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Daimler und MAN werden vom Elektro-Boom in der Busindustrie überrollt

Die Worte des Daimler-Chefs Dieter Zetsche dürften für Vorstände kommunaler Verkehrsunternehmen wie Hohn klingen: „Mehr Elektroautos sind gut für die CO2-Bilanz. Aber nicht so gut für unsere Konzernbilanz“, scherzte Zetsche vor seinen Aktionären im vergangenen Jahr. Die Städte als Eigentümer der Kommunalbetriebe dagegen wollen ihre Busflotten so schnell wie es geht von Diesel auf Elektro umrüsten.

Doch die etablierte Busindustrie bremst. Sowohl Daimler als auch MAN gehören zu den Letzten, die mit fahrtüchtigen Elektrobussen auf den Markt kommen.

Stattdessen dominieren bislang ausländische Busbauer wie Solaris aus Polen, BYD aus China, Start-ups und Quereinsteiger den Markt. 97 Elektro-Stadtbusse sind derzeit bundesweit im Einsatz, viele tragen weitgehend unbekannte Namen wie Columbus, Ebusco oder Sileo. Diese Unternehmen treiben die Elektrifizierung der Busflotten an. Daimler, MAN und andere versuchen aufzuholen.

Kommunale Verkehrsbetriebe, die schon früh Elektrobusse auf die Teststrecke schickten, hatten auch gar keine Wahl. Als Bremen beispielsweise 2013 die ersten Fahrzeuge verschiedener Hersteller testete, waren die Manager überrascht, dass nur BYD die für den Stadtverkehr interessante Reichweite von 270 Kilometern mit einer Batterieladung schaffte.

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„In Europa gab es das nicht, die Chinesen aber konnten das“, berichtet Projektleiter Yusuf Demirkaya von der Bremer Straßenbahn AG. Erst die Chinesen hätten bewiesen, dass „es geht“.

Trotzdem wird Build Your Dreams (BYD) nicht die Träume kommunaler Verkehrsmanager in Deutschland erfüllen. Denn „asiatische Hersteller entsprechen nicht dem europäischen Qualitätsstandard“, heißt es beim Branchenverband VDV. Und die kommunalen Kunden fürchten hinter vorgehaltener Hand, dass der Service nicht funktioniert.

Die Produktion von Elektrobussen läuft in Ländern wie China und Polen längst auf Hochtouren, allerdings nicht bei den großen deutschen Herstellern. BYD gab eben erst den Verkauf des 50 000. Elektrobusses nach Spanien bekannt. Solaris hat nach eigenen Angaben bereits 200 Elektrobusse an 38 Städte in geliefert, weitere 200 Fahrzeuge stehen im Auftragsbuch.

Daimler dagegen hat gerade erst mit der Auslieferung der ersten Fahrzeuge begonnen. MAN sagt, man wolle im Jahr 2020 mit der Serienproduktion beginnen.

Dabei ist der Umstieg auf E-Busse ein Milliardengeschäft. Zumal es in diesem Jahr erst so richtig losgeht. Die Zeit des Ausprobierens und Herumexperimentierens ist vorbei. Laut VDV haben deutsche Kommunalbetriebe derzeit weitere 90 Elektrobusse fest bestellt, für 630 liegen sogenannte Förderbescheide des Bundes vor. Das allein entspricht schon einem Investitionsvolumen von etwa 360 Millionen Euro.

Die Fahrzeuge müssten zügig anrollen, denn staatliche Förderung hat ein Verfallsdatum. Die Verkehrsunternehmen stellen sich aber folgende Frage: Können die Hersteller überhaupt liefern?

Vermutlich nicht – jedenfalls nicht so schnell. In einigen Städten ist der Druck besonders hoch. Hamburgs Hochbahn und die Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein (VHH) müssten den Vorgaben des Senats zufolge jährlich 130 emissionsfreie Fahrzeuge anschaffen.

In Berlin soll die Verkehrsgesellschaft BVG laut Beschluss des rot-rot-grünen Senats bis 2030 die gesamte Busflotte von 1450 Fahrzeugen so umstellen, dass sie emissionsfrei wird. Pro Jahr bräuchte die BVG bis zu 190 Fahrzeuge, weil die Umrüstung nur langsam anlaufen kann. „Wie ein Marathon auf den Himalaja“ nimmt Torsten Mareck, Buschef der BVG, die Sache sportlich. Fürs Erste sollen jetzt 90 Batteriebusse bestellt werden.

Doch nicht nur Großstädte wie Berlin stehen vor dem Problem, politische Vorgaben umzusetzen. Ob Osnabrück, Göttingen oder Mannheim – die Debatte um Dieselfahrverbote hat überall mächtig Druck zur Umrüstung der Dieselbus-Flotten aufgebaut. Aus gutem Grund: Sind doch in deutschen Städten etwa 35.000 Dieselbusse unterwegs, die in Verbotszonen genauso wenig einfahren dürfen wie Personenwagen.

Mit den Subventionen steigen die Preise für Elektrobusse

VDV-Verbandspräsident Ingo Wortmann (siehe Interview) sagt, dass der Umstieg auf emissionsfreie Antriebe wie E-Busse so schnell gar nicht zu bewältigen sei. Wortmann ist überzeugt, dass nur die Anschaffung neuer Dieselbusse mit Euro-6-Motoren kurzfristig die Verkehrs- und Umweltprobleme in den Städten lösen wird. Das sei „eine probate Lösung, um jetzt sehr schnell zu reagieren. Unsere Fahrzeuge sind einfach voll. Dieselbusse sind die schnelle Lösung.“ Doch der Diesel ist in Verruf gekommen, egal, wie sauber er sein mag.

Um die enormen Umrüstungsinvestitionen zu stemmen, haben Bund, Länder und Gemeinden inzwischen zahlreiche Fördertöpfe aufgemacht. Allein den vier Bundesministerien Forschung, Umwelt, Verkehr und Wirtschaft stehen im laufenden Haushaltsjahr 382 Millionen Euro zur Verfügung, in den darauffolgenden Jahren belaufen sich die Verpflichtungsermächtigungen auf jeweils bis zu 391 Millionen Euro. Die ersten Vergaberunden sind längst abgeschlossen, die Fördertöpfe leer. Es gab 200 mehr Anträge als bewilligt werden konnten.

Allerdings beobachten die Verkehrsbetriebe folgendes Phänomen: Seit massive staatliche Subventionierung in Sicht ist, gehen die Preise für Elektrobusse durch die Decke. Laut Bremer Straßenbahn AG kostete ein Standard-E-Bus mit zwölf Meter Länge im Jahr 2015 etwa 480.000 Euro, inzwischen sind es 570.000 Euro. Ein gleichwertiger Dieselbus kostet maximal 250.000 Euro, also nicht einmal die Hälfte davon.

„Die Nachfrage ist deutlich höher, als die Industrie liefern könnte“, stellt Toralf Müller fest, Geschäftsführer der VHH. „Das treibt die Preise.“ Zusammen mit der Hochbahn sollen allein für die Hansestadt 100 Busse in der ersten Orderrunde bestellt werden.

An dem Lieferproblem werden auch die Newcomer im E-Bus-Geschäft wenig ändern. Ihre Kapazitäten sind zu klein, als dass sie den Nachfrageboom auffangen könnten. Dabei zeichnen sich diese Firmen durch unkonventionelle Lösungen aus, die ein wenig an die des Tesla-Gründers Elon Musk erinnern.

Beispiel Ebusco: Die niederländische Firma wurde 2010 von Peter Bijvelds gegründet – ein typisches Start-up. Weitere Gesellschafter sind die ING-Bank und die Hotelgruppe van der Valk. Die Fahrzeuge werden in den Niederlanden entwickelt und gestaltet, ein großer Teil der Ausrüstung wird in Europa eingekauft – die Achsen etwa bei ZF. Zusammengebaut wird der Bus dann von der australischen Firma Bus and Coach International BCI in deren chinesischem Werk Xiamen.

BCI fertigt dort ausschließlich Fahrzeuge für den internationalen Markt. Was für den Auftraggeber Ebusco nicht ganz unwichtig ist, denn das Image chinesischer Billigproduktion soll den E-Bussen aus den Niederlanden nicht anhängen. Die junge Firma denkt aber schon weiter. Das nächste Ebusco-Projekt ist ein Leichtbaubus aus Karbon. Dahinter steht das Vorhaben, das Gewicht und den Energiebedarf der Busse massiv zu senken.

Die meisten Hersteller rüsten Standardbusse allerdings nur um: Dieselmotor und Tank raus, Elektroantrieb und Batterien rein. „Bislang gibt’s fast nur elektrifizierte Dieselbusse“, lästert ein Betriebsleiter. Da müsse sich die Industrie noch etwas einfallen lassen.

Ein anderer E-Bus-Pionier ist schon etwas länger im Automotive-Geschäft. Der türkische Unternehmer Murat Bosankaya fertigte eigentlich Karosserien für die etablierte Fahrzeugindustrie. Gegründet vor 30 Jahren als Forschungs- und Entwicklungsfirma in Salzgitter ist Bosankaya inzwischen in die Türkei expandiert und beschäftigt dort 1000 Mitarbeiter. Entwickelt werden dort Busse, Trambahnen und inzwischen auch U-Bahnen. Mit dem Beginn der eigenständigen Elektrobusherstellung war die neue Marke Sileo geboren.

Gespannt warten die Städte nicht nur auf das Eintreffen der Förderbescheide und die Anlieferung der bestellten Busse. Gespannt sind sie auch, wie sich ihre E-Busse künftig anhören werden. Denn ab 1. Juli müssen alle laut EU-Richtlinie einen Geräuschgenerator haben, um im dichten Innenstadtverkehr keine Fußgänger zu erschrecken. Ob es dann piept, klingelt oder brummt – noch ist der E-Bus-Sound nicht festgelegt.