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Daimler und BMW sprechen über Verkauf ihres Mitfahrdienstes an Uber

Die Autobauer sehen ihre verlustbringenden Mobilitätsdienste zunehmend kritisch. Nun steht ein Exit beim Herzstück der Your Now Holding im Raum.

Die damaligen Vorstandsvorsitzenden von BMW und Daimler wollten einen weltweit führenden „Gamechanger“ im Wachstumsmarkt für urbane Mobilität schaffen. Foto: dpa
Die damaligen Vorstandsvorsitzenden von BMW und Daimler wollten einen weltweit führenden „Gamechanger“ im Wachstumsmarkt für urbane Mobilität schaffen. Foto: dpa

Tabus gibt es in der Autoindustrie nicht mehr. Spätestens seit der Coronakrise steht bei Konzernen wie Daimler oder BMW alles auf dem Prüfstand: Werke, Jobs, Modelle, Partner und Investitionen. Insbesondere Geschäfte, die absehbar keine Gewinne abwerfen, geraten zunehmend ins Visier des Managements.

Einen besonders schweren Stand haben intern die gemeinschaftlichen Mobilitätsdienste unter dem Dach der Your Now Holding. Daimler-Chef Ola Källenius ließ daran im Sommer keinen Zweifel: „Wir haben hier gemeinsam mit BMW bereits viel investiert. Perspektivisch müssen die Cashflows aber auch dort positiv werden, sonst werden wir reagieren.“ Der Ankündigung könnten bald Taten folgen.

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Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg am Dienstag berichtete, erwägen Daimler und BMW, das Herzstück ihrer Mobilitätsdienste, das sogenannte Ridehailing-Geschäft unter der Marke Free Now, an den Konkurrenten Uber zu verkaufen.

Offiziell kommentieren die Unternehmen den Vorgang nicht. Derzeit laufen aber entsprechende Gespräche, heißt es in Branchenkreisen. Ob die deutschen Hersteller die gemeinsame Firma komplett abgeben wollen oder nur einen Teil, ist offen.

Für Uber liegen die Vorteile auf der Hand: Der US-Fahrdienstvermittler könnte seinen Marktanteil in Europa und Lateinamerika kräftig ausbauen. Umgekehrt wären Daimler und BMW einen millionenschweren Verlustbringer los.

Kommt es so, würden sich Daimler-Chef Källenius und BMW-Boss Oliver Zipse endgültig von der Vision ihrer beiden Vorgänger verabschieden, aus den traditionellen Autobauern allmählich flexible Mobilitätsdienstleister zu formen. Ein Rückblick: Im Februar 2019 kündigten die damaligen Vorstandsvorsitzenden Dieter Zetsche und Harald Krüger an, einen weltweit führenden „Gamechanger“ im Wachstumsmarkt für urbane Mobilität schaffen zu wollen.

Eine Milliarde Euro haben die Firmen investiert und fünf Joint Ventures in den Bereichen Carsharing, Mitfahrdienste, Parken, E-Ladestationen und Apps zur Reiseplanung gegründet. Damals hieß es: „The sky is the limit“ – nur der Himmel gebe die Grenzen dieser Partnerschaft vor. Schon ein paar Monate später war die Euphorie verflogen, die ersten Topmanager sprangen ab.

Vielerorts entpuppten sich die Wachstumsziele als zu ambitioniert. Eine Folge: Ende 2019 zogen sich Daimler und BMW aus dem Carsharing in Nordamerika zurück. Die einstmals eigenständigen Säulen wurden zu drei Einheiten zusammengefasst.

Aktuell wird das Portfolio weiter zurechtgestutzt. Das Geschäftskundenbusiness mit Kommunen und Verkehrsverbünden der Reiseplanungs-App Moovel soll etwa an eine Tochter der Deutschen Bahn verkauft werden.

BMW und Daimler sind die Verluste leid

Der Unmut über die Einheiten wird beim Blick auf die Zahlen verständlich. Allein 2019 brachte das Your-Now-Geschäft Daimler ein anteiliges Minus von 818 Millionen Euro ein, im ersten Halbjahr 2020 waren es rund 250 Millionen. Daimler und BMW gelangten in den vergangenen Monaten zunehmend zu der Erkenntnis: Wenn sich überhaupt ein Geschäftszweig schnell skalieren lässt, dann jener der Mitfahrdienste.

In China, wo Anbieter wie Didi Chuxing dominieren, und Nordamerika, wo Uber und Lyft stark vertreten sind, schien der Zug bereits abgefahren. Aber in Europa hatten Daimler und BMW mit einstigen Marken wie Mytaxi eine führende Position und wollten einen Champion kreieren. „Das ist die Wette, die aufgehen könnte“, konstatierten noch vor wenigen Monaten hochrangige Manager in Stuttgart wie München.

Dass Daimler und BMW aber den Aufbau nicht allein bewältigen können, zeigte sich beim Start des Joint Ventures im Frühjahr vergangenen Jahres. Die Free-Gruppe sei offen für neue Partner, erklärten BMW und Daimler. Die Suche nach Mitstreitern verlief indes mau. Wunschpartner Volkswagen zeigte kein Interesse.

Dabei sind die Wolfsburger grundsätzlich interessiert an dem Segment: Derzeit verhandelt VW über eine Beteiligung am Autovermieter Sixt. „Für uns könnte das eine Chance sein, unsere Position bei neuen Mobilitätsformen auszubauen“, hieß es in Konzernkreisen.

Laut Branchenkreisen setzen die Free-Now-Eigentümer nicht allein auf Uber, sondern reden auch mit anderen Interessenten. Ein Komplettverkauf an Uber wäre indes überraschend, ist Free Now doch dabei, zur Mobilitätsplattform zu reifen. Der erste Schritt erfolgte vor zwei Jahren, neben dem angestammten Taxigeschäft auch Mietwagenfahrten anzubieten, also das Geschäft von Uber zu kopieren. Dafür arbeitet Free Now mit Mietwagenunternehmern zusammen, die teils auch für Uber fahren.

Das Ziel sind Bündelangebote

Free-Now-Chef Eckart Diepenhorst will seine App jedoch noch weiter ausbauen. Sie soll als Mobilitätsplattform für die Nutzer zentrale Anlaufstelle für alle Arten geteilter Mobilität werden. In den vergangenen Wochen kamen mehrere Anbieter auf die Plattform: In vielen Städten sind inzwischen Roller des schwedischen Anbieters Voi buchbar.

Daneben hat Free Now am Firmensitz in Hamburg eine eigene Rollerflotte unter der Marke „Hive“ gestartet. Seit Kurzem ist in Hamburg und München das E-Bike-Sharing-System Bond aus der Schweiz dabei. Buchbar sind auch Autos des Carsharing-Anbieters Miles – jedoch nicht die Schwestermarke Share Now.

Diepenhorst will weitere Anbieter überzeugen, auf die Plattform zu kommen – bis hin zum öffentlichen Nahverkehr. Sein Ziel sind Bündelangebote: Free Now könnte seinen Nutzern Abo-Pakete verkaufen, bei denen sie Inklusivminuten für mehrere Mobilitätsarten zugleich erwerben. Free Now soll dabei im Wesentlichen eine Plattform ohne eigene Fahrzeuge bleiben, von einzelnen Experimenten zur Markterkundung wie den Hive-Rollern abgesehen.

Für die selbstständigen Partner wie Voi ist das zweischneidig: Einerseits bekommen sie neue Nutzer für ihre Angebote. Andererseits verlieren sie die direkte Kundenbeziehung an Free Now. Das erschwert Diepenhorst die Partnersuche für die Plattform. Besonders attraktiv ist sie für Newcomer wie Bond und Miles, die ihre Bekanntheit erhöhen wollen.

Diepenhorst muss daraus eine Koalition zusammenstellen, die für die Nutzer attraktiv ist. Dabei konkurriert er nicht nur mit Uber, sondern auch mit Bündelangeboten der subventionierten Verkehrsverbünde wie Jelbi in Berlin und Switch in Hamburg.

Die bisherigen Wachstumsambitionen für Free Now zeigen sich auch in neuen Büros: Mitten in der Coronakrise zieht der Anbieter derzeit innerhalb Hamburgs um – einige Hundert Meter am Elbufer westwärts. Die neuen Büros mit viel Glas bieten einen noch besseren Blick auf den Fluss, vor allem aber mehr Platz. Das Team soll wachsen – womöglich aber unter der Aufsicht eines neuen Eigentümers.