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CSU-Generalsekretär: „Wirecard ist nicht systemrelevant“

Markus Blume erklärt, wann der Staat aus Sicht der CSU Unternehmen retten sollte. Auch bei Wirecard hält er eine Rettung nicht für ausgeschlossen.

CSU-Generalsekretär Markus Blume sieht mögliche Staatshilfen für den insolventen Zahlungsdienstleister Wirecard skeptisch. „Bei Wirecard müssen wir zunächst aufklären, wie ein mutmaßlicher Betrug in dieser Größenordnung überhaupt möglich werden konnte“, sagte Blume dem Handelsblatt. „Unter solchen Umständen kann man nicht einfach nach dem Staat rufen, sondern muss auch das Bild des ehrbaren Kaufmanns bemühen.“

„Wirecard selbst ist sicherlich nicht systemrelevant, die Technologie von Bezahlplattformen dagegen sehr wohl“, betonte der CSU-Politiker. Es brauche bei Wirecard eine genaue Analyse der vorhandenen Assets und der real existierenden Umsätze. „Erst dann lässt sich sagen, ob und wie Wirecard aus der Insolvenz herausgeführt werden kann.“

Grundsätzlich verteidigte der CSU-Generalsekretär, dass sich der Staat wie jüngst im Fall Curevac auch an Unternehmen beteiligt, die er für schützenswert hält. „Gerade in der Krise darf es keinen Ausverkauf bei unseren Hightech-Perlen geben, wenn andere Staaten auf Shopping-Tour sind“, sagte Blume.

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Zugleich forderte er eine Reform des europäischen Beihilfe- und Wettbewerbsrechts. „Wir brauchen einen Beihilferahmen, der die Förderung durch den Staat erlaubt“, sagte er. „Und wir brauchen ein neues Wettbewerbsrecht auf europäischer Ebene, damit aus nationalen Champions europäische und Weltchampions werden können.“

Der CSU-Generalsekretär hob den Einsatz seiner Partei für die Industrie wie die Autokonzerne hervor. Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder habe sich dafür eingesetzt, an die Arbeitsplätze in den Leitindustrien zu denken. „Die CSU ist die neue Arbeiterpartei“, sagte Blume. „Die Gewerkschaften wissen, dass sie sich auf die SPD nicht mehr verlassen können.“ Man werde Arbeitsplätze nur erhalten, wenn man dafür sorge, dass die industrielle Substanz weiter bestehen könne.

Lesen Sie das Interview in voller Länge:

Herr Blume, Ihr Ministerpräsident und Parteivorsitzender Markus Söder betont, in diesen Tagen sei die Kernaufgabe des Staates zu helfen. In Ihrem Bundesland ist mit Wirecard ein Dax-Konzern in größter Not. Sollte der Staat auch in diesem Fall helfen?
Halt! Wir helfen denen, die der Hilfe bedürfen und sie auch verdienen. Bei Wirecard müssen wir zunächst aufklären, wie ein mutmaßlicher Betrug in dieser Größenordnung überhaupt möglich werden konnte. Unter solchen Umständen kann man nicht einfach nach dem Staat rufen, sondern muss auch das Bild des ehrbaren Kaufmanns bemühen. Wirecard hat dem Standort Deutschland schweren Schaden zugefügt.

Ihr Parteifreund Hans Michelbach fordert, Wirecard zu erhalten und eine Auffanglösung zu finden. Wie stellt sich die CSU die Rettung vor?
Wirecard selbst ist sicherlich nicht systemrelevant, die Technologie von Bezahlplattformen dagegen sehr wohl. Es braucht bei Wirecard eine genaue Analyse der vorhandenen Assets und der real existierenden Umsätze. Erst dann lässt sich sagen, ob und wie Wirecard aus der Insolvenz herausgeführt werden kann. Das alles ist wahrlich kein Ruhmesblatt für die Aufsicht und die Wirtschaftsprüfer. Es ist und bleibt ein Skandal.

Zu den Grundsätzen der CSU gehört, dass sich Leistung lohnen muss und Risiken nicht sozialisiert werden. Heißt das im Umkehrschluss nicht, Wirecard seinem Schicksal zu überlassen?
Digitale Geschäftsmodelle gehören in den DAX, potenzielle Betrugsfälle definitiv nicht. Ganz generell: Der Staat sollte keine Unternehmen subventionieren oder retten, deren Geschäftsmodell nicht funktioniert oder die auf Betrug aufgebaut sind.

Wie weit kann und soll sich der Staat einmischen?
Wir erleben in Folge der Coronakrise eine Wirtschaftskrise nicht gekannten Ausmaßes. Deswegen war es richtig, mit Soforthilfen, Konjunkturpaket und Kurzarbeiterreglungen massiv gegenzusteuern. Aber: Der Staat kann nicht auf Dauer entgangene Umsätze kompensieren. Deshalb müssen wir schnell die Selbstheilungskräfte des Marktes wieder aktivieren. Das geht nur mit Zukunftsoptimismus.

Gehört zur neuen Wettbewerbspolitik, dass der Staat sich künftig öfter wie jetzt im Fall von Curevac an Unternehmen beteiligt, wenn er diese für schützenwert hält?
Ich halte das nicht für verkehrt. Es gibt auch im Wirtschaftsbereich nationale Interessen. Wenn wir herausragende Technologieunternehmen in Deutschland haben, sollten wir dafür sorgen, dass diese weiter in unserem Land wachsen und gedeihen können. Gerade in der Krise darf es keinen Ausverkauf bei unseren Hightech-Perlen geben, wenn andere Staaten auf Shopping-Tour sind. In der Vergangenheit wurden häufig die guten Ideen in Deutschland geboren, aber der wirtschaftliche Erfolg wurde dann woanders in der Welt eingefahren. Das müssen wir ändern. Nur mit einer starken Technologie- und Digitalbranche bleiben wir ein kompletter Wirtschaftsstandort.

Wirecard war das Aushängeschild fürs digitale Deutschland, ein Fintech mit Zukunft. Wie nachhaltig ist der Schaden?
Wir haben sehr viele hoch spannende Unternehmen, aber außer SAP hat es leider kein Unternehmen geschafft, in die Weltspitze zu gelangen. Wir brauchen mehr nationale Champions in diesem Bereich. Deshalb müssen wir mit mehr Geld Start-Ups fördern und unterstützen. Gerade in der Coronakrise leiden sie unter Finanzierungsengpässen, wenn Lead-Investoren ausfallen. Wir brauchen einen Beihilferahmen, der die Förderung durch den Staat erlaubt. Und wir brauchen ein neues Wettbewerbsrecht auf europäischer Ebene, damit aus nationalen Champions europäische und Weltchampions werden können.

Am 1. Juli beginnt die deutsche EU-Ratspräsidentschaft. Wird die Bundesregierung auf derartige Änderungen drängen?
Wir müssen in Europa Zukunft zum Programm machen, nicht die Strukturen der Vergangenheit. Dafür ist notwendig, dass die Rahmenbedingungen passen, um neue innovative Geschäftsmodelle hochzubringen. Deshalb muss das Beihilfe- wie auch das Wettbewerbsrecht und die Technologieförderung angepasst werden. Ich setze da auf die Bundesregierung.

Die EU-Kommission setzt auf Wettbewerb und zögert deshalb, etwa Hilfen für die Deutsche Bahn AG oder die Lufthansa ohne Rücksicht auf die Wettbewerber freizugeben. Hat sich diese Sicht überholt?
Das bestehende Regelwerk geht von einem falschen Verständnis von Marktabgrenzung aus. Wenn ich starke Champions in der Welt haben möchte, dann muss ich sie auch zulassen. Die Deutsche Bahn würde ich nicht in dieser Kategorie sehen. Aber bei der Lufthansa ist doch klar: Wenn der Weltmarkt der relevante Markt ist, dann muss ich auch in diesen Dimensionen denken. Wenn es nur um Teile des europäischen Marktes geht, dann ist Wettbewerb zwingend, weil er Innovationen befördert. Falsche Auflagen aber schaden den Unternehmen und können in der Krise wie ein Mühlstein wirken.

Hinter den Auflagen steckt auch die Angst, dass Deutschland mit seiner Finanzkraft seinen Unternehmen besser helfen kann und dadurch das Gefälle innerhalb Europas noch größer wird. Können Sie die Sorge nachvollziehen?
Europa ist darauf angewiesen, dass die Konjunkturlokomotive Deutschland funktioniert. Ein wirtschaftlich starkes Deutschland trägt dazu bei, dass es auch Europa insgesamt gut geht. Die deutsche Wirtschaft ist eng mit der europäischen verflochten. Wir haben in den vergangenen Jahren eine solide Haushaltspolitik betrieben und dadurch nun besondere Möglichkeiten, in der Krise zu helfen. Das ist für alle gut. Denn umgekehrt haben auch wir ein ureigenes Interesse daran, dass es in den anderen europäischen Ländern wieder konjunkturell aufwärts geht.

Wie nachhaltig ist der Schaden für die deutsche Wirtschaft durch die Coronakrise?
Das lässt sich noch nicht exakt abschätzen. Wir haben jedenfalls die Chance, dass sich die Wirtschaft schnell erholt. Das konjunkturelle V ist weiter ein realistisches Szenario. Wir müssen verhindern, dass aus der Rezession eine Depression wird. Das stärkste Konjunkturpaket ist eine gesunde Portion Optimismus. Das können wir aber politisch nicht verordnen.

„Die CSU ist die neue Arbeiterpartei“

Diesen Optimismus wollte Bayern auch in der Autoindustrie verbreiten und eine Kaufprämie auf den Weg bringen. Nun gibt es nur eine vorrübergehende Mehrwertsteuersenkung. Wie sehr besorgt Sie der Zustand der Autoindustrie?
Die Mehrwertsteuer sinkt zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik. Das ist gerade für teure Anschaffungen wie Autos ein echter Kaufanreiz. Markus Söder hat sich an vorderster Front dafür eingesetzt, an die Arbeitsplätze in den Leitindustrien zu denken, weil wir feststellen, dass viele andere es nicht mehr tun. Die CSU ist die neue Arbeiterpartei.

Wie bitte?
Die Gewerkschaften wissen, dass sie sich auf die SPD nicht mehr verlassen können. Wir werden Arbeitsplätze nur erhalten, wenn wir dafür sorgen, dass die industrielle Substanz weiter bestehen kann. Dafür brauchen wir eine Renaissance der Industriepolitik – nicht eine, die alte Strukturen um jeden Preis bewahrt, sondern eine, die Unternehmen bei der digitalen und ökologischen Transformation unterstützt.

Fordert die CSU als neue Arbeiterpartei auch zwölf Euro Mindestlohn wie die Gewerkschaften?
Nach unserem Verständnis ist man Arbeiterpartei, wenn man alles dafür tut, dass wir zukunftsfähige und attraktive Arbeitsplätze in unserem Land erhalten. Dazu müssen wir auf Wettbewerbsfähigkeit und Innovationen setzen, nicht auf Maximallöhne.

Die Wirtschaftsverbände fordern zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit vor allem eine Senkung der Unternehmenssteuern. Können Sie denen Hoffnung machen, dass es noch in dieser Legislaturperiode eine Entlastung geben wird?
Die Große Koalition hat bewiesen, dass sie handlungsfähig ist. Das hat auch dazu beigetragen, dass Deutschland bisher gut durch die Krise gekommen ist. Aber man muss realistisch bleiben, was zusammen mit der SPD möglich ist. Als CSU treten wir schon lange für eine Unternehmenssteuerreform und die komplette Soli-Abschaffung ein. Wenn das in dieser Koalition nicht möglich ist, dann gehen wir damit in den Wahlkampf.
Herr Blume, vielen Dank für das Interview.