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Coronavirus schockt die Weltwirtschaft – Unternehmen fürchten Produktions- und Lieferausfälle

Das Coronavirus trifft die ohnehin labile Weltwirtschaft bereits nach wenigen Wochen empfindlich. Nur die Aktienmärkte zeigen sich resistent – noch.

Eingeschworene Truppe: Mitglieder eines medizinischen Teams schwören, das Coronavirus zu bekämpfen, bevor sie dazu nach Wuhan aufbrechen. Foto: dpa
Eingeschworene Truppe: Mitglieder eines medizinischen Teams schwören, das Coronavirus zu bekämpfen, bevor sie dazu nach Wuhan aufbrechen. Foto: dpa

Den Autobauer Fiat Chrysler traf es in Europa als Ersten. Der italienisch-amerikanische Hersteller teilte mit, dass eines seiner Werke in Serbien mangels Lieferungen aus China vorerst stillstehe. Es ist das erste Mal, dass ein europäisches Unternehmen wegen des Coronavirus seine Produktion anhalten muss. Dass es das letzte Mal sein wird, scheint unwahrscheinlich.

Ökonomen rechnen vielmehr damit, dass die Folgen der Epidemie in den nächsten Wochen für Europa deutlich spürbar werden. Das Virus trifft Unternehmen zweifach: Zum einen entfällt Nachfrage aus China, weil dort die Produktion heruntergefahren werden musste und Einkommen stagnieren. Zum anderen werden Produktionsketten unterbrochen, weil chinesische Zulieferungen ausfallen.

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„Es ist so, als ob jemand im ganzen Land den Pause-Knopf gedrückt hätte“, beschrieb Fu Ying, die Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Nationalen Volkskongress Chinas, auf der Münchener Sicherheitskonferenz die Lage in ihrer Heimat. Zwar wird die Produktion langsam wieder angefahren. Doch die Spätfolgen dürften sich in einem verlangsamten Wirtschaftswachstum niederschlagen – in China, Deutschland und dem Rest der Welt.

Coronavirus: Deutsche auf Kreuzfahrtschiff infiziert

Timo Wollmershäuser, Konjunkturchef beim Münchener Ifo-Institut, kündigte im Gespräch mit dem Handelsblatt bereits an, seine Schätzung für das deutsche Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr wegen des Virus zu senken. Wenn China um einen Prozentpunkt langsamer wachse, koste das Deutschland 0,06 Prozentpunkte Wachstum. „Damit dürfte die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr nur noch höchstens um ein Prozent zulegen“, so der Ökonom.

Auch andere Forscher warnen vor den Folgen einer anhaltenden Corona-Epidemie. Zwar werde Deutschland allein wegen des Virus wohl nicht in eine Rezession schlittern, schätzt etwa der Konjunkturexperte des RWI, Roland Döhrn. „Aber es kommen weitere Belastungen dazu, wie der Brexit und der Handelskonflikt mit den USA.“ Schließlich sei schon das vierte Quartal schlechter ausgefallen als noch vor Weihnachten prognostiziert. Döhrn warnt: „Die Risiken sind also groß.“

Nachfrage bleibt aus

Schon jetzt macht sich die nachlassende Nachfrage in den Unternehmenszahlen bemerkbar. So vermeldete Autobauer VW für Januar einen Rückgang der chinesischen Verkäufe von elf Prozent. Und schlägt sich damit noch besser als der Rest der Branche. Denn wie beim chinesischen Verband der Automobilhersteller (CAAM) zu hören ist, gingen die gesamten Autoverkäufe in China in dem Monat um 20 Prozent auf 1,6 Millionen Fahrzeuge zurück. Das ist der größte Rückgang seit Januar 2012.

Der chinesische Verband für Personenwagenhersteller (PCA) schätzt sogar, dass sich die Nachfragelücke bis Ende Februar auf 30 Prozent vergrößert.

Auch die Fluggesellschaften rechnen mit milliardenschweren Umsatzeinbußen. So geht die Internationale Luftverkehrsvereinigung davon aus, dass das Coronavirus die Airlines bereits im ersten Quartal rund fünf Milliarden Euro kosten könnte.
Dazu kommen die Wirkungen über den März hinaus. Branchenexperten rechnen daher damit, dass das Coronavirus die Airlines stärker treffen könnte als der Ausbruch von Sars ab 2002. Damals schätzte der Flugverband Iata die Schäden auf zehn Milliarden Euro.

IWF-Chefin: Coronavirus könnte Weltwirtschaft zwischenzeitlich hemmen

Daniel Röska von Bernstein Research schätzt, dass durch Corona rund 20 Prozent des Branchenumsatzes „ins Risiko gesetzt“ werden. In Europa seien vor allem die großen drei Fluggesellschaften betroffen. Hier erwartet der Experte eine sechsmonatige Nachfrageschwäche. Am stärksten seien Lufthansa und Air France-KLM im Chinageschäft tätig, die britisch-spanische Airline-Holding IAG sei dort nicht so stark.

Auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, sagt: „Das Ausmaß der Ausbreitung des Coronavirus ist noch nicht abschätzbar, aber die Folgen dürften deutlich gravierender sein als beim Ausbruch von Sars.“ Das verunsichere Unternehmen, Investoren, aber auch Verbraucher. Und nicht nur in China.

Auch in Europa wurden bereits internationale Veranstaltungen abgesagt, um Besucher vor Ansteckung zu schützen. Die Mobilfunkmesse Mobile World Congress in Barcelona ist das prominenteste Beispiel. Aber auch der Uhrenkonzern Swatch hat seine Firmen-Messe in Zürich, die Ende Februar stattfinden sollte, gestrichen. Andere, wie die Süßwarenmesse in Köln, die Fruit Logistica in Berlin sowie die Spielwarenmesse in Nürnberg, verzeichnen zahlreiche Absagen von chinesischen Ausstellern.

Fabriken stehen still

Noch kaum abzuschätzen sind die Folgen, sollte sich das Virus über einen längeren Zeitraum ausbreiten. Denn neben Absatzproblemen drohen Firmen weltweit zunehmend Schwierigkeiten in der Produktion. Etwa, wenn wichtige Lieferungen aus chinesischen Fabriken ausbleiben, die wegen der Epidemie geschlossen wurden. So wie jetzt bei Fiat in Serbien.

Deutsche Autobauer beziehen aus China vor allem Elektronik. Autohersteller wie die VW-Tochter Skoda haben zwar Taskforces eingerichtet, mit denen die Teileversorgung aus China für europäische Werke abgesichert werden soll. Doch völlige Sicherheit lasse sich kaum erreichen, heißt es bei Skoda. Besonders sehr kleine Zulieferer, die ein einzelnes, aber wichtiges Bauteil produzieren, seien nur schwer zu überwachen.

Niemand könne sagen, wie lange die Zulieferkette noch halte, sagte auch Jaguar-Land-Rover-Chef Ralf Speth bei einem Branchentreffen. Zudem sei der Verkauf von Neuwagen in China zum Erliegen gekommen. Speth: „Wer interessiert sich denn jetzt für ein neues Auto?“ Die Fabrik in China stehe still.

Aber nicht nur für die Autohersteller spielt China als Produktionsstandort für Elektronik-Bauteile eine zentrale Rolle. Ob Bildschirme, PCs oder Smartphones: kaum ein Unternehmen, das dort nicht fertigt oder Teile ordert. Sollten die Fabriken von Herstellern wie BOE und TCL oder von Auftragsfertigern wie Pegatron länger geschlossen und die Reisebeschränkungen für die Arbeiter bestehen bleiben, dürfte sich das massiv auf die Produktion auswirken. Wie der Fall Apple verdeutlicht.

„Designed in California, made in China“, druckt der Konzern auf viele seiner Produkte – die von chinesischen Auftragsproduzenten wie Foxconn mit Hunderttausenden Mitarbeitern hergestellt werden. Damit bekommt Apple die Folgen der Epidemie direkt zu spüren. Denn der Betrieb in den beiden wichtigsten Fabriken läuft laut Nachrichtenagentur Reuters nach nur langsam an. Das schlägt sich in Apples Zahlen nieder. Der iPhone-Hersteller gibt in seiner Prognose für das laufende Quartal mit einem Umsatz von 63 bis 67 Milliarden Dollar eine ungewöhnlich große Spanne an.

Konzernchef Tim Cook verwies als Grund auf die Reiseeinschränkungen in China. Besonders misslich: Branchenbeobachter erwarten, dass der Konzern bald ein neues günstiges Modell vorstellt – die Produktion müsste jetzt anlaufen. Apple wollte sich nicht dazu äußern.

Das Problem betrifft nicht nur Apple. Rund 70 Prozent aller Smartphones laufen in China vom Band. Der Marktforscher Strategy Analytics befürchtet daher, dass die Produktion im ersten Quartal um 30 Prozent einbrechen und sich damit die Erholung des Markts verzögern könnte. Ähnlich dürften die Probleme bei der Herstellung von PCs und anderen Geräten sein. So hat Nintendo Lieferprobleme bei der Konsole Switch.

Besonders hohe Einbußen sind bei der Produktion von Bildschirmen zu erwarten: In der vom Ausbruch des Virus besonders stark betroffenen Provinz Hubei betreiben Hersteller wie BOE Technology und TCL Fabriken für LCD- und OLED-Paneele, die mit großen Einschränkungen zu tun haben. Der Marktforscher IHS Markit erwartet kurzfristig einen Rückgang der Produktion. Die Folgen dürften auf der ganzen Welt spürbar sein, stellt China doch 55 Prozent aller Displays her. IHS Markit erwartet, dass die Preise für PC- und TV-Monitore sowie für Notebooks steigen.

Alle Augen auf China

Vor dem Hintergrund solcher Einzelnachrichten traut man sich im Bundeswirtschaftsministerium noch keine konkrete Schadensprognose für die deutsche Konjunktur zu. In dem am Freitag veröffentlichten Monatsbericht des Ministeriums heißt es nur, die außenwirtschaftlichen Risiken hätten sich durch die Ausbreitung des Coronavirus erhöht. Wirtschaftsminister Peter Altmaier sagte dem Handelsblatt: „Wir stehen längst im engen Kontakt mit den betroffenen Wirtschaftsverbänden und der Wirtschaft.“

Er verfolge die Entwicklung sehr genau und werde gegebenenfalls erforderliche Schritte ergreifen. Aktuell sei es noch zu früh, die Auswirkungen zu quantifizieren, denn dies hänge wesentlich von den weiteren Entwicklungen ab.

Wirtschaftsexperten sind da direkter. „Das Coronavirus trifft die deutsche Wirtschaft in einem denkbar schlechten Augenblick“, sagte DIW-Präsident Fratzscher. „Ich erwarte, dass sich das Wirtschaftswachstum in Deutschland in diesem Jahr noch schwächer entwickeln wird als bisher angenommen.“

Auch Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, sieht seine Prognose eines kleinen Wachstums in Gefahr. Er geht davon aus, dass das chinesische Wirtschaftswachstum des ersten Quartals durch das Coronavirus um bis zu drei Prozentpunkte geringer ausfällt. Das würde die deutschen Exporte erheblich dämpfen. Krämer weist aber auch darauf hin, dass in Deutschland wegen des milden Winters deutlich mehr gebaut werden dürfte. Das sollte die Belastung der Konjunktur aus dem Außenhandel zumindest teilweise kompensieren.

Und schon für das zweite Quartal ist Krämer wieder optimistisch: „Die chinesischen Unternehmen werden die im ersten Quartal ausgefallene Produktion nachholen.“ Das zeigten entsprechende Erfahrungen mit der Sars-Epidemie.

Wie viel Unsicherheit noch in sämtlichen Vorhersagen steckt, zeigt eine aktuelle Umfrage von Reuters unter 40 Ökonomen. Die Spanne ihrer Prognosen für das chinesische Wirtschaftswachstum 2020 reichte von 2,9 bis 6,5 Prozent. „Ich glaube, dass das Virus bis April unter Kontrolle gebracht werden wird“, schreibt etwa Ye Bingnan, Analyst bei der Bank of China. „Aber im ungünstigsten Fall könnte das Wirtschaftswachstum im ersten Quartal zwischen zwei bis drei Prozent liegen und für das Gesamtjahr nur auf fünf Prozent kommen.“

Die Führung in Peking selbst schätzt jedenfalls die Aussichten noch optimistisch ein. So bekräftigte der stellvertretende Außenminister Qin Gang bei der Münchner Sicherheitskonferenz Chinas Ziel, 2020 ein Wirtschaftswachstum von sechs Prozent zu erzielen. „Die Auswirkungen auf die Wirtschaft sind nur temporär“, so Qin. Die Regierung versuche, mit Steuererleichterungen für die Unternehmen gegenzusteuern. „Außerdem erwarten wir, dass sich die Konsumnachfrage und die Wirtschaft insgesamt nach dem Ende der Epidemie sehr schnell erholen werden.“

Mitarbeit: Christof Kerkmann, Dana Heide, Sha Hua, Jens Koenen, Katrin Terpitz, Corinna Nohn, Thomas Sigmund, Torsten Riecke, Stefan Menzel

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