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Im Cum-Ex-Prozess attackiert Verteidigerin von Warburg-Banker Kronzeugen und Staatsanwaltschaft

Mit mehreren Beweisanträgen versuchen die Anwälte eines Managers der M.M. Warburg, den Strafprozess gegen ihren Mandanten zu torpedieren.

Die Bank bestreitet ihre Verantwortlichkeit. Foto: dpa
Die Bank bestreitet ihre Verantwortlichkeit. Foto: dpa

Der Angeklagte ist ruhig, zeigt kaum eine Regung. Dabei geht es für den ehemaligen Generalbevollmächtigten der Hamburger Privatbank M.M. Warburg heute um viel, wenn nicht um alles. Er ist wegen des Verdachts der schweren Steuerhinterziehung vor Gericht. Den von ihm mitverursachten Schaden beziffert die Staatsanwaltschaft auf 326 Millionen Euro.

Seine Verteidigerin möchte das Verfahren so schnell wie möglich beenden. Dazu hat sie heute gleich fünf Beweisanträge mitgebracht. Die Anklage sei nicht haltbar, sagt Alexandra Schmitz. Die Anträge sollen ihren Mandanten vor einer weiteren strafrechtlichen Verfolgung und erst recht vor einem Urteil und einer möglichen Gefängnisstrafe bewahren.

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Mit dem ehemaligen Generalbevollmächtigten der M.M. Warburg steht erstmals ein hochrangiger Manager vor Gericht, dessen Bank im sogenannten Cum-Ex Handel aktiv war. Der Begriff bezeichnet eine Art Aktienhandel, dessen Sinn die Erlangung von mehrfachen Steuererstattungen war. Die Warburg Bank trat dabei als sogenannte Leerkäuferin auf – kaufte also Aktien, die der Verkäufer noch gar nicht besaß.

Die Bank ließ sich bei diesem Geschäft Kapitalertragsteuern erstatten, die gar nicht abgeführt worden waren. Heute beteuert die Bank ihre Unschuld und verweist auf die Deutsche Bank. Es sei deren Aufgabe gewesen, bei diesen Deals die Steuer abzuführen.

Dem Verhandlungstag heute gingen bereits einige voraus. Dabei sagte unter anderem ein an den Deals beteiligter Steueranwalt aus und belastete sowohl die M.M. Warburg als auch den Angeklagten schwer.

Verantwortung wird weitergereicht

Demnach hätten die Verantwortlichen der Bank genau gewusst, wie die Geschäfte funktionieren und dass die Profite aus der Steuerkasse stammten. Der Angeklagte sei so etwas wie die rechte Hand des früheren Bankchefs Christian Olearius gewesen. Der Anwalt habe gemeinsam mit einem Kollegen die beiden Warburg-Verantwortlichen in Hamburg getroffen und die Deals erklärt.

Der Mann, der in dem Prozess als Kronzeuge gilt, wird inzwischen seinerseits von M.M. Warburg verklagt. Die Bank verlangt Schadensersatz für die Geschäfte, die nach Einschreiten der Finanzbehörden zu Millionenverlusten führten. M.M. Warburg fordert auch von der Deutschen Bank Schadensersatz.

In der Cum-Ex-Welt ist diese Entwicklung üblich. Als der Griff in die Steuerkassen nicht mehr gelang, überzogen sich viele ehemalige Geschäftspartner gegenseitig mit Klagen. Niemand wollte mehr gewusst haben, was da eigentlich geschehen war – und kaum einer wollte dafür zahlen.

Im Verfahren um M.M. Warburg stellt die Verteidigerin des Generalbevollmächtigen die Aussagen des Kronzeugen nun als unbrauchbar dar. Der Jurist sei seinerseits beschuldigt. Vor dem Gericht und gegenüber der Staatsanwaltschaft sei es ihm nur darum gegangen, sich selbst in ein möglichst positives Licht zu rücken.

Anwältin Schmitz betont eine „dokumentierte Bereitschaft“ des Kronzeugen für eine Falschaussage – zu seinem eigenen Vorteil und zum Nachteil ihres Mandanten. Das Vorgehen schränke seine Glaubwürdigkeit erheblich ein, so die Argumentation.

Bestärkt sieht sich die Verteidigerin durch die Klageerwiderung des Kronzeugen in einem Zivilverfahren. Die Münchener Depotbank Caceis verklagte ihn und etwa 20 weitere Geschäftspartner auf Schadensersatz, weil sie von der Finanzverwaltung für einen Steuerbetrag von mehr als 300 Millionen Euro in Anspruch genommen wird.

Manche Aussagen passen nicht zueinander

In seiner Klageerwiderung soll der Zeuge laut Verteidigung den eigenen Aussagen in mehreren Punkten widersprechen. „Er bekundet chamäleongleich immer das, was aus seiner Sicht in der jeweiligen Prozesssituation den meisten Vorteil für sich selbst verspricht“, sagte Anwältin Schmitz.

Tatsächlich passen einige der Behauptungen, die der Kronzeuge in dem Caceis-Zivilverfahren über eine Anwältin vorträgt, nicht zu zentralen Aussagen, die er vor Staatsanwälten und dem Landgericht Bonn tätigte.

Hatte er dort noch eingehend davon berichtet, dass Cum-Ex-Geschäfte grundsätzlich ohne umfangreiche und detaillierte Absprache zwischen den Beteiligten gar nicht möglich gewesen wären, bestreitet er dies nun in seiner Argumentation, in die das Handelsblatt Einsicht nehmen konnte. So behauptet er beispielsweise, „dass bei den streitgegenständlichen Transaktionen konkrete Absprachen zwischen den Parteien“ vorgelegen hätten.

Auch an anderer Stelle, der Einbeziehung von sogenannten Leerverkäufern in die Cum-Ex-Deals, wirft die Argumentation in der Klageerwiderung Fragen auf. In den streitgegenständlichen Transaktionen sei für den Kronzeugen nicht „absehbar gewesen“, inwieweit ein Leerverkäufer eingeschaltet gewesen sein soll. Bisher hatte er stets die bedeutende Rolle von Leerverkäufern betont.

Für die Verteidigerin des Ex-Warburg-Bankers steht indes eines fest: Das Mantra des Kronzeugen „Alle wissen alles“ sei nicht mehr zu halten. Allerdings handelt es sich bei dem Zivilprozess in München und dem Strafprozess in Bonn um zwei komplett unterschiedliche Fälle und Sachverhalte.

Staatsanwalt soll als Zeuge kommen

Die Verteidigerin attackiert nicht nur den Kronzeugen, sondern auch die Staatsanwaltschaft. In den Jahren 2016 und 2017 gab es offenbar einen engen Austausch zwischen der ermittelnden Staatsanwaltschaft Köln und der Bearbeiterin aus dem Hamburger Finanzamt für Großunternehmen, die für die M.M.-Warburg-Gruppe zuständig war. Die Beamtin war sich unsicher, ob sie die Kapitalertragsteuer zurückfordern sollte, und telefonierte mehrfach mit dem damals zuständigen Staatsanwalt Alexander Fuchs.

Der Ermittler habe die Sachbearbeiterin – so stellt es die Verteidigerin dar – zumindest teilweise darin bestärkt, keine geänderten Bescheide zu erlassen. Laut Aktenvermerk habe Fuchs noch Anfang 2017 gesagt, dass er mit der Entscheidung des Finanzamts, seinerzeit von einer Rückforderung gegenüber Warburg abzusehen, absolut einverstanden sei und dies „zum jetzigen Zeitpunkt auch für richtig“ halte. Sowohl Fuchs als auch die Beamtin sollen, wenn es nach der Verteidigung geht, als Zeugen in dem Prozess aussagen.

Die Rückforderung der Steuer erfolgte schließlich doch – aber erst nach einer Weisung des Bundesfinanzministeriums Ende 2017. Die Hamburger Behörde musste sich seinerzeit beugen.

Damals ging es um das Jahr 2010 und eine Rechnung über rund 50 Millionen Euro an die Adresse von M.M. Warburg. Inzwischen hat das Bankhaus auch die Steuererstattungen aus den Vorjahren zurückgezahlt. Das heißt allerdings nicht, dass sich Warburg geschlagen gibt. Steuerrechtlich bestreitet die Bank die Forderungen.