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Daimler plant neue Autoklasse – Mix aus SUV und Limousine

Der Autokonzern will mit einer neuen Fahrzeugklasse das siechende Segment der Limousinen neu beleben. Das erste SUL-Modell steht bereits fest.

Der Daimler-Chef setzt künftig verstärkt auf Luxusautos. Foto: dpa
Der Daimler-Chef setzt künftig verstärkt auf Luxusautos. Foto: dpa

Vor gut einem Monat machte Daimler-Entwicklungsvorstand Markus Schäfer nebulöse Andeutungen. Die Not zum Sparen sei in der Autoindustrie groß, sagte Schäfer. Deshalb müsse selbst eine Premiummarke wie Mercedes viel Personal und Komplexität reduzieren und das Modellportfolio zurechtstutzen. Andererseits brauche es Innovationen – bis hin zu gänzlich neuen Fahrzeugformen. „Auch da ist die Welt nach dem SUV noch nicht zu Ende“, erklärte der Entwicklungsvorstand vieldeutig.

Nun wird klar, was der 55-Jährige konkret meint: Wie das Handelsblatt aus Konzernkreisen erfuhr, will der Manager die beiden bekanntesten Karosserieformen der Welt kreuzen – SUV und Limousine.

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Dabei herauskommen soll die Sport Utility Limousine, kurz SUL. Im Vergleich zu einer klassischen Limousine ist ein SUL höher, breiter und bietet mehr Stauraum. Zum SUV grenzt sich der Mischling durch eine eher flache Dachlinie samt Stufenheck ab.

Mit der kombinierten Aufbauform will Mercedes das in vielen Märkten rückläufige Segment der Mittel- und Oberklasse, das von Limousinen geprägt ist, neu beleben. Das erste SUL-Modell steht bereits fest – es soll Mitte der Dekade die A-Klasse-Limousine ersetzen und sowohl rein elektrisch als auch als Verbrenner angeboten werden. Weitere SULs, etwa abgeleitet von der E-Klasse, könnten danach folgen. „Zwei oder drei Fahrzeuge dürften es am Ende schon werden“, glaubt ein Insider.

Mit den neuen Baureihen einher geht eine merkliche Straffung des klassischen Portfolios. Die Vielfalt bei den Kompaktwagen schrumpft von acht auf fünf Fabrikate. Neben A-Klasse-Limousine werden auch B-Klasse und CLA Shootingbrake allmählich ausrollen, also keinen Nachfolger erhalten, wie es in Konzernkreisen heißt. Auf der künftigen modularen Frontantriebsplattform MMA baut Mercedes demnach nur noch: A-Klasse, CLA Coupé, GLA, GLB und ein kompaktes SUL.

Ein Daimler-Sprecher lehnte einen Kommentar zu den Plänen ab und verwies auf ein virtuelles Event, das Mercedes am Dienstag abhält. Dabei wollen Daimler-Chef Ola Källenius, Finanzvorstand Harald Wilhelm und Entwicklungschef Schäfer ab 13 Uhr Investoren und Analysten in einem „Strategy Update“ ihre künftigen Pläne im Autogeschäft erläutern.

Die Idee hinter den SULs ist simpel. Heute kämen sich viele Fahrer eines Sedans, wie Limousinen im internationalen Fachjargon heißen, im Heer der SUVs wie Underdogs vor, konstatiert ein Daimler-Manager: „Alle gucken auf einen runter.“ Mit einem SUL gewinne man dagegen wieder etwas an Augenhöhe, ohne sich gleich vorwerfen lassen zu müssen, einen Stadtpanzer zu fahren.

2018 wurde schon ein showcar präsentiert

Als Designvorlage für die geplante SUL-Offensive dient Daimler ein zwei Jahre altes Showcar. Auf der Pekinger Automesse im Jahr 2018 präsentierten die Schwaben den „Vision Mercedes-Maybach Ultimate Luxury“. Designchef Gorden Wagener schwärmte damals von einem komplett neuen „Archetyp“ – einer Fahrzeugklasse, wie sie die Welt noch nie zuvor gesehen habe. Die Stärken von SUV und Limousine würden beim SUL in bestmöglicher Form kombiniert: „Erhabene Sitzposition“ treffe auf „athletisches Erscheinungsbild“.

Das Auto war schon damals mehr als nur ein klassisches Konzeptauto. „Die Nachfrage in Asien nach solch einem Modell war enorm, wir waren nahe dran an der Realisierung“, erinnert sich eine Führungskraft aus dem Vertrieb.

Letztlich scheiterte die schnelle Serienproduktion eines SUL aber an den langen Entwicklungszyklen in der Autoindustrie. „Das Timing war unglücklich“, sagt der Manager. Zudem soll Designchef Wagener anfänglich kein allzu großer Fan der Karosseriekreuzung gewesen sein. „Er musste lange mit der Idee schwanger gehen“, heißt es in Konzernkreisen.

Mittlerweile ist aber auch Wagener von dem Konzept überzeugt. Zumal die Mercedes-Ingenieure die Weiterentwicklung der Limousine zum SUL auch vor dem Hintergrund der Elektromobilität für geradezu folgerichtig halten.

Der Grund: Früher wurden Autos vorwiegend von vorn nach hinten konzipiert, weil im Frontbereich der Motor untergebracht ist. Im Stromzeitalter werden die Fahrzeuge aber verstärkt von unten nach oben gebaut, da die Batteriepacks im Unterboden der Karosserie verschraubt sind. Die Folge: E-Autos sind tendenziell um einige Zentimeter höher als Verbrenner.

„Wir sind mit den elektrischen Antrieben bei Limousinen so oder so schon auf halbem Weg zum SUL“, resümiert ein Entwickler. Die erste Sport Utility Limousine wird frühestens 2024 in Serie gehen. Es soll ein „pfundiges“ Auto werden mit einem kräftigen Unterkörper und breiten Rädern, aber aufgrund des niedrigeren Dachs noch an eine klassische Limousine erinnern.

Gingen die Designer beim Maybach-Showcar im Jahr 2018 noch bis an die Grenze des guten Geschmacks – das Auto war 5,3 Meter lang, 2,1 Meter breit und fast 1,8 Meter hoch –, wird das kompakte Serien-SUL wohl weniger opulente Außenmaße haben. Das Mercedes-Modell könnte ein bisschen so anmuten wie der Polestar 2, ein Elektroableger von Volvo, verlautet aus Konzernkreisen.

Die SUL-Offensive fügt sich nahtlos in die Gesamtstrategie von Daimler-Chef Ola Källenius ein, der künftig verstärkt auf Luxusautos setzt. Denn der Preis der aufgebockten Limousinen wird voraussichtlich merklich über jenem der etablierten Sedans liegen. Anders als sein Vorgänger Dieter Zetsche lehnt Källenius eine weitere Expansion bei kleineren Fahrzeugen ab. Das Mantra des Schweden lautet vielmehr: Marge vor Menge.

Daimler will sich auf „Weltautos“ konzentrieren

Um Absatzschwankungen in einzelnen Regionen besser ausgleichen zu können, will sich Mercedes zudem „voll auf Weltautos konzentrieren“, wie Entwicklungschef Schäfer jüngst erklärte. Die logische Konsequenz: Das Angebot an sogenannten Dream Cars wird beispielsweise eingedampft. Bot Daimler bis vor Kurzem noch sowohl bei C- und E-Klasse als auch bei der S-Klasse eigene Cabrio- und Coupé-Varianten an, wird es künftig abgeleitet von den Edellimousinen nur noch ein Cabrio und ein Coupé geben. Zweisitzer funktionieren in China, dem wichtigsten Automarkt der Welt, einfach nicht.

Die einzige Ausnahme von der neuen Weltauto-Regel bilden die Kombis. Zwar erhält der CLA Shootingbrake keinen Nachfolger, aber C-Klasse und E-Klasse wird es auch künftig in der verlängerten Variante geben. Zu beliebt sind die Modelle in Europa – gerade bei Geschäftskunden. Das C-Klasse-T-Modell erhält sogar noch einen All-Terrain-Ableger. Schließlich verkaufe sich der Offroad-Kombi bei der E-Klasse bereits äußerst zufriedenstellend, verlautet aus Konzernkreisen.

Der Kernmarkt für das kompakte SUL wird künftig China sein. Dort soll das Modell auf jeden Fall auch produziert werden. Als zweiter Fertigungsstandort böte sich das Gemeinschaftswerk mit Nissan im mexikanischen Aguascalientes an. Doch die Fabrik bereitet Daimler seit der Ankündigung im Jahr 2015, das Werk zu errichten, Probleme. Diesen Sommer kündigte der Konzern sogar an, die Produktion der A-Klasse-Limousine aus dem Werk wieder abzuziehen und nur noch den GLB in Mexiko zu bauen.

Am Ende werde selbst eine Schließung der Fabrik in Aguascalientes auf Raten diskutiert oder der Verkauf an den Partner Nissan, heißt es in Konzernkreisen. Die Folge: Daimler könnte die SULs in ein paar Jahren auch in Deutschland, etwa in Rastatt oder in Ungarn vom Band laufen lassen. Noch hält sich der Konzern aber alle Szenarien offen. Klar ist zugleich: Daimler muss die Kosten weiter senken und Kapazitäten anpassen.

Im ersten Halbjahr stand ein Verlust von 1,7 Milliarden Euro in den Büchern. Der Autoabsatz brach um mehr als ein Fünftel ein, der Umsatz ging folglich um 18 Prozent auf 67 Milliarden Euro zurück. Daimler schärfte sein Sparprogramm Move infolge der Coronakrise nach.. Entwicklungschef Schäfer will nun an die üppigen Materialkosten ran. „Jede Teilenummer hat auch einen Kostenblock“, betonte er zuletzt.

Die Truppe um Schäfer plant daher eine noch stärker übergreifende Modulstrategie zwischen den einzelnen Baureihen. Motoren, Batterien, Leistungselektronik – alles soll so weit als möglich vereinheitlicht werden. Die derzeit im Einsatz befindlichen drei großen Plattformen MFA (Frontantrieb), MRA (Heckantrieb) und MHA (SUV) sollen zumindest langfristig auf zwei Architekturen verschlankt werden, wie es in Konzernkreisen heißt.

Auf einer kürzeren Architektur würden dann Kompaktwagen, kleinere SUVs und die C-Klasse gefertigt, auf einer größeren Architektur E- und S-Klasse sowie die schweren Stadtgeländewagen. Und überall gilt das Credo: „Electric first“. Alle künftigen Plattformen werden zuallererst für Stromer konzipiert, Diesel- und Benziner werden zwar noch angeboten, stehen aber nicht mehr im Zentrum.

Die Erwartungshaltung an das „Strategy Update“ von Daimler am Dienstag ist groß. „Der Konzern muss eine klare Portfolio- und Elektrostrategie präsentieren und darlegen, wie sich Ergebnis und Free Cashflow deutlich steigern lassen“, betont Arndt Ellinghorst.

Der Bernstein-Analyst sieht bei Daimler noch „deutlich mehr Potenzial“, wenn der Konzern seine Kosten in den Griff bekommt. Der Aktienkurs der Schwaben hat sich seit dem Jahrestief im März auf fast 48 Euro pro Papier mehr als verdoppelt. Ob es weiter rauf oder wieder runter geht, hängt auch davon ab, wie das neue Fahrzeugportfolio und die SUL-Offensive ankommen.