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CSU-Digitalministerin Bär kritisiert „scheinheilige“ Huawei-Debatte

Die Digital-Staatsministerin über den Streit um den chinesischen Netzwerkausrüster Huawei und den Digitalisierungsstau in Deutschland.

Die Digital-Staatsministerin Dorothee Bär (CSU) hat die Debatte um einen möglichen Ausschluss des chinesischen Netzwerkausrüsters Huawei beim Aufbau des 5G-Mobilfunknetzes kritisiert. Weltweit hätten viele Unternehmen heute schon Huawei-Komponenten verbaut. „Deshalb finde ich: Wir führen hier ein bisschen eine scheinheilige Diskussion“, sagte Bär dem Handelsblatt. „Entscheidend wird sein, dass wir mithilfe von IT-Experten sicherstellen, dass wir uns auf sicherem Terrain bewegen und nicht vielleicht doch in der Software Hintertüren eingebaut sind.“

Bär betonte, dass in Abstimmung mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) festgelegt werde, wie die Sicherheit der 5G-Netze gewährleistet sein müsse. „Dabei schließen wir von vornherein kein bestimmtes Land oder Unternehmen aus“, sagte die CSU-Politikerin. Es gehe vielmehr darum, bestimmte Sicherheitsstandards einzufordern. „Wer diese Standards erfüllt, kann sich am Mobilfunkausbau beteiligen.“

Mit Unverständnis reagierte Bär auf die Vorbehalte der USA gegen Huawei. „Die USA haben mehrere Handelskriege vom Zaun gebrochen. Das kann man machen. Ob das so sinnvoll ist, lasse ich mal dahingestellt“, sagte die Staatsministerin. „Ich halte komplette Isolation jedenfalls für eine gefährlichere Entwicklung als gegenseitige Abhängigkeit.“

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Lesen Sie hier das komplette Interview:

Frau Bär, lange Entscheidungen, veraltete IT-Strukturen, Technologieskepsis: Das Auswärtige Amt hat die Digitalisierungsfähigkeit Deutschlands angezweifelt. Können wir international noch mithalten?
Wir sind definitiv wettbewerbsfähig. Selbstverständlich ist jedes Funkloch eines zu viel, und selbstverständlich müssen wir beim Breitbandausbau noch zulegen. Aber in der Forschung, gerade in Schlüsseltechnologien wie Künstlicher Intelligenz oder Robotik, zählen wir international zur Spitzengruppe. Was mir mehr Sorge bereitet, ist die Skepsis vor oder zumindest die mangelnde Freude an neuen Technologien. Dabei sind wir doch ein Land der Ingenieure.

Was kann die Bundesregierung tun?
Viele Menschen haben Angst vor Strahlung, gerade jetzt beim Aufbau des neuen 5G-Netzes. Ich habe mich deshalb auf unserer Klausurtagung in Meseberg mit der Bundesumweltministerin darauf verständigt, dass wir mit einer Aufklärungskampagne in die Breite müssen, um diese Ängste abzubauen. Unsere gute Arbeit bleibt noch zu sehr unter dem Radar.

Sorge wegen Strahlung ist das eine, das andere ist die durchaus begründete Angst, dass die Digitalisierung die Demokratie beschädigt.
Diese Sorge ist nicht unbegründet. Unsere Demokratie ist eine Pflanze, um die wir uns täglich aufs Neue kümmern müssen. Wir müssen jedoch in einigen Bereichen besonders aufpassen. Deshalb haben wir uns jetzt erstmals im Kabinett mit Deep Fakes beschäftigt, also manipulierten Videos, die sich kaum noch als Fälschungen erkennen lassen. An diesem Thema wird in Deutschland mit großer Ernsthaftigkeit und hohen ethischen Standards gearbeitet. Etwa an KI-Lösungen, die Deep Fakes enttarnen können. Auch die Blockchain-Technologie kann künftig helfen, Fälschungen unmittelbar aufzudecken.

Bereitet die Bundesregierung konkrete Maßnahmen vor? Programme zur Forschungsförderung etwa?
Geld ist oft gar nicht das Hauptproblem. Vielmehr sollten wir versuchen, die 100 KI-Professuren, die wir uns vorgenommen haben, noch schneller zu besetzen. Gleichzeitig sollten die bestehenden Förderprogramme leichter zugänglich werden, unbürokratischer.

Sollte die Verbreitung von Deep Fakes unter Strafe gestellt werden?
Da wäre ich vorsichtig. Es gibt für Deep Fakes auch positive Anwendungsbeispiele, etwa in bestimmten Anwendungsbereichen der Filmindustrie. Kalifornien hat ein Gesetz gegen Desinformation mit Deep Fakes beschlossen. Doch das allein reicht nicht aus, wir haben es ja bei Desinformationskampagnen mit einem internationalen Phänomen zu tun. Wichtig wäre erst mal, dass man die Programme zur Erkennung von Deep Fakes zugänglich macht, für Journalistinnen und Journalisten beispielsweise.

In puncto Digitalisierung haben wir das Gefühl, in Deutschland sind viele Kommissionen zugange, aber es geht nur wenig voran.
Das trifft überhaupt nicht zu. Deswegen haben wir ja bereits im letzten Jahr unsere Umsetzungsstrategie beschlossen und richten jetzt ein Dashboard ein, durch das für die Bevölkerung klar und ungeschönt erkennbar ist, welche Ziele wir erreicht haben und welche noch nicht. Wir machen uns damit öffentlich messbar und werden, sobald es online ist, weltweit in einer Vorreiterrolle sein. Transparenzpioniere sozusagen.

Nehmen wir ein Beispiel: Kürzlich hat die Datenethikkommission der Regierung ihren Bericht übergeben. Darin ist von einem Algorithmenverbot die Rede. Das beunruhigt die Digitalwirtschaft natürlich.
Es ist wichtig, dass wir uns auch mit der Ethik beschäftigen. Aber wir dürfen Debatten um Zukunftsthemen nicht einfach damit abwürgen, dass wir sagen: Das verstößt gegen den Datenschutz oder ethische Grundwerte. Vielmehr müssen wir schauen, wie wir datenschutzrechtlich mögliche und ethisch vertretbare neue Technologien vorantreiben.

Ist Datenschutz eine Innovationsbremse für datengetriebene Geschäftsmodelle?
Da muss man genau abwägen. Begriffe wie Datensparsamkeit sehe ich sehr skeptisch. Sie können nicht datensparsam autonom fahren. Die Frage ist immer: Wann hat wer zu welchem Zweck die Möglichkeit, auf Daten zuzugreifen? Deshalb ist es richtig, die Datennutzung zu regulieren, statt sie von vornherein einzuschränken. Wir brauchen eine positive Datenstrategie. Die Eckpunkte hierüber haben wir in Meseberg beschlossen.

Die Datenschutz-Grundverordnung legt Wert auf Datensparsamkeit. Muss die DSGVO auf den Prüfstand?
Die DSGVO legt vor allem Wert auf Datensicherheit. Und auch wenn sich viele Unternehmen zunächst beklagt hatten, bin ich fest davon überzeugt, dass die Verordnung für Unternehmen leichter zu erfüllen ist, wenn erst mal all ihre Prozesse digital laufen.

Glauben Sie wirklich, dass es gelingen kann, alle Verwaltungsdienstleistungen wie geplant bis 2022 in Bund, Ländern und Kommunen digital anzubieten?
Ja, das werden wir schaffen. Wichtigste Voraussetzung ist, dass wir als Bund mit gutem Beispiel vorangehen. Von den 575 Verwaltungsleistungen, die bis 2022 digitalisiert sein sollen, sind 115 reine Bundesleistungen. Das müssen wir hinbekommen. Ich erlebe aber auch auf kommunaler Ebene, dass hier der Wille da ist, schnell zum Ziel zu kommen.

Bei der Digitalklausur in Meseberg stand auch der Mobilfunkausbau im Fokus. 1,1 Milliarden Euro sollen für Maßnahmen gegen Funklöcher bereitgestellt werden. Reicht das?
Wir investieren nicht nur Geld, wir haben auch die Zusage von den Mobilfunkbetreibern, bis zu 6000 neue Mobilfunkstandorte aufzubauen – und so Funklöcher in Deutschland zu schließen. Das heißt: Mit unserer Mobilfunkstrategie werden wir eine flächendeckende Versorgung bekommen. Damit das alles beschleunigt vonstattengehen kann, sind wir natürlich auf die Mithilfe unserer Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker angewiesen. Weniger schön ist dann, wenn nach einem schnelleren Internet gerufen wird und gleichzeitig Bürgerinitiativen unterstützt werden, die gegen den Bau von Mobilfunkmasten sind. So kommen wir zu schleppend voran.

Und wie sieht es mit der Beteiligung des umstrittenen chinesischen Netzwerkausrüsters Huawei aus?
Wir legen in Abstimmung mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik fest, wie die Sicherheit der 5G-Netze gewährleistet sein muss. Dabei schließen wir von vornherein kein bestimmtes Land oder Unternehmen aus. Es geht vielmehr darum, bestimmte Sicherheitsstandards einzufordern. Wer diese Standards erfüllt, kann sich am Mobilfunkausbau beteiligen.

Vor allem die Deutsche Telekom sagt: Ohne Huawei schaffen wir die Netzausbauziele nicht. Aber ist es denn zu verantworten, diesem völlig intransparenten chinesischen Unternehmen Zugang zur digitalen Infrastruktur der Bundesrepublik zu gewähren?
Weltweit haben viele Unternehmen heute schon Huawei-Komponenten verbaut. Deshalb finde ich: Wir führen hier ein bisschen eine scheinheilige Diskussion. Entscheidend wird sein, dass wir mithilfe von IT-Experten sicherstellen, dass wir uns auf sicherem Terrain bewegen und nicht vielleicht doch in der Software Hintertüren eingebaut sind.

Sie glauben, dass diese technischen Kontrollen ausreichen?
Sie sind nicht alleinstehend, aber am Ende ist es wichtiger zu wissen, ob jemand Fremdes Zugriff auf die Netze nehmen kann, als sich auf politische Zusagen allein aus dem Herstellerland zu verlassen.

Die USA haben aber erhebliche Vorbehalte gegen Huawei.
Die USA haben mehrere Handelskriege vom Zaun gebrochen. Das kann man machen. Ob das so sinnvoll ist, lasse ich mal dahingestellt. Ich halte komplette Isolation jedenfalls für eine gefährlichere Entwicklung als gegenseitige Abhängigkeit. Dafür müssen wir unseren Teil leisten und selbst besser werden.

Wenn die digitalen Herausforderungen so groß sind, bräuchte Deutschland dann nicht ein Digitalministerium?
Für viele ist es einfacher, über Strukturen als über Inhalte zu sprechen. Deshalb wird wohl ein Digitalministerium früher oder später kommen. Mir erschließt sich allerdings nicht, wie ein solches die Vielzahl an Herausforderungen, die die Digitalisierung aufwirft, lösen soll.

Was folgt daraus?
Ich glaube: Wir sind mit der zentralen Koordinierung der digitalen Fragen im Kanzleramt gut aufgestellt. Soll das Thema elektronische Patientenakte etwa dem Gesundheitsministerium entnommen werden, obwohl es die Expertise im Gesundheitsbereich aufweist? Soll das Thema Cybersecurity losgelöst von verteidigungspolitischen Themen des Verteidigungsministeriums betrachtet werden? Es scheint bei denjenigen, die ein Digitalministerium fordern, leider noch nicht angekommen zu sein, dass inzwischen jeder Lebensbereich untrennbar mit digitalen Themen verbunden ist. Einen analogen Bereich wird es immer weniger geben.

Ob das die Befürworter eines Digitalministeriums überzeugen wird?
Wer nach einem Digitalministerium ruft, müsste zunächst ein gesetzliches Verbot von Befindlichkeiten und Besitzstandswahrung fordern. Es ist zudem kaum anzunehmen und in unserem Grundgesetz auch nicht vorgesehen, dass die einzelnen Ministerien sich Weisungen eines Digitalministers beugen werden. Vielmehr gilt bei uns laut Grundgesetz das Ressortprinzip, das besagt, dass jeder Bundesminister seinen Geschäftsbereich innerhalb der von der Bundeskanzlerin vorgegebenen Richtlinien der Politik selbstständig und unter eigener Verantwortung leitet, und zwar nur seinen. Über die Abschaffung dieses Prinzips müssten wir zuerst reden, bevor ein Digitalministerium als weiteres Silo neben den bestehenden errichtet werden würde.
Frau Bär, vielen Dank für das Interview.