist.

Und deshalb ziehen Sie jetzt auch noch vor das Bundesverfassungsgericht?
Ja. Es geht mir um die Auskunftsrechte des Parlaments, die das Verkehrsministerium meiner Ansicht nach missachtet. Konkret bezieht sich das auf Fragen zum laufenden Schiedsverfahren, in dem die Regierung mit den Betreiberfirmen über den Schadensersatz streitet. Das Verfahren läuft maximal intransparent. Dabei will ich gar kein Geheimwissen aus den Verhandlungen, sondern habe zwei einfache Anliegen: Es gibt ein unabhängiges Gutachten darüber, wie hoch der Streitwert ist. Das hätte ich gerne. Außerdem würde ich gerne wissen, wann es zu einer Einigung kommen könnte. Das steht in einem sogenannten Verfahrenskalender. Ich habe nämlich den Verdacht, dass Scheuer auf Zeit spielt, und so auch zusätzliche Kosten für die Steuerzahler verursacht.

Um mal vom Maut-Desaster wegzukommen: Wie bewerten Sie denn Scheuers Rolle als oberster Logistikketten-Manager in der Coronakrise? Wie er das gemeistert?
Gut, aber bei der Aufrechterhaltung der Lieferketten war sicher auch viel Inszenierung dabei. Richtig kritikwürdig sind aber vor allem die verkorkste Autobahnreform und die anhaltenden Probleme bei der Deutschen Bahn. Aber es war auch nicht alles schlecht: Für die Zukunft des autonomen Fahrens in Deutschland haben Scheuer und sein Verkehrsministerium gerade einen inhaltlich spannenden und guten Impuls gesetzt.

Und was wird das große verkehrspolitische Thema im Superwahljahr 2021?
Ich glaube, es bleibt die größte Aufgabe, den Verkehr mit Blick auf den Klimaschutz nachhaltig umzubauen. Aber dabei muss Mobilität eben für alle bezahlbar bleiben. Meine große Sorge ist jedoch, dass die einseitige Fixierung auf batterieelektrischen Fahrzeuge wirtschafts- und industriepolitisch für ganz große Probleme sorgen wird. Darüber müssen wir diskutieren. Da kommt so ein Wahlkampf gerade richtig.

Mehr zum Thema: Das Maut-Debakel schadet längst nicht nur Verkehrsminister Andreas Scheuer selbst – sondern auch Deutschlands Ansehen als verlässlicher Vertragspartner für Unternehmen.