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Wie Corona den weltweiten Wandel beschleunigt

Von der Pandemie profitieren vor allem amerikanische und chinesische Tech-Konzerne. Kann Europa dem etwas entgegensetzen?

Interruption oder Disruption? Das ist eine zentrale Frage in der Debatte über die Folgen der Corona-Pandemie. Werden wir nach einer Art Winterschlaf mehr oder weniger so weiterwirtschaften wie vor der Krise? Oder erwartet uns eine Zukunft, die mit der Vergangenheit nicht mehr viel gemein hat?

Für abschließende Antworten ist es noch zu früh, dennoch zeichnet sich ab, dass der weltweite wirtschaftliche Abwärtstrend nicht auf alle Akteure und Regionen gleich verteilt sein wird. Erste Tendenzen für die Zeit während und vor allem nach der Pandemie lassen sich bereits erkennen – in Europa, den USA, China und darüber hinaus.

In Europa stand Deutschland schon vor der Krise besser da als die anderen großen europäischen Volkswirtschaften, Frankreich etwa, Italien oder Spanien. Wegen dieses Ungleichgewichts sieht die Bundesrepublik sich seit Jahren mit massiven Forderungen konfrontiert, endlich mehr staatliche Mittel zu bewegen und öffentliche Investitionen zu erhöhen.

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Damit verbunden ist die Hoffnung, höhere Investitionen in Deutschland könnten dazu beitragen, die globalen Leistungsbilanzdefizite zu verringern und die Volkswirtschaften anderer Staaten zu beleben. Aber wäre das wirklich so?

Stellt sich nicht vielmehr die Frage, ob hiesige Unternehmen durch verstärkte staatliche Investitionen in den Ausbau der Infrastruktur oder verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten für Forschung und Entwicklung nicht noch wettbewerbsfähiger und dominanter werden könnten – statt der erstrebten Verringerung des Leistungsbilanzdefizits also am Ende dessen Vergrößerung stünde?

Bemerkenswert ist jedenfalls: Seitdem Corona zugeschlagen hat, beobachten das Ausland und die Europäische Kommission die milliardenschweren deutschen Hilfspakete mit Argusaugen. Man sieht die Gefahr, dass ein Staat mit soliden Staatsfinanzen wie Deutschland diesen Vorteil in der Krise gegenüber anderen Ländern gnadenlos ausspielt und seinen Unternehmen nachhaltige Vorteile verschafft.

Schon deshalb ist es klug, dass die Bundesregierung auf europäische Lösungen zur Bewältigung der Krise drängt.
In den USA und China zählten die großen Tech-Konzerne schon vor der Krise zu den wertvollsten Unternehmen der Welt. Seit Corona gab es den schnellsten Aktienmarktcrash aller Zeiten – und zugleich die schnellste Erholung.

Amerikanische und chinesische Tech-Unternehmen holen auf

Die Aufholjagd trieben vor allem amerikanische und chinesische Tech-Unternehmen, deren Aktienkurse sich zuletzt überdurchschnittlich gut entwickelt haben.
Auch die Umsätze der Technologiegiganten legten rasant zu.

So erreichten Microsoft und Facebook im ersten Quartal 2020 ein Plus von 15 beziehungsweise 18 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Handelsriese Amazon steigerte die Erlöse sogar um 26 Prozent, was angesichts des weltumspannenden Lockdowns und des damit verbundenen Rückenwinds für Onlinebestellungen auch nicht überrascht.

Die beiden am höchsten bewerteten chinesischen Unternehmen Alibaba (plus 22 Prozent) und Tencent (plus 26 Prozent) konnten ihre Umsätze im ersten Quartal ebenfalls stark steigern – vermutlich auch deshalb, weil es in China die ersten wirtschaftlichen Einschränkungen bereits Ende Januar gab. Es ist zu erwarten, dass die Kunden ihren verstärkten Onlinekonsum auch dann beibehalten werden, wenn sich die Lage wieder normalisiert.

Darüber hinaus haben sich die amerikanischen Tech-Konzerne Google, Amazon, Facebook, Apple und Microsoft auf große Shoppingtour begeben. Während viele Unternehmen weltweit um ihr Überleben kämpfen und nur durch staatliche Rettungspakete am Markt bleiben können, strotzen diese Konzerne vor Kraft.

Europäische Unternehmen werden strategische Antworten auf die Frage finden müssen, wie sie mit der zunehmenden globalen Dominanz amerikanischer und chinesischer Unternehmen umgehen wollen.

Globale Perspektive

Gefordert ist aber auch die europäische Politik, wenn die USA und China aus den Erfolgen ihrer Technologiegiganten politische Ansprüche ableiten. Eine angemessene europäische Antwort erscheint umso dringlicher, als die Beziehungen zu beiden Staaten sich aus europäischer Sicht zunehmend schwieriger gestalten.

Doch wie sieht es jenseits von Europa, USA und China aus? Die Spaltung, die wir derzeit beobachten, verläuft nämlich nicht nur zwischen alter und neuer Wirtschaft. Sie verläuft auch zwischen Industriestaaten und Entwicklungs- beziehungsweise Schwellenländern.

Die erlebten in den vergangenen Jahrzehnten zwar dank der Globalisierung eine positive wirtschaftliche Entwicklung, die sich trotz Bevölkerungswachstums vor allem in einer deutlichen Verringerung der Armutsquote manifestierte. Viele Bereiche der dortigen öffentlichen Infrastruktur sind aber nach wie vor deutlich von westlichen Standards entfernt.

Während beispielsweise in einigen europäischen Ländern ein Arzt auf 300 Menschen kommt, sind es in manchen Staaten Afrikas bis zu 70.000 Menschen pro Arzt. Laut einem Bericht des Auswärtigen Amts gibt es in den Krankenhäusern von zehn afrikanischen Staaten trotz Corona kein einziges Beatmungsgerät.

Außerdem sind Wasser, Seife und Elektrizität oft Mangelware – jeder Versuch zur Eindämmung der Pandemie könnte so zum hoffnungslosen Unterfangen werden. Wirtschaftlicher Abschwung und steigende Infektionszahlen treffen in Entwicklungs- und Schwellenländern auf schlecht ausgestattete Gesundheitssysteme und hohe Verschuldungsquoten.

Corona setzt diesen Staaten also besonders stark zu, gesundheitlich wie wirtschaftlich. Oft können die Länder ihre öffentliche Schuldenlast nicht mehr tragen, was die Flucht privaten Kapitals beschleunigt.

Die enormen Herausforderungen der Industrieländer potenzieren sich für die Entwicklungsländer. Corona beleuchtet die Notwendigkeit einer globalen Perspektive der Wirtschaftspolitik wie unter einem Brennglas vergrößert.

Interruption oder Disruption? Die Antwort lautet wohl eher Akzeleration. Vor Corona bestehende Entwicklungen werden durch das Virus jetzt nochmals deutlich beschleunigt und dürften unser Leben in den kommenden Jahren entscheidend prägen.

Diese Akzeleration kann im schlimmsten Fall sogar zu vertieften Spaltungen führen, wenn Wirtschaft und Politik nicht angemessen und mit globalem Blick auf das Ausmaß der gegenwärtigen Herausforderung reagieren.