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Källenius bricht Konglomerat auf: Aus Daimler wird wieder Mercedes-Benz, Truck-Sparte geht an die Börse

Die Abspaltung der Lkw-Sparte soll neue Kräfte bei Daimler freisetzen. Anleger werten den Schritt als Befreiungsschlag für den Autobauer.

Die Truck-Sparte wird eigenständig an die Börse gebracht. Foto: dpa
Die Truck-Sparte wird eigenständig an die Börse gebracht. Foto: dpa

Für Daimler-Chef Ola Källenius ist es ein „historischer Moment“. Er will das Stuttgarter Konglomerat aufbrechen und in zwei unabhängige Unternehmen überführen – Mercedes-Benz für Autos und Vans, Daimler Truck für Lastwagen und Busse. Die Finanz- und Mobilitätsdienstleistungen, die derzeit noch in einer eigenen Sparte gebündelt sind, sollen auf die beiden verbleibenden Gesellschaften verteilt werden.

Im Zuge dieses Plans will Källenius die Truck-Einheit in Form eines Spin-offs bis Ende des Jahres an die Börse in Frankfurt bringen. Am Mittwoch stimmte der Aufsichtsrat den Überlegungen zu. Konkret sollen die bestehenden Daimler-Aktionäre einen Mehrheitsanteil an der Truckgesellschaft übertragen bekommen.

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Damit zeichnet sich einer der größten Börsengänge im Jahr 2021 ab. Analysten bewerten das Geschäft des weltgrößten Herstellers von Nutzfahrzeugen über sechs Tonnen mit bis 34 Milliarden Euro.

Daimler strebt mit seiner Lkw-Einheit in den Leitindex Dax, wo der Konzern seit Jahren bereits fest etabliert ist. Ziel des Umbaus ist eine effizientere Struktur und eine bessere Wahrnehmung am Kapitalmarkt.

„Wir glauben an die finanzielle und operative Stärke unserer beiden industriellen Geschäftsfelder“, sagt Källenius. „Und wir sind überzeugt: Mit einem unabhängigen Management und mit unabhängiger Governance-Struktur werden beide Einheiten künftig noch schneller agieren, ehrgeiziger investieren sowie Wachstum und Kooperationen gezielter vorantreiben können – das alles macht sie deutlich stärker und wettbewerbsfähiger“, verspricht der Daimler-Chef.

Die endgültige Entscheidung über die Aufspaltung sollen die Aktionäre von Daimler bei einer außerordentlichen Hauptversammlung im dritten Quartal fällen. Der Konzern kann aber mit einer deutlichen Zustimmung rechnen.

Die Aktie von Daimler legte am Mittwoch zwischenzeitlich um mehr als acht Prozent zu. Seit Jahren mäkeln Investoren über die unklare Struktur bei Daimler, mit einer Daimler-Aktie kaufte man stets einen Auto- und Lastwagenhersteller.

Daimler hat den Schritt seit Wochen vorbereitet. Bereits kurz vor Weihnachten hatte das Handelsblatt über entsprechende Pläne von Källenius berichtet. Der Skandinavier wurde im Mai 2019 zum Nachfolger von Dieter Zetsche berufen und soll nach dem Willen des Aufsichtsrats schaffen, woran sein langjähriger Mentor Zetsche scheiterte: Den Börsenwert von Daimler nachhaltig zu erhöhen.

„Bei Daimler weht ein neuer Geist“

Hintergrund ist, dass der Stuttgarter Autobauer im Gegensatz zu BMW (Familie Quandt) und Volkswagen (Porsche- und Piëch-Clan) keinen schützenden Ankeraktionär hat. Um die Unabhängigkeit von Daimler zu sichern und eine mögliche Machtübernahme etwa von chinesischen Investoren zu verhindern, muss Daimler aus Sicht von Konzernführung und Kontrollrat seine Marktkapitalisierung von aktuell gut 66 Milliarden Euro merklich erhöhen. Den größten Hebel dabei verspricht ein Börsengang von Trucks.

Zuletzt konnten Daimler-Chef Källenius und Finanzvorstand Harald Wilhelm die Anleger bereits mit einem Gewinnsprung positiv überraschen. Die Stuttgarter sind erstaunlich gut durch die Coronakrise gekommen und konnten das Betriebsergebnis im vergangenen Jahr laut vorläufigen Geschäftszahlen von 4,3 auf 6,6 Milliarden Euro steigern.

„Bei Daimler weht ein neuer Geist. Die Ära Zetsche wurde beendet. Unter der Führung von Ola Källenius und Harald Wilhelm wird der Konzern endlich effizienter“, sagte Michael Muders dem Handelsblatt. Der Fondsmanager von Union Investment erwartet, dass diese neue Kostenkultur nun auch im Truckbereich immer stärker verankert wird. Die Division gilt seit Jahren als Sanierungsfall.

„Bisher konnte die Truck-Sparte ihre schlechte Performance im Gesamtkonzern verstecken. Durch einen IPO der Sparte wird eine ganz neue Dynamik entstehen“, glaubt Muders. Künftig würden sich die Leistungen von Lastwagenchef Martin Daum und seinem Management direkt am Aktienkurs ablesen lassen. „Das hat eine disziplinierende Wirkung“, konstatiert Muders.

Das Timing für ein Listing bewertet der Kapitalmarktexperte als günstig. „Die Bedingungen für einen Börsengang im dritten oder vierten Quartal 2021 sind gut“, erklärte Muders. Die Nachfrage nach Lastwagen ziehe nach dem zyklischen Abschwung im vergangenen Jahr wieder merklich an.

Ab dem zweiten Halbjahr 2021 sei in wichtigen Märkten zudem dank steigender Impfzahlen mit einer gewissen Corona-Immunität zu rechnen, was für zusätzliches Wachstum sorge. „Daimler muss jetzt die Gunst der Stunde nutzen, um den richtigen Zeitpunkt für einen IPO nicht zu verpassen und eine attraktive Bewertung zu erzielen“, fordert Muders.

Zwischen Trucks und Autos gibt es kaum Synergien

Investoren wie Union Investment drängen Daimler seit Jahren dazu, das Geschäft mit Lastwagen und Bussen vom dominanten Autogeschäft unter der Kernmarke Mercedes zu trennen. Der Grund: Zwischen den Einheiten lassen sich kaum Synergieeffekte erzielen, zu unterschiedlich ist das Geschäft.

Während es beim Vertrieb von Autos durchaus emotional zugeht und eher weiche Faktoren wie Design und das Statusversprechen einer Marke für viele Kunden zentrale Kaufanreize darstellen, zählt bei der Auswahl von Nutzfahrzeugen allen voran der Preis.

„Keiner kauft einen Lastwagen, weil er will, sondern weil er muss“, betont Daimler-Truckvorstand Martin Daum. Logistiker müssen mit ihren Lastwagen schließlich so günstig wie möglich Waren von A nach B transportieren können. Dabei sind die Gesamtbetriebskosten entscheidend.

Mit einem Jahresumsatz von bis zu 45 Milliarden Euro hat Daimler Trucks eigentlich eine Größe, die dem weltgrößten Hersteller von Nutzfahrzeugen einen Vorteil im Vergleich zu Wettbewerbern verschafft. Allerdings hat es Daimler in den vergangenen Jahren aufgrund hoher interner Kosten und strategischer Fehler immer wieder versäumt, seine Skaleneffekte in verbesserte Margen umzumünzen. Das Ziel, eine Umsatzrendite von mehr als acht Prozent zu erzielen, hat Trucks in der vergangenen Dekade kein einziges Mal erreicht.

Der geplante Teilbörsengang des Lkw-Geschäfts birgt für Daimler daher auch ein gewisses Risiko. Die Hoffnung in Stuttgart ist aber, dass Anleger das Aufbrechen des bestehenden Konglomerats goutieren und zwei an der Börse notierte Daimler-Gesellschaften in Summe besser bewerten als eine Gesellschaft.

Strukturell ist ein Listing von Trucks schon länger möglich. Schließlich fungiert die Daimler AG seit November 2019 nur noch als Dachgesellschaft von drei rechtlich selbstständigen Einheiten (Auto, Trucks, Finanzdienste). Der Konzernumbau hat mehr als 700 Millionen Euro gekostet. Diese Investition soll sich nun bezahlt machen.

Daimler Trucks lebt vor allem von seinem US-Geschäft

Operativ umsetzen soll den Sprung aufs Parkett der 61-jährige Lastwagenchef Martin Daum. Der Vertrag des Managers, der 2022 ausgelaufen wäre, wird dafür um zumindest drei Jahre verlängert. Daum leitet seit 2017 die Truckeinheit, gilt intern wie extern aber als durchaus umstritten.

Zu Daum gab es allerdings kaum eine Alternative. Einzig Frank Lindenberg, der Ex-Finanzchef der Pkw-Sparte und im Herzen ein alter Trucker, hätte sich den Job als Lkw-Chef ebenfalls zugetraut. Konzernchef Källenius gab letztlich aber Daum den Vorzug, heißt es in Konzernkreisen. Einer der Gründe: Daum hat sich schon einmal als cleverer Sanierer bewährt.

Tatsächlich hat der gelernte Bankkaufmann aus Karlsruhe einst die beiden US-Nutzfahrzeugtöchter Freightliner und Western Star gedreht. Unter seiner Führung von 2009 bis 2016 stieg Freightliner sogar zur profitabelsten Lastwagenmarke der Welt auf. Das Gros der Gewinne von Daimler Trucks kommt seither aus Übersee.

Auch jüngst konnte Daum durchaus Erfolge vermelden. Bei der Entwicklung von Brennstoffzellen-Lastwagen kooperiert er mit dem Rivalen Volvo Trucks und beim autonomen Fahren paktiert er mit der Google-Schwester Waymo.

Die Verwerfungen infolge der Coronakrise konnte Daimler Trucks zuletzt deutlich abmildern und einen Betriebsgewinn von 525 Millionen Euro erzielen. Das entspricht einer Umsatzrendite von rund zwei Prozent. Zum Vergleich: Im ersten Halbjahr wies Daimler Trucks noch einen Verlust von einer halben Milliarde Euro aus. Insbesondere das Geschäft mit Reisebussen ist im vergangenen Jahr fast vollständig zum Erliegen gekommen.

„Bei Daimler Trucks profitieren wir von der zunehmenden Erholung des US-Markts, und in unserem europäischen Geschäft sehen wir die positiven Auswirkungen der neuen Effizienzmaßnahmen“, kommentierte Daimler-Chef Källenius jüngst die Lkw-Ergebnisse.

Dennoch liegt gerade bei Daimler Trucks noch vieles im Argen. Insbesondere das Geschäft in Europa und Brasilien wirft kaum Gewinne ab oder ist mitunter sogar defizitär. Die Lücken im Vertriebsnetz versucht seit Anfang der Woche Karin Radström zu schließen. Daum hat die gebürtige Schwedin vom Rivalen Scania abgeworben. Radström verantwortet nun das „Problemkind“ von Daimler Trucks, also die Kernmarke Mercedes-Benz Lkw.

Radström gilt als erfahrene Vertriebsexpertin, sie muss sich aber zugleich als Saniererin in Stuttgart bewähren. Daimler will allein in seinen deutschen Lkw-Werken in Wörth, Mannheim, Kassel und Gaggenau in den kommenden Jahren Tausende Stellen abbauen. Hintergrund ist die Antriebswende – weg von Dieselmotoren hin zu Elektroaggregaten –, die auch das Lkw-Geschäft immer stärker erfasst. Konkret will Daimler seine Truck-Flotte bis Ende 2039 klimaneutral stellen.