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Coronakrise in Peru: „It's a madhouse!“

WirtschaftsWoche-Redakteur Bert Losse ist mit einer Reisegruppe in den peruanischen Anden gestrandet. Für ihn gilt wie für ganz Peru eine Ausgangssperre. Ein persönlicher Erlebnisbericht aus dem Coronavirus-Exil.

Es war als Traumurlaub geplant: Drei Wochen durch Peru, Wandern auf dem legendären Inkatrail und durch den Regenwald des Rio Tambopata, Ausflüge zu den Weltkulturerbestätten Machu Picchu und Cusco. Die dritte Woche wollten meine Frau und ich zusammen mit unserem Sohn, der in Lima ein Freiwilliges Soziales Jahr macht, nach Arequipa und zu den Kondoren des Colca Canyon reisen.

Heute ist Tag 10 der Reise. Und ich sitze in den peruanischen Anden auf 3430 Metern Höhe in Corona-Quarantäne. In der Stadt patrouillieren Polizei und Militär. Die Tageszeitung „La Republica“ titelt in fetten Lettern: „Estado de emergencia“ – Ausnahmezustand!

Nachdem Präsident Martin Vizcarra wegen der Pandemie zuerst alle Auslands- und Inlandsflüge verboten, dann den nationalen Notstand erklärt und eine 15-tägige Ausgangssperre für das ganze Land verhängt hat, sitzt unsere kleine Reisegruppe, acht Frauen und sieben Männer, nun in einem Hotel unweit der Altstadt von Cusco fest. Der peruanische Staat hat eine „obligatorische soziale Isolierung“ verhängt.

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Im Prinzip darf niemand vor die Tür. Erlaubt sind nur kurze Ausflüge zu den als einziges noch geöffneten Banken, Supermärkten und Apotheken der Stadt. Kaum ein Auto ist auf den Straßen zu sehen, nur ein einsamer gelber Geldtransporter tuckert an Straßensperren vorbei durch die Altstadt. Auf der Plaza de Armas und ihren Weltkulturerbe-Bauten, wo sich sonst Tausende von Touristen aus aller Welt drängeln, ist kein einziger Fußgänger zu sehen.

Gestern war noch eine Art Übergangstag und wir haben wir uns kurz rausgewagt, bewaffnet mit einer Einkaufstasche, in der wir ein paar Tütensuppen für eventuelle Polizeikontrollen platziert haben. Es kam zu herzlichen und bizarren Begegnungen und Gesprächen mit Leidensgenossen aus aller Welt. Ein junger Backpacker aus Australien war angesichts der kühlen Temperaturen verzweifelt auf der Suche nach einer langen Hose. Er war sommerlich gekleidet in Cusco als Ausgangspunkt für einen organisierten Tagestrip nach Machu Picchu angekommen und von der coronavirusbedingten Streichung aller touristischen Programme überrumpelt worden.

Eine Amerikanerin aus Milwaukee, unterwegs mit ihren zwei Töchtern, berichtete, sie habe sich zum Flughafen durchgeschlagen, um dort vielleicht irgendwie einen Flug raus aus Peru zu ergattern. Ihr Kommentar angesichts der Zustände dort: „It's a madhouse!“ Ein Peruaner, der uns als Deutsche identifizierte, sprach uns mitfühlend an: Er habe gehört, dass laut Kanzlerin Angela Merkel fast alle Deutschen am Coronavirus erkranken würden.

Bei allem Frust über den Verlauf unserer vermeintlichen Traumreise: Unsere Situation ist privilegiert. Der Reiseveranstalter, ein kleiner Spezialanbieter aus Köln, kümmert sich rührend um die Gruppe und zeigt ein professionelles Krisenmanagement. Weil das Hotelrestaurant wie alle Restaurants dicht ist, hat er ein kleines privates Küchenteam organisiert, das uns nun täglich als Untermieter in der Hotelküche ein Mittagsessen zubereitet. Es gibt im Zimmer zwar lediglich von sechs bis neun Uhr warmes Wasser, weil wegen der Stilllegung des Landes die Gasvorräte des Hotels nicht ausreichend aufgefüllt werden können. Auch erhält man jede einzelne Klopapierrolle nur auf nachdrücklichen Antrag an der Rezeption. Doch unser Zimmer ist komfortabel. Es hat stabiles Wlan, einen Wasserkocher und einen schönen Blick auf die menschenleere Stadt.

Andernorts herrscht Chaos. Insgesamt sind rund 3000 deutsche Touristen in Peru gestrandet. Viele campieren ohne Versorgung an den Flughäfen des Landes. Besonders verheerend ist die Lage für Individualreisende, die keine Ansprechpartner haben. Fluglinien oder die Telefonzentrale der Deutschen Botschaft in Lima telefonisch zu erreichen, gleicht einem Sechser im Lotto.


Berlin holt deutsche Touristen aus der Karibik zurück – aber was ist mit Peru?

Auf Facebook machen Horrorgeschichten die Runde. Ein Hostel soll Gäste mit einem Vorhängeschloss eingeschlossen haben. Wer darauf pocht, herausgelassen zu werden, kommt nicht mehr rein. Auch andere Gerüchte kursieren. Angeblich schickt Peru leere Flieger nach Deutschland, um dort Landsleute einzusammeln. Falls das stimmt: Warum, um Himmels Willen, nehmen die uns dann nicht mit?

Und wie sieht es mit den Aktivitäten der deutschen Regierung aus, die deutschen Gestrandeten aus Peru auszufliegen? Auf der Homepage der Deutschen Botschaft in Lima ist zu lesen: „Die Peru normalerweise anreisenden Fluggesellschaften stehen mit dem peruanischen Außenministerium in Kontakt, um möglichst bald Rückflüge zu organisieren. Konkrete Flugdaten sind uns nicht bekannt.“
Berlin holt gerade 3000 bis 4000 deutsche Touristen aus der Karibik und von den Kanaren zurück. Außenminister Heiko Maas will in den kommenden Tagen mit einer „Luftbrücke“ nochmal Tausende Bundesbürger nach Hause schaffen. Das lässt sich die Regierung 50 Millionen Euro kosten. Leider fallen nur die Ländernamen Marokko, Ägypten, Philippinen, Malediven und Dominikanische Republik. Von Peru ist nirgendwo die Rede.

Hoffentlich laufen zumindest hinter den Kulissen Verhandlungen mit der peruanischen Regierung, uns auszufliegen. Unser Reiseveranstalter teilt uns per E-Mail mit: „Hinsichtlich möglicher Rückholaktionen durch die Bundesrepublik Deutschland wurde Stand heute Vormittag (17. März) durch das Auswärtige Amt leider keine Information hinsichtlich Lateinamerika ausgegeben.“

Später kommt die Meldung, die Deutsche Botschaft versuche zusammen mit anderen EU-Vertretungen, bei der peruanischen Regierung zu erreichen, dass Sonderflüge europäischer Airlines zugelassen werden. Aber ist das auch für unsere Gruppe eine gute Nachricht? Wir sind mit der südamerikanischen Fluglinie Latam ins Land gekommen.

Und wie ist die Stimmung in unserer kleinen Reisegruppe? Wir vertragen uns gut und entwickeln einen fatalistischen Galgenhumor. Da ständig jemand unter Durchfall leidet, werden untereinander eifrig Medikamente gespendet (besonders begehrt sind Elektrolytlösungen und hellrote Wunderpillen, die es ohne Rezept und Verpackung in der Apotheke gibt). Wir versuchen, uns im Corona-Exil zu organisieren. Ein Mitglied unserer Gruppe fotografiert die Kolibris im kleinen Garten des Hotels, andere lernen Spanisch. Heute Abend gibt es eine Kartenspiel-Runde. Ich werde mir den letzten „Tatort“ auf dem Handy angucken.

Gleich gibt es Mittagessen. Im Essraum läuft das obligatorische Hintergrundgedudel. Normalerweise kann ich diesen musikalischen Schrott ausblenden, aber diesmal nicht: Im saxofonigen Loungestil wird „Killing me softly“ gegeben – und danach der Titelsong von „Titanic“.