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Mit Crémant durch die Krise – Bouvet Ladubay wächst in Coronazeiten

In 170 Jahren hatte der Schaumweinproduzent viele Eigentümer. 2015 kaufte die Familie den Ex-Weltmarktführer zurück. In der Pandemie boomt das Geschäft.

Der Klimawandel ist auch im lieblichen Loiretal angekommen. Bisher herrschten auf den lehmig-kalkhaltigen Böden optimale Bedingungen für die Erzeugung exzellenten Schaumweins, des Crémant de Loire. Doch heiße Sommer machen traditionsreichen Kellereien wie Bouvet Ladubay immer mehr zu schaffen: „Die Trauben reifen früher und haben einen höheren Zuckergehalt“, erklärt Patrice Monmousseau, Patron des führenden Schaumweinproduzenten der Loire.

Vor Jahrzehnten noch musste teilweise Zucker zugesetzt werden, um den Alkoholgehalt zu erhöhen, erinnert sich der 77-Jährige. „Heute ist es schwierig, Wein mit weniger als elf Volumenprozent Alkoholgehalt zu finden. Darüber fermentiert Grundwein aber nicht mehr.“ Die Folge: Seine 80 Vertragswinzer im Loiretal müssen die Trauben deutlich früher lesen.

„Bouvet Ladubay hat in seinem Portfolio tolle Qualität mit guter Reife, die Champagner in nichts nachsteht“, konstatiert Iris Trenkner-Panwitz vom Fachblatt „Weinwirtschaft“, die zum Meininger Verlag gehört. Meininger zeichnete Patrice Monmousseau in diesem Jahr für sein Lebenswerk aus. Der Preis gilt als höchste Auszeichnung der deutschen Weinbranche.

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Derzeit kommt Bouvet, vor 100 Jahren größter Schaumweinproduzent der Welt, kaum mit Lieferungen nach. Und das, obwohl Feiern pandemiebedingt ausfallen und die Gastronomie geschlossen ist. Gerade in Deutschland, Bouvets größtem Exportmarkt, hat die Nachfrage massiv angezogen. „Unsere Verkäufe im Internet und Fachhandel haben stark zugelegt“, sagt Tochter Juliette Monmousseau, die das Tagesgeschäft führt. „Die Leute bleiben zu Hause und genießen Schaumwein – nicht nur als Zoom-Aperitif“, sagt die 42-Jährige.

Laut Marktforscher Nielsen hat der Champagner-Absatz in Deutschland 2020 eine völlige Trendwende vollzogen. Er ist in den 52 Wochen bis zum 6. Dezember um 15 Prozent gewachsen, während er im gleichen Zeitraum des Vorjahres um zwei Prozent schrumpfte. „Um sich in diesen außergewöhnlichen Zeiten etwas zu gönnen, dürften daher mehr Menschen den Jahreswechsel mit höherpreisigem Schaumwein begrüßen“, meint Ev Bangemann, Leiterin Konsumgüter und Handel der Beratung EY. „Gewissermaßen sind wir einer der wenigen Profiteure der Krise“, bestätigt die Bouvet-Chefin.

Erst Weltmarktführer, dann zwangsversteigert

Die Kellerei Bouvet Ladubay hat in fast 170 Jahren viele Höhen und Tiefen und etliche Eigentümerwechsel erlebt. Das französische Traditionshaus war zwischenzeitlich in amerikanischer, indischer und britischer Hand. Geführt wird es aber seit 1932 durchgehend von der Familie Monmousseau, die vor fünf Jahren Bouvet über ein Management Buy-out wieder zum Familienunternehmen machte.

1851 legte Étienne Bouvet mit seiner Frau Célestine Ladubay den Grundstein für das Schaumweinhaus. Bei Saumur erwarb er acht Kilometer lange Kellergewölbe, die in den Tuffstein gehauen waren. Der „Champagner von der Loire“ wurde durch Bouvets Marketingtalent bekannt, er exportierte in die halbe Welt. Für seine 300 Mitarbeiter baute er Wohnungen und ein Theater. In der Belle Époque produzierte Bouvet fünf Millionen Flaschen Schaumwein im Jahr. Dieser durfte sich ab 1936 wegen der geschützten Herkunftsbezeichnung nicht mehr „Champagner“ nennen.

Nach der Weltwirtschaftskrise verflog die Sektlaune allerorten. Der Niedergang von Bouvet begann. Die Firma kam 1932 unter den Hammer. Patrice Monmousseaus Großvater ersteigerte die Schaumweinsparte. Dessen Familie betrieb seit 1886 eine eigene Winzerei.

Patrices Vater baute Bouvet schrittweise wieder auf, ein Teil ging an die Börse. Er selbst schmiss kurz vor dem Abschluss das Internat. Der Vater nahm ihn in der Familienkellerei auf unter der Bedingung: „Wer nicht lernen will, muss ganz unten anfangen.“ Zehn Jahre arbeitet sich Patrice im Weinkeller hoch – vom Kistenstapeln übers Rütteln bis zum Mischen der Grundweine, die Assemblage.

1974 dann der Schock. Cousins von Patrice Monmousseau, denen ein Drittel von Bouvet gehörte, verkauften ihre Anteile an Wettbewerber Taittinger. Das Champagnerhaus wollte Bouvet ganz übernehmen. „Mein Vater war tief getroffen und resignierte“, erzählt der Sohn.

Für die Verhandlungen schickte er den Sohn nach Paris. Claude Taittinger empfing den damals 31-Jährigen in seinem prächtigen Büro am Louvre. „Er war offenbar von meinem Verhandlungsgeschick so beeindruckt, dass er mich zum Chef von Bouvet bestellte“, erzählt Monmousseau. „Mehr als 30 Jahre konnte ich völlig frei wirtschaften. Ich habe mich immer als Unternehmer gefühlt.“ Er verzehnfachte die Produktion auf drei Millionen Flaschen.

Aus dem Schatten von Taittinger

Doch dann gab es auch bei Taittingers Streit. Ein Teil des Unternehmens, zu dem auch Luxushotels gehörten, wurde an US-Investor Starwood verkauft. 2005 wurde Taittinger samt Bouvet amerikanisch. „Starwood wollte unsere Reserven rausziehen. Da habe ich rebelliert“, erzählt Monmousseau. Nach einem halben Jahr hatte Starwood kein Interesse mehr an der Weinsparte. Der Bouvet-Chef setzte durch, den Käufer selbst zu bestimmen: „Um endlich aus Taittingers Schatten zu treten.“

Monmousseau wählte den indischen Multimilliardär Vijay Millya als Käufer. Dem gehörte Indiens größter Alkoholkonzern United Spirits. „Millya liebte Bouvet und die französische Lebensart, hat aber keinen Cent in die Firma investiert“, sagt der Franzose. Der Inder half mit einer Bankbürgschaft, sodass Bouvet 2008 das Produktionswerk erneuern konnte. Damit verdoppelte sich die Produktion auf 6,5 Millionen Flaschen. „Unsere Schaumweinkellerei ist hochautomatisiert. Das aufwendige Rütteln übernehmen Maschinen. Alle haben wir selbst entwickeln“, sagt der Patron.

Der indische Milliardär ging mit seiner Airline Kingfisher bankrott. Die Mehrheit von United Spirits kam 2014 in den Besitz des weltgrößten Spirituosenkonzerns Diageo – auch Bouvet war damit kurzzeitig in britischer Hand. Der Inder ermunterte die Monmousseaus, die einstige Familienfirma zurückzukaufen. Banken halfen 2015 bei der Finanzierung. „Ein Wagnis, das wir nicht bereuen“, sagt Juliette Monmousseau. Sie kam 2007 zu Bouvet – nach zehn Jahren in der Filmverleihbranche in Paris. „Internationalen Vertrieb kann ich auch mit Schaumwein machen“, entschied sie.

„Obwohl Patrice Monmousseau das Unternehmen lange Zeit nicht mehr gehörte, hat er das Haus und die Marke mit Leidenschaft groß gemacht“, konstatiert Branchenkennerin Iris Trenkner-Panwitz. Der Visionär habe viel unternehmerisches Geschick bewiesen, sodass er Bouvet trotz vieler Widrigkeiten in Familienhand zurückführen konnte.“

2021 feiert Bouvet 170-jähriges Bestehen. Die Familie hofft, dass nach der Pandemie wieder Zehntausende Schaumwein- und Kunstliebhaber nach Saumur kommen – nicht nur in die Kellerei mit ihren kilometerlangen unterirdischen Radwegen, sondern auch ins familieneigene Theater und die Galerie für zeitgenössische Kunst. „Wir spüren heute, wie sehr es die Menschen schätzen, von einem Familienunternehmen zu kaufen“, sagt Juliette. „Wein ist eben ein sehr emotionales Produkt.“