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Was sich Curevac-Chef Haas und Bayer-Pharmavorstand Oelrich von ihrer Impfstoff-Allianz versprechen

Die neue Pharma-Allianz will die Produktion für ihren Impfstoff ausbauen – und hofft schon zum Ende dieses Quartals auf eine Zulassung.

Angesichts der weiter hohen Infektionszahlen versuchen Politik und Pharmahersteller intensiv, die Markteinführung und Produktion von neuen Covid-Impfstoffen zu forcieren. Auch die Tübinger Biotechfirma Curevac, an der sich der Bund mit 17 Prozent beteiligt hat, sucht nach Möglichkeiten, die Produktion über die bisher geplante Herstellung von 300 Millionen Dosen hinaus im laufenden Jahr auszubauen.

„Wenn wir weitere Kapazitäten finden, dann werden wir das nutzen“, sagte Curevac-Chef Franz-Werner Haas im Interview mit dem Handelsblatt. Zuvor muss bei Curevac allerdings die für die Zulassung entscheidende Phase 3 der klinischen Tests abgeschlossen werden. Angesichts sehr guter Zwischenergebnisse rechnet das Unternehmen zum Ende des ersten Quartals mit einer Impfstoffzulassung, spätestens aber zu Beginn des zweiten Quartals.

Das Tübinger Unternehmen, dessen Hauptaktionär SAP-Mitgründer Dietmar Hopp ist, hatte am Donnerstag eine Allianz mit dem Bayer-Konzern vereinbart. Nach den Worten von Bayer-Pharmachef Stefan Oelrich prüft auch der Konzern Möglichkeiten zur Produktion des Impfstoffs: „Wir analysieren momentan, was wir dazu beitragen können.“

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Vor dem Hintergrund hoher Infektionszahlen hat Gesundheitsminister Jens Spahn in einem Brief an mehrere deutsche Pharmaverbände um Unterstützung bei der Impfstoffproduktion gebeten. Die Bundesregierung steht aufgrund der angespannten pandemischen Lage massiv unter Druck, die Impfstoff-Versorgung schnell zu verbessern.

Am Sonntag meldete das Robert Koch-Institut (RKI) knapp 17.000 Corona-Neuinfektionen und 465 Todesfälle. Das sind deutlich höhere Werte als noch am vergangenen Sonntag. Bislang haben sich nachweislich rund 1,9 Millionen Menschen in Deutschland mit dem Coronavirus infiziert.

Dem gegenüber steht die Zahl der Geimpften, die nur langsam steigt. Mit dem Impfstoff des Mainzer Unternehmens Biontech sind in Deutschland bis zum Wochenende etwa 530.000 Menschen geimpft worden. Laut Vertrag mit der EU werden aktuell etwa 700.000 Impfdosen pro Woche an die deutschen Impfzentren geliefert.

Insgesamt hat die EU bisher unter anderem 300 Millionen Dosen bei Biontech bestellt. Die EU-Kommission verhandelt nun mit der Mainzer Firma und ihrem US-Partner Pfizer über die Lieferung von weiteren bis zu 300 Millionen Dosen. Biontech arbeitet intensiv daran, seine Produktion zu beschleunigen und zu erweitern. So ist unter anderem die Umrüstung eines von Novartis erworbenen Werks in Marburg geplant.

Bei Curevac hat die EU noch einmal 225 Millionen Dosen bestellt. Hinzu kommen größere Orders bei Astra-Zeneca, Johnson & Johnson sowie Sanofi und Glaxo-Smithkline (GSK), die in den kommenden Wochen Zulassungen erhalten könnten. So könnte der Wirkstoff von Astra-Zeneca noch im Januar in der EU eine Zulassung erhalten, der von Johnson & Johnson im ersten Quartal. Der Impfstoff von Curevac wäre in diesem Fall die Nummer fünf oder sechs im Kampf gegen Covid.

Lesen Sie hier das gesamte Interview:

Herr Oelrich, Herr Haas, für Ihre nun verkündete Allianz haben Sie weithin Beifall erhalten. Aber kommt die Zusammenarbeit mit Blick auf die erfolgreiche und schon seit vielen Monaten laufende Kooperation zwischen Ihren Konkurrenten Biontech und Pfizer nicht etwas sehr spät?

Franz-Werner Haas: Wie alle Unternehmen, die heute an einem Corona-Impfstoff arbeiten, haben wir vor knapp einem Jahr den Fokus zunächst auf die spezifische Optimierung der mRNA für den Sars-CoV-2-Virus gelegt. Mit dem besten Kandidaten haben wir dann eine breite Phase 1 gestartet. Als es dann ab dem Spätsommer in Richtung der Phasen 2b und 3 mit mehr als 36.000 Probanden ging, war uns bei Curevac klar, dass wir mit unseren 560 Mitarbeitern Unterstützung benötigen, jene kritische Infrastruktur aufzubauen, die man braucht, um all die regulatorischen Fragen beim Zulassungsprozess zügig zu beantworten. Seither reden wir miteinander.

Hätte diese Erkenntnis nicht viel früher reifen können?

Stefan Oelrich: Der entscheidende Punkt ist, dass die Expertise, die wir nun von Bayer in die Partnerschaft einbringen, zuvor gar nicht vonnöten gewesen wäre. Erst jetzt, wenn es um detaillierte Zulassungs- und später auch Vertriebsfragen geht, scheint mir diese nützlich zu sein. Im Übrigen laufen die Gespräche zwischen uns schon seit gut einem halben Jahr.

Der Bund ist mit 17 Prozent an Curevac beteiligt und steht unter gesellschaftlichem Druck, das langsame Impftempo zu erhöhen. Wurde dieser Druck nun an Sie weitergegeben mit der Forderung, die Impfstoff-Entwicklung mit einer Allianz zu beschleunigen?

Haas: Wir wussten schon seit einiger Zeit, dass wir schneller werden und uns breiter aufstellen müssen, nachdem wir den wissenschaftlichen Teil abschließen konnten. Das ist keine Erkenntnis, die erst in den vergangenen Tagen gereift ist.

Hat die Regierung in Berlin zusätzlichen Druck gemacht?

Haas: Die Kooperation wurde nicht von Berlin aus eingeleitet. Anfang dieses Jahres haben wir die Politik über unser gemeinsames Vorhaben informiert.
Oelrich: Als größtes Pharmaunternehmen Deutschlands stand auch Bayer seit Beginn der Pandemie ständig in Kontakt zur Bundesregierung. So gab es fortwährend einen proaktiven und konstruktiven Austausch mit Gesundheitsminister Jens Spahn zu vielfachen Maßnahmen durch die Bayer AG.

Was bedeutet die Kooperation nun für alle Beteiligten in der Praxis?

Oelrich: Wir können Curevac mit unseren Ressourcen und unserer Expertise in allen Fragen rund um die Zulassung des neuen Impfstoffs nun maßgeblich dabei helfen, die selbst gesetzten Zeitziele auch wirklich zu erreichen. Wir versetzen Curevac in die Lage, das Produkt in fast allen Teilen der Welt möglichst schnell zum Patienten zu bringen.

Wird die Allianz mit Bayer auch helfen, die Produktion zu beschleunigen und zu erweitern?

Haas: 300 Millionen Dosen sind zunächst einmal das Produktionsziel für 2021. Aber wir wollen die Produktion möglichst noch weiter ausbauen. Wenn wir weitere Kapazitäten finden, dann werden wir das nutzen.
Oelrich: Wir analysieren momentan, was wir dazu beitragen können. Entscheidend wird dabei auch sein, wie schnell sich zusätzliche Mengen produzieren lassen.

Biontech und Moderna haben mRNA-Impfstoffe mit deutlich höheren Dosierungen entwickelt und versprechen für 2021 trotzdem Produktionsmengen von einer Milliarde Dosen oder mehr. Warum schafft Curevac nur 300 Millionen Einheiten?

Haas: Das hat letztlich auch mit der Finanzierung zu tun. Wenn Sie über eine Anschubfinanzierung von einer Milliarde verfügen und die entsprechenden Kapazitäten bei Auftragsfertigern blocken können oder mit einem Konzern wie Pfizer zusammenarbeiten, der frühzeitig eine Fabrik umrüstet, sehen Sie das hinterher auch an der Kapazität. Aber wie gesagt: Wir arbeiten intensiv an dem Thema.

Wie sieht der aktuelle Zeitplan für eine mögliche Zulassung aus?

Haas: Wir wollen die Phase 3 noch im ersten Quartal abschließen und erwarten auf einer guten Datenbasis eine Zulassung spätestens zu Beginn des zweiten Quartals.

Kann das Projekt auch noch in Gänze scheitern, weil die Ergebnisse der Phase 3 womöglich schlechter ausfallen, als von Ihnen gehofft und erwartet?

Haas: Darauf deutet derzeit absolut nichts hin. Jede Produktentwicklung im Pharmabereich hat sicher ihre Risiken, aber wir sehen keinen Grund, warum es nicht funktionieren sollte. Trotzdem müssen wir natürlich die finalen Ergebnisse aus Phase 3 abwarten.

Ihr Hauptaktionär, SAP-Gründer Dietmar Hopp, hat im Handelsblatt-Interview den Anspruch formuliert, dass Curevac den besten Covid-Impfstoff entwickeln werde. Können Sie diese Vorgabe noch einhalten?

Haas: Ja, das ist weiterhin unsere Ambition.

Auch im Vergleich zu den guten Wirksamkeitsdaten von Biontech und Moderna?

Haas: Wir glauben, dass wir ein sehr gutes Vakzin entwickelt haben. Und es sind darüber hinaus ja sehr viele Fragen grundsätzlich noch gar nicht geklärt. Ein wichtiger Punkt, um die Logistik in den Griff zu bekommen, ist zum Beispiel die Stabilität der Impfstoffe. Zum anderen wissen wir noch nicht, wie lange die einzelnen Impfstoffe wirken. Eine interessante Frage ist auch, inwieweit mRNA-Impfstoffe zum Beispiel die Wirkung von Vektor-Impfstoffen verstärken können. Und ganz wichtig wird es auch sein, inwieweit die Impfstoffe gegen Mutationen des Virus Schutz bieten, oder ob sie immer wieder angepasst werden müssen wie Grippeimpfstoffe, wofür die mRNA-Technologie eine gute Plattform bietet.

Wenn Sie erst Ende März in die Zulassung gehen: Können Sie dann überhaupt noch mit einer Notfallzulassung rechnen? Oder muss der Curevac-Impfstoff dann womöglich den regulären Zulassungsprozess durchlaufen?

Haas: In der Hinsicht sehen wir derzeit keine große Gefahr. Wir sind dazu in einem intensiven Austausch mit den Behörden. Das wird am Ende natürlich auch von den Daten abhängen. Aber es sieht im Moment ja auch nicht danach aus, dass dann schon sehr viele Impfdosen auf dem Markt verfügbar sein werden.

Immerhin könnten bis dahin ja auch Astra-Zeneca und Johnson & Johnson ebenfalls Zulassungen für Impfstoffe erhalten.

Haas: Das ist mit einkalkuliert. Genau darüber reden wir ja auch mit den Behörden.

Was sind konkret die Vorteile für Bayer in dieser Allianz?

Oelrich: Im Vordergrund steht für uns zunächst einmal, dass wir helfen wollen. Ausgangspunkt unserer Gespräche war schlicht die Frage: Wie können wir euch unterstützen? Wir werden unsere Expertise in einer Weise einbringen, wie man sie bei einem Dienstleister nicht einkaufen kann. Dieses Paket hat sicher ökonomisch einen Wert und wird sich auch irgendwo niederschlagen.

Bayer erhält also eine Umsatz- oder Gewinnbeteiligung?

Oelrich: Dazu äußern wir uns nicht. Es ist auf jeden Fall eine Chance für beide Unternehmen, sich besser kennen zu lernen. Die ersten Eindrücke sind sehr positiv. Wir sehen, dass die Teams großen Respekt füreinander entwickeln und sehr viele komplementäre Fähigkeiten zusammenbringen. In der Vergangenheit wurde häufig beklagt, dass hiesige Pharmafirmen zu wenig die Deutschlandkarte spielen, was die akademische Forschung und auch die Kooperation mit Biotechfirmen angeht. Wir liefern jetzt ein Beispiel für das Gegenteil. Davon verspreche ich mir auch Lehren für die Zukunft, und vielleicht auch für andere Projekte, die wir gemeinsam machen können.

Bei der Neuausrichtung der Pharmaforschung setzte Bayer zuletzt vor allem auf US-Firmen sowie den Bereich Gen- und Zelltherapien. Die mRNA-Technologie blieb außen vor. War das ein Fehler?

Oelrich: Nein. Bei der Umsetzung unserer Strategie mit Zell- und Gentherapien kommen wir beim Aufbau unserer eigenen Plattform sehr gut voran. Die zuletzt mit der Akquisition von AskBio erworbenen Technologien sind führend auf ihrem Gebiet. Aber das heißt nicht, dass wir die Attraktivität der mRNA-Technologie nicht erkannt hätten.

Könnte aus der Covid-Allianz also noch eine viel engere Verbindung mit Curevac werden?

Oelrich: Grundsätzlich würde eine mRNA-Technologieplattform sicherlich gut zu unserer Zell- und Gentherapie-Plattform passen. Das sind in vielerlei Hinsicht komplementäre Technologien. Aber nun wollen wir erst einmal unsere Kooperation im Bereich Corona zum Erfolg führen.

Herr Oelrich, Herr Haas, vielen Dank für das Gespräch.