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„Danke, Müllmann!“ War das jetzt schon Korruption?

Zum Jahresabschluss wollen viele den Männern bei der Müllabfuhr danken. Aber bei Trinkgeld droht sogar Knast! Weil man sich damit Vorteile erkaufen könnte. Ist das nicht etwas übertrieben? Oder unser aller Rettung?

Wie machen Sie das generell mit dem Trinkgeld? Also in Restaurants und Bars ja klar, oder? Der freiwillige Obolus bei der Frau an der Toilette: Nö, weil das müssen die ja eh abliefern und dürfen es nicht behalten. Beim DHL-Boten wird es schon schwieriger: Kann man mal machen, aber Vielbesteller werden sich denken: Das muss nicht zweimal am Tag sein. Die Rewe-Boten mit den Wasser-, Bier- und Saft-Kästen kriegen von mir aber immer was.

Dann wiederum gibt es Dienstleister, die machen unser Leben schöner, fliegen aber komischerweise unter dem Trinkgeld-Radar. Haben Sie dem U-Bahn-Fahrer schon mal einen Zehner reingereicht? Oder Ihrem ICE-Lokführer eine Schachtel Pralinen? Ich nicht. Aber die Vorstellung gefällt mir. Würde ich gerne mal machen.

Gerade jetzt zum Jahresende wollen sich viele von uns bei denen bedanken, die wie Heinzelmännchen die Fleißaufgaben erledigen, ohne dass wir ihnen je begegnen: bei den Briefträgerinnen und Briefträgern und den Jungs und Mädels von der Müllabfuhr. Gerade die haben einen anstrengenden Allwetterjacken-Job unter Zeitdruck. Wir machen den Briefkasten auf, uns fällt das Papier entgegen und wir merken von all der Plackerei bis dahin nichts. Wir stopfen unsere Mülltonnen dieser Tage wieder voll mit Geschenkkartons und -papieren und müssen nur abwarten. Irgendwann wird der ganze Mist abgeholt.

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Das mit dem Bedanken ist aber auch in der Weihnachtszeit nicht so einfach. Nicht, dass wir am Ende ins Gefängnis wandern. Nur weil wir es gut gemeint haben. Denn es klingt zwar in diesem Zusammenhang absurd, aber: „Gut gemeint“ ist oft der Türöffner zur Korruption. Und Korruption zerfrisst Gesellschaften wie Krebs. Wenn Sie irgendwo in der Welt ein Polizist anhält und sagt: „Sie haben da gerade ein Stopp-Schild missachtet. Das kostet Sie jetzt richtig viel.“
„Wie viel denn?“
„Was haben Sie denn bar da?“
„50 Dollar.“
„Normalerweise kostet es 300 Dollar. Aber ich habe eine Idee: Sie geben mir die 50 Dollar und wir machen kein großes Ding draus. Ich helfe dir, du hilfst mir.“
Wer kann dazu schon nein sagen?

Ich helfe dir, du hilfst mir. Dieser weltweit kursierende Korruptionsleitspruch ist der, der den Behörden bei uns Angst macht. Denn er klingt so schön fair. Hand in Hand halten wir zusammen. Und umgehen dabei ganz elegant die anderen – den Staat. Wenn das einreißt, bricht der zusammen. Deshalb gibt es extra Straftatbestände in unserem StGB, wie den hier: den § 332. Wegen dem ist Bestechlichkeit strafbar, denn im ersten Absatz steht:

„Ein (…) für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er eine Diensthandlung vorgenommen hat oder künftig vornehme und dadurch seine Dienstpflichten verletzt hat oder verletzen würde, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. (…) Der Versuch ist strafbar.“

Aber der Dienstleister im öffentlichen Dienst muss dabei noch nicht einmal seine Dienstpflichten verletzen. Dafür sorgt § 331 direkt vor der Bestechlichkeitsregelung. Der 331er heißt „Vorteilsnahme“. Um sich dem gemäß strafbar zu machen, reicht es schon, wenn der Dienstleister im öffentlichen Dienst einen Vorteil für die legale Dienstausübung fordert, sich versprechen lässt oder annimmt.

Sie merken: ganz dünnes Eis. Und das auch für uns Spender. Denn nicht nur der, der etwas annimmt, kriegt sein Fett weg, auch der, der was rüber wachsen lässt: § 334 (Bestechung) und § 333 (Vorteilsgewährung).

Und Müllabfuhr ist öffentlicher Dienst. Deutsche Bahn und Deutsche Post mit DHL gehören zumindest in Teilen dem Staat (Bahn 100 Prozent, Post 20,6 Prozent) und beschäftigen noch Beamte. Einige private Unternehmen sind dann wiederum im Auftrag von Behörden unterwegs. Also es ist alles ein Kuddelmuddel bei Müllabfuhr, Bus und Bahn und Postdienstleistungen. Im Zweifel heißt es da Vorsicht. Und um auch nur den Hauch eines Geschmäckles auszuschließen, haben in Deutschland Bundesländer, Kommunen und viele Firmen selber für besagte Dienstleistungsbranchen ein undurchschaubares Dickicht an Regelungen definiert. Mal sind zehn Euro Trinkgeld okay, dann 20, dann 25. Mal geht als Gutschein mehr (warum auch immer), mal als Sachspende. Mal dürfen die Männer von der Müllabfuhr gar nichts annehmen. Mal nur bis Silvester.

Ein generelles deutschlandweites Verbot gibt es nicht. Kein Wunder. Denn man kann sich zu Recht fragen: Was soll denn bitte die Dienstleistung sein, die erbracht wird, gerade weil dafür ein paar Kröten geflossen sind? Soll der Briefträger dafür umso mehr Post bringen? Nimmt der Müllmann mehr Müll mit? In der Regel wird das nicht so sein!

Aber in der Tat: Das ist die Befürchtung. Die großen Kartons, die nicht mehr in die Tonne passen, gehen dann vielleicht doch noch mit. Wäre das so schlimm? Nein. Aber es wäre ein Anfang. Geben und nehmen. Ich helfe dir – du hilfst mir. Der ICE-Lokführer wird dank der Pralinen vielleicht nicht die Verspätung aufholen, aber der Stadtbahnfahrer vielleicht künftig an der Wendeschleife die entscheidende eine Minute länger auf den einen großzügigen Fahrgast warten. Wie gesagt: Das ist die Befürchtung. Weil es theoretisch vorstellbar ist.

Es ist gut, dass wir in Deutschland hier aus Prinzip so pingelig sind, wenn Amtsträger im Spiel sind. Denn was geht, wenn private Vertragspartner zusammenglucken, merken wir beim Thema Schwarzarbeit der schwarzen Schafe im Handwerk. Oder in der Gastronomie, wenn der Kellner ein paar Runden aufs Haus gehen lässt (merkt ja keiner) und sich dafür über ein hohes Trinkgeld freut. Total nett! Ein geiler Abend. Aber wäre das Restaurant der Staat, wäre das für uns alle ein Desaster.

Googlen wir also, was in unserer Kommune für die Müllwerker an Sach- und Geldspenden erlaubt ist: ein kleiner Gutschein, die Flasche Wein oder ein paar Euro. Und freuen wir uns, dass es auch ohne Extra-Geld unter der Hand in Deutschland so gut läuft.

Danke, liebe Briefträger, Lokführer und Müllwerker!