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Vorbild Apple: Daimler setzt auf digitale Sonderausstattung

Die Stuttgarter sehen großes Potenzial im Geschäft mit nachträglich buchbaren Extras. Wie die Kalifornier wollen sie mit digitalen Services wachsen.

Daimler-Chef Ola Källenius sortiert rigoros aus: Geschäfte, die absehbar keinen Gewinn abwerfen, lässt der gebürtige Schwede angesichts des Spardrucks bei dem Autobauer entweder ganz einstellen oder stutzt sie zurecht. So zieht der Mercedes-Hersteller etwa beim Carsharing mangels echter Perspektiven in Nordamerika zum 29. Februar die Reißleine. Der Hype ums autonome Fahren wird einem Realitätscheck unterzogen und die Produktion von unrentablen Modellen wie dem Pick-up X-Klasse eingestellt.

Parallel zu solch harten Schnitten versucht das Team von Källenius aber auch, erfolgversprechende Aktivitäten kräftig auszubauen. Insbesondere mit digitalen Zusatzdiensten wollen die Schwaben künftig Kasse machen. „Wir sehen in den nächsten fünf Jahren viel Potenzial für das Geschäft mit Features, die sich hinzubuchen lassen“, sagt Marc-Oliver Nandy. Der Manager verantwortet bei Mercedes die Digitalisierung des Vertriebs und will auf den Wunsch vieler Kunden eingehen, bestimmte Funktionen nur individuell nach Nutzung zu bezahlen.

So können beispielsweise Fahrer der neuesten A-Klasse Sonderausstattungen wie Digitalradio, Navi oder Smartphone-Integration auch nachträglich noch erwerben. „Dann ist die Entscheidungshürde auch viel niedriger“, erklärt Nandy. „Das ist natürlich auch für den Zweit- und Drittbesitzer eines Fahrzeugs interessant und eröffnet uns Chancen, zusätzliches Geschäft zu generieren.“

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Drahtlose Updates

Der Fantasie scheinen dabei kaum Grenzen gesetzt. Ähnlich wie Konkurrent Tesla könnte beispielsweise bald auch Mercedes seinen Kunden „Motor Updates“ für eine schnellere Beschleunigung anbieten oder dynamisches Licht temporär für eine Nachtfahrt freischalten.

Möglich werden derlei Services durch sogenannte Over-the-Air-Softwareupdates. Durch die drahtlosen Updates entfällt der Werkstattbesuch. Nandy nennt sie einen „technischen Enabler“, dank dem Mercedes seinen Kunden schon heute gezielt Features für eine bestimmte Dauer freischalten oder aufspielen kann.

Mit dem Wandel von Autos zu Smartphones auf vier Rädern entstehen für die Fahrzeugindustrie völlig neue Geschäftsoptionen. Die Unternehmensberatung Q-Perior schätzt, dass bis 2030 mehr als 20 Prozent des weltweiten Umsatzes der Autoindustrie auf sogenannte On-Demand-Funktionen entfallen könnten, also digital buchbare Extras auf Zeit. Daimler will von dieser Entwicklung profitieren und nimmt sich dabei den Tech-Konzern Apple zum Vorbild.

„Wir versuchen ähnlich wie Apple, unsere Hardware mit Softwarediensten zu verknüpfen“, sagt Nandy. Der Konzern aus dem kalifornischen Cupertino galt lange als „One Trick Pony“, also als Unternehmen, dessen Wohl und Wehe von einem einzigen Produkt abhängt: dem iPhone.

Doch zwischen 2015 und 2019 hat Apple den Anteil seines Umsatzes mit Hardware (iPhone, iMac, iPad) bei steigenden Erlösen von rund 87 Prozent auf weniger als 73 Prozent reduziert. Im Gegenzug hat sich der Anteil des Umsatzes mit Servicegeschäften auf rund 18 Prozent mehr als verdoppelt.

Der Clou dabei: Die digitalen Dienste von Apple, zu denen der App Store, Apple Music oder das neue Streamingangebot zählen, versprechen Traumrenditen. Die Handelsspanne von Apple im Servicegeschäft fällt mit 64 Prozent doppelt so hoch aus wie jene mit Hardwareprodukten. Daimler scheint nun eine ähnliche Wandlung im Sinn zu haben und versucht, zusätzliche Erlösquellen zum alles dominierenden Fahrzeugverkauf zu finden.

Experten prophezeien bereits eine massive Veränderung der Wertschöpfung in der gesamten Autoindustrie. „Wir erleben gerade einen radikalen Shift: Während die Komplexität der Fahrzeuge bei der Hardware drastisch sinken wird, steigt sie bei der Software an“, erklärt Fabian Brandt, Autoexperte bei Oliver Wyman. „Für die Autobauer ist dieser Schwenk sehr reizvoll. Sofern sie die dahinterliegenden IT-Prozesse im Griff haben, lassen sich erhebliche Kostensenkungen erzielen“, konstatiert Brandt.

So könnten etwa Leasingrückläufer, die heute auf der Bilanz vieler Fahrzeughersteller lasten, künftig funktional viel leichter überholt, mit der neuesten Software ausgerichtet und zu vergleichsweise geringen Abschlägen wiederverkauft werden. Darüber hinaus wären Daimler, BMW und Co. gerade bei On-Demand-Funktionen in der Lage, ihre Stärken voll auszuspielen. „Da wird viel kommen“, glaubt Brandt. Denn so könnten die Autobauer ihre Umsatzströme verstetigen, ohne das Kerngeschäft Autoverkauf zu kannibalisieren.

„Heute kommt die Interaktion zwischen Hersteller, Händler und Kunde nach dem Kauf des Autos fast zum Erliegen“, sagt Brandt. Über nachträglich buchbare Features stünden die Autobauer dagegen dauerhaft mit ihren Kunden in Kontakt.

Daimler setzt bei diesem Austausch auf ein Ökosystem rund um die 2014 gestartete App Mercedes Me. Ging es anfänglich vor allem darum, das Fahrzeug mitsamt Kraftstoffstand, Reifendruck oder anstehenden Serviceterminen auch digital abzubilden, ist die Plattform mittlerweile das zentrale Scharnier zwischen Online- und Offlinewelt.

Mehr als vier Millionen aktive Nutzer in 50 Märkten zählt Mercedes bereits in seinem Ökosystem. Im Schnitt aktivieren gut 90 Prozent aller Käufer eines Mercedes-Wagens die App, in besonders digital affinen Märkten wie China liegt die Aktivierungsrate sogar bei 97 Prozent.

Die erste Generation der App hat allerdings nicht alle Kunden überzeugt. Im App-Store von Apple erhielt die App etwa nur eine Drei-Sterne-Bewertung. Zu wenig für den Spitzenanspruch der Stuttgarter.

Von Tür zu Tür

Ein Update der App wird gerade reihum in den einzelnen Märkten durchgeführt. Mercedes-Manager Nandy hofft, damit einen „großen Schritt“ nach vorn machen zu können, und will peu à peu neue Dienste ausrollen. In China hat sein Team etwa einen sogenannten Door-to-Door-Service entwickelt. „Statt das Auto selbst in die Werkstatt zu bringen, können unsere Kunden ihren Wagen abholen und nach erfolgter Reparatur wieder zurückbringen lassen“, erklärt Nandy.

Gebucht werde der Service per App, das Auto sei extra versichert. Die Kosten lägen umgerechnet bei vier bis acht Euro, manche Händler böten den Dienst aber auch kostenfrei an, um attraktiver zu werden.

In Asien, wo die Arbeitszeiten oft lang und die Urlaube kurz sind, kommt die Zeitersparnis, die mit dem Service einhergeht, offenbar ganz ordentlich an: Mehr als 10.000- mal werde der Abholdienst pro Monat gebucht. In Märkten wie Deutschland sei die Bereitschaft, für derlei Angebote zu bezahlen, aber deutlich weniger ausgeprägt, räumt Nandy ein.

Noch weist Daimler sein datenbasiertes Servicegeschäft zwar in der Bilanz nicht gesondert aus, aber Nandy versichert: „Wir verdienen mittlerweile Geld mit digitalen Diensten und rechnen hier mit hohen Wachstumsraten.“ Treffe Mercedes den Nerv der Kunden und biete die richtigen Dienste an, dann habe der Autobauer „enormes Potenzial zu wachsen“, glaubt Nandy.

Intern wird die Euphorie nicht von allen Daimler-Managern geteilt. „Da kann man schon etwas verdienen“, sagt eine langjährige Führungskraft – fügt aber hinzu: „Bisher haben wir aber Schwierigkeiten, es technisch hinzubekommen.“ Vom Ziel, mithilfe von Softwareupdates wie beim Smartphone alle Neuerungen auf die gesamte Flotte zu übertragen, sei man noch ein Stück weit entfernt.

Heute würden sich noch zu viele Fahrzeug-Generationen überlappen und hätten dadurch unterschiedliche Telematiksysteme an Bord. Bis Mitte des Jahrzehnts hofft Mercedes aber, von der luxuriösen S-Klasse bis zur kompakten A-Klasse seine Wagen stetig mit drahtlosen Updates auf den neuesten Stand bringen zu können.