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Corona-Soforthilfen ohne Kontrolle: Warum es Betrüger leicht haben

Staatliche Hilfen für Kleinunternehmer werden nahezu ohne echte Prüfung ausgezahlt. Finanzämtern fehlen die Instrumente für die spätere Kontrolle.

In allen Bundesländern gibt man vor, von der Redlichkeit der Antragsteller überzeugt zu sein. Foto: dpa
In allen Bundesländern gibt man vor, von der Redlichkeit der Antragsteller überzeugt zu sein. Foto: dpa

„Was soll ich sagen?“, schreibt Daria aus Stuttgart auf Twitter. „Baden-Württemberg ist dann doch gar nicht so übel. Soforthilfe auf dem Konto – für meine Grundsicherung bis Juni ist tatsächlich erstmal gesorgt“, freut sich die Selbstständige, die „sinnliche Massagen“ anbietet. Ihr geht es wie Millionen anderer Selbstständiger und Kleinunternehmer, deren Geschäft in der Coronakrise förmlich weggebrochen ist.

Fünf Milliarden Euro sind bereits ausgezahlt – und täglich kommen hunderte Millionen Euro hinzu. Auch wenn einzelne Länder inzwischen auf Betrugsmaschen reagieren. So wie NRW, das kurzfristig die Zahlung der Soforthilfe für Solo-Selbstständige und Kleinstbetriebe stoppte, weil Cyberbetrüger mit Fake-Websites versuchen, Gelder abzuzweigen.

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Nach ersten Schätzungen sind davon zwischen 3500 und 4000 Antragssteller betroffen. Diese seien gezielt auf aus dem Ausland betriebene gefälschte Internetseiten gelockt worden, sagt NRW-Innenminister Herbert Reul am Donnerstag in Düsseldorf. Über die Höhe der Schäden gebe es keine Erkenntnisse. Bislang sei auch nicht bekannt, dass auch andere Bundesländer betroffen seien.

Trotz solcher Misstöne werden die Soforthilfen des Bundes und der Länder als großer Erfolg gepriesen. Das liegt vor allem daran, dass die Anträge äußerst einfach zu stellen sind. Nur wenige Seiten müssen die Corona-Geschädigten ausfüllen, um an das Geld zu kommen.

Je nach Bundesland arbeiten Behörden oder Förderbanken die elektronisch eingereichten Formulare ab. Eine richtige Prüfung findet nicht statt – die soll erst später erfolgen, wenn die Selbstständigen und Kleinbetriebe ihre Steuererklärungen abgeben.

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Doch ob das wirklich passieren wird, ist mehr als fraglich. Das Handelsblatt hat die Wirtschafts- und Finanzministerien der 16 Bundesländer zu dem Thema befragt. Ergebnis: Die Wahrscheinlichkeit, dass unredliche Antragsteller auffliegen, ist extrem gering.

Fehlende Prüfmechanismen

Die Finanzämter sind noch völlig unvorbereitet auf das, was auf sie zukommt. Die schnelle und unbürokratische Auszahlung der Gelder hat eine Kehrseite: Die Politik hat es unterlassen, Prüfmechanismen zu organisieren.

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Die Corona-Soforthilfen werden rege genutzt. (Bild: Getty Images)

Ob die Anträge dem Grund und der Höhe nach berechtigt sind, wird bei Antragstellung nur in Ausnahmefällen hinterfragt. Den zuständigen Behörden und Förderbanken der Länder fehlen schlicht die technischen und personellen Kapazitäten.

Sogar Anträge mit gefälschten Steuernummern könnten durchgehen, wie die Umfrage zeigt. So antworten nahezu alle Länder, dass bei der Prüfung der Anträge angegebene Steuernummern und Steuer-Identifikationsnummern in aller Regel nicht verifiziert werden.

„Ein Abgleich mit Steuerdaten findet nur in Einzelfällen statt“, heißt es aus Hessen. Man werde „stichprobenartig und verdachtsabhängig“ prüfen, antworten die Finanz- und Wirtschaftsministerien in Baden-Württemberg. Es sind typische Rückmeldungen.

Auszahlung an Antragsteller, die bei den Steuerbehörden gar nicht gemeldet sind, sind damit kaum zu unterbinden. „Wie sollen Behörden herausfinden, ob und wie sehr zum Beispiel Künstler, Fitnesstrainer oder Webdesigner von der Krise betroffen sind? Mit den Finanzämtern werden ja derzeit nicht einmal die Steuernummern abgeglichen“, kritisiert Thomas Eigenthaler, Chef der Deutschen Steuergewerkschaft.

Kein automatisierter Datenaustausch

Noch problematischer ist, dass die Finanzämter in den meisten Ländern nach dem derzeitigen Stand auch keine Kontrollmitteilung darüber erhalten, dass der bei ihnen registrierte Steuerbürger einen Antrag gestellt hat. Es fehlt damit an einem notwendigen automatisierten Datenaustausch über die Auszahlung der Gelder, an den die Finanzämter anknüpfen könnten, wenn sie die Steuererklärung 2020 überprüfen.

„Die Steuerbehörden sind letztlich darauf angewiesen, dass alles korrekt deklariert wird. Einige Selbstständige und Unternehmer dürften geneigt sein, diese staatlichen Zuschüsse zu verschweigen“, fürchtet Eigenthaler.

Unterstützung erhält der Gewerkschafter von Linken und Grünen. „Die Finanzämter in Deutschland waren auch schon vor Corona unterbesetzt. Jeder zusätzliche Betriebsprüfer bringt der Steuerkasse ein Vielfaches seines Gehalts“, sagt Fabio De Masi, finanzpolitischer Sprecher der Linken.

„Um Missbrauch auszuschließen, müssen die Länder Datensätze so aufbereiten, dass Finanzämter anhand der Steuernummer automatisiert Umsatz und Gewinn im Jahr der Krise mit der Soforthilfe abgleichen können“, fordert De Masi.

Auch die Sprecherin für Finanzpolitik von Bündnis90/Die Grünen, Lisa Paus, betont, dass die Bewältigung der Mammutaufgabe „nicht ohne zusätzliche personelle Ausstattung zu bewältigen“ sei. Ein „funktionierender Datenaustausch“ bleibe nach wie vor höchste Priorität.

Gesetzliche Grundlage

Warum dieser Datenaustausch bislang nicht vorgesehen ist, dazu gehen die Begründungen in den Ländern auseinander. Einige sehen offenbar den Bund in der Pflicht. „Solange wir dazu nicht vom Bund oder anderen Institutionen aufgefordert werden“, werde man Kontrollmitteilungen nicht einführen, teilt das niedersächsische Finanzministerium mit. In Thüringen verweist man darauf, dass es keine gesetzliche Grundlage für die Übermittlung von Kontrollmaterial „in allen Fällen“ gebe – und eine bundeseinheitliche Lösung noch erarbeitet werden müsse.

Als Hauptkontroll-Instrument bleibt damit nur die Überprüfung der Soforthilfen in den Veranlagungsstellen der Finanzämter oder im Rahmen von Betriebsprüfungen. Bei schon bisher rund eineinhalb Millionen Anträgen kommt damit auf die Finanzämter deutlich mehr Arbeit zu.

Gleichwohl scheinen einige Länder-Ministerien die drohende Prüfungswelle ignorieren zu wollen. Man gehe davon aus, dass die Kleinunternehmen die Zuschüsse in der Steuererklärung angeben würden, heißt es etwa in Rheinland-Pfalz. „Eine Erhöhung der Prüfungsintensität der Betriebsprüfung ist daher nach derzeitiger Einschätzung in den kommenden Jahren nicht beabsichtigt.“ Und auch im Saarland ist eine „Erhöhung der Prüfungsintensität zurzeit nicht angedacht“.

Besonders nichtssagend gestaltet sich die Antwort aus NRW: Die Finanzverwaltung sei auf die mit den Soforthilfen verbundenen Herausforderungen vorbereitet, heißt es dort. „Zu Einzelheiten können keine Angaben gemacht werden.“

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Womöglich weil man sie selbst noch nicht kennt. In allen Bundesländern gibt man vor, von der Redlichkeit der Antragsteller überzeugt zu sein. Schließlich müssten die Unternehmer ausdrücklich versichern, dass alle Angaben korrekt sind. Andernfalls mache man sich strafbar.

Einbezug von Banken

Oppositionspolitiker halten das für naiv oder konzeptlos. „Der Staat muss sich gegen Betrug absichern, indem etwa geprüft wird, ob die für die Auszahlung angegebene Bankverbindung schon für andere Auszahlungen, möglicherweise auch in anderen Bundesländern, genutzt wurde“, sagt Florian Toncar, finanzpolitischer Sprecher der FDP.

Seiner Meinung nach sollten auch die Banken mit einbezogen werden, um dubiose Konten zu entlarven. „Ich erwarte vom Bundesfinanzminister, dass er diese Themen unverzüglich persönlich mit seinen Kollegen aus den Ländern bespricht und die Türe für Missbrauch der Soforthilfen umgehend zumacht“, sagt Toncar.