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Der Corona-Schock – Wie gut sind Deutschlands Konzerne gerüstet?

Die Ausstattung mit Liquidität wird für viele Unternehmen zum entscheidenden Krisenfaktor. Welche Firmen bedroht sind – und wie sie überleben können.

Der Industriekonzern ist gleich auf mehreren Ebenen negativ betroffen. Foto: dpa
Der Industriekonzern ist gleich auf mehreren Ebenen negativ betroffen. Foto: dpa
  • Wie gut können Deutschlands Konzerne gegen die Coronakrise vorgehen? Das Handelsblatt blickt tief in die Bilanzen der 120 größten Unternehmen. Eine Analyse.

  • Zehn Unternehmen im Bilanz-Stresstest des Handelsblatts fallen besonders ins Auge. Sie weisen eine niedrige Eigenkapitalquote auf – was in Krisenzeiten schwierig ist. Wie gehen die Konzerne mit der aktuellen Situation um?

  • Mittelständler sind die Basis der deutschen Wirtschaft – und vorbildlich mit Eigenkapital ausgestattet. Aber die Krise drängt sie an den Rand des Abgrunds.

  • Die Bundesregierung will betroffene Firmen mit Krediten unterstützen. Aber wann und wem hilft der Staat wirklich? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

  • „Die Liquidität ist schneller weg, als wir gucken können“, sagt auch die ehemalige Finanzvorständin der Lufthansa und Multi-Aufsichtsrätin, Simone Menne, im Interview mit dem Handelsblatt. Sie zeigt auf, wo jetzt neue Chancen liegen.

BMW, Daimler und Volkswagen stellen große Teile ihrer Autoproduktion ein. Der weltgrößte Touristikkonzern Tui schickt keine Urlauber mehr in die Ferien. Die Lufthansa fliegt nur noch fünf Prozent ihres Programms.

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Noch vor wenigen Wochen undenkbare Nachrichten gehören fast zum Alltag. Die Bekämpfung der Lungenkrankheit Covid-19 löst in der Wirtschaft einen Angebots- und Nachfrageschock aus: Unternehmen produzieren nicht mehr, Verbraucher bleiben zu Hause.

„Der Vergleich mit einer Naturkatastrophe ist auf jeden Fall angemessen“, meint der Chefvolkswirt der Dekabank, Ulrich Kater, „mit dem Unterschied, dass wir es bei Corona mit einer weltweiten Situation zu tun haben.“

In den Unternehmen folgt Krisensitzung auf Krisensitzung. Woher kann man Kapital bekommen? Wo kann wie gespart werden? Welche Lieferanten sind wie liquide? „Jedes Unternehmen macht eine Worst-Case-Betrachtung“, berichtet Simone Menne, ehemalige Finanzvorständin für Lufthansa, die in Aufsichtsräten etwa von BMW, Deutscher Post und Johnson Control sitzt. „Das heißt, man kalkuliert je nach Branche eine bestimmte Anzahl von Monaten ohne einen Cent Umsatz und ohne neue Kredite.“

Das Handelsblatt unterzog alle knapp 120 Unternehmen in den Börsensegmenten Dax, MDax, SDax und TecDax einem Bilanz-Stresstest, um Schulden, Eigenkapital und Cashflow zu vergleichen und in Relation zu setzen. Entscheidend ist darüber hinaus die Profitabilität, wie viel vom Umsatz als Gewinn übrig bleibt. Das drückt die Umsatzrendite aus.

Ganz wichtig ist der Cashflow, also der Überschuss aus den Zahlungsmitteln, der die laufenden Einnahmen und Ausgaben gegenüberstellt. Denn noch mehr als in herkömmlichen Zeiten gilt in der jetzigen Krise nach Einschätzung des Bilanzexperten Kai Lehmann vom Vermögensverwalter Flossbach von Storch die „einfache Handelsmaxime: Cash is king!“

Das erste Ergebnis lautet: Die niedrigen Zinsen haben die Unternehmen sorglos gemacht. Binnen zehn Jahren haben die untersuchten größten börsennotierten Unternehmen ihre Gesamtfinanzverbindlichkeiten um gut 400 Milliarden auf knapp 850 Milliarden Euro erhöht. Das ist nach Handelsblatt-Berechnungen so viel wie noch nie.

Je einfacher die Unternehmen an immer billigeres Geld gekommen sind, desto geringer wurde ihre Spardisziplin – und umso größer ihre Lust am Risiko. Umgekehrt wäre besser: „Hat ein Unternehmen wenig Schulden“, sagt Lehmann, „so ist auch die Zinslast gering, und es bleibt mehr Luft, um operative Ausgaben stemmen zu können.“

Einer großen Anzahl solide finanzierter Unternehmen steht eine ganze Reihe mäßig bis schwach und unzureichend mit Kapital ausgestatteter Firmen gegenüber. Im Fokus steht die Eigenkapitalquote. Dabei geht es darum, wie hoch der Anteil des Eigenkapitals am Gesamtkapital ist. Je höher die Zahl, desto besser ist die finanzielle Stabilität und damit Unabhängigkeit gegenüber Banken und Anleihegläubigern.

Solide finanzierte Unternehmen wie Adidas, Merck oder Heidelberg Cement haben eine Eigenkapitalquote von mehr als 30 Prozent. Weniger als 20 Prozent – das trifft für zehn Unternehmen zu – gelten als kritisch. Erfreulich: 32 Unternehmen haben gemessen an ihrer Bilanzsumme mehr als die Hälfte an Eigenkapital. Schon das gilt als sehr solide und ausreichend finanziert, um Einbrüche auf der Einnahmeseite zu überstehen.

Sechs Unternehmen haben sogar eine Quote von über 75 Prozent. Auf die höchsten Eigenkapitalquoten kommen der Biotechnologiespezialist Morphosys, das Elektronikunternehmen Aixtron und die Internet-Start-up-Beteiligungsgesellschaft Rocket Internet mit jeweils mehr als 80 Prozent.

Mit einer Eigenkapitalquote von nur 20 Prozent ist die Lufthansa dagegen schwach finanziert. Das gilt erst recht in Zeiten wie jetzt, in denen 80 Prozent der europäischen und 90 Prozent der interkontinentalen Flüge gestrichen sind. Doch die Lufthansa hat sofort reagiert und ihre liquiden Mittel gegenüber dem Vorquartal von 3,7 auf 4,3 Milliarden Euro erhöht. Zudem verfügt der Konzern nach eigenen Angaben über ungenutzte Kreditlinien von 800 Millionen Euro.

Vorsorglich spricht Europas größte Fluggesellschaft mit der Regierung über Staatshilfen. Die Aussichten sind gut, denn die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD will den von der Coronakrise betroffenen Unternehmen helfen.

Über einen drastisch erhöhten Garantierahmen bei der Staatsbank KfW könnte eine halbe Billion Euro zur Verfügung gestellt werden, so Wirtschaftsminister Peter Altmaier. „Es gibt keine Grenze nach oben bei der Kreditsumme“, ergänzte Finanzminister Olaf Scholz, „wir haben gesagt, das soll unbegrenzt sein.“

Ein Drei-Stufen-Plan soll helfen: angefangen bei Bürgschaften und KfW-Krediten gegen kurzfristige Liquiditätsprobleme. So hat allein die Förderbank von Nordrhein-Westfalen, die NRW-Bank, bereits über 1000 Anfragen von Unternehmen erhalten, darunter Messebauer, Gastronomiebetriebe, Veranstaltungsfirmen und Reisebüros.

Verschärfen sich die wirtschaftlichen Folgen, erwägt die Regierung Konjunkturprogramme bis hin zu vorübergehenden Staatsbeteiligungen an strategisch wichtigen Unternehmen. Bei aller Hilfsbereitschaft ergeben sich viele Fragen und Probleme für Bittsteller.

Die Unternehmen müssen im Prinzip nicht um ihre Existenz fürchten. Die Bilanzen geben Aufschluss darüber, wer womöglich in naher Zukunft auf Hilfen und Kredite angewiesen sein könnte. Beispiel Airbus: Das europäische Gemeinschaftsunternehmen erreichte im abgelaufenen Quartal nur eine Eigenkapitalquote von fünf Prozent – und ist damit unterfinanziert.

„Es wird 2020 weniger Aufträge geben“, sagte Airbus-Chef Guillaume Faury vor dem französischen Senat. Im Februar gingen beim Flugzeugbauer gar keine neuen Bestellungen ein. Verschärft sich die Krise, dürften die Europäer ihrem Prestigeobjekt finanziell helfen.

Gut vorbereitet gehen die vielen kleinen und mittelgroßen Firmen abseits der Börse in den Abschwung. Das belegen dem Handelsblatt vorliegende Berechnungen des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV).

Diese basieren auf Auswertungen von Daten aus mehreren Hunderttausend Firmenbilanzen, die 50 Prozent der gesamten Unternehmensumsätze in Deutschland abbilden und damit gesamtwirtschaftliche Aussagekraft haben. Danach sind die Umsätze in dem Jahrzehnt seit dem letzten großen Krisenjahr 2009 um gut 50, die Gewinne sogar um über 100 Prozent gestiegen.

Die Unternehmen nutzten die Boomjahre, um ihre finanziellen Polster aufzubessern. Beleg dafür ist die Eigenkapitalquote, die mit durchschnittlich knapp 39 Prozent auf Rekordniveau liegt. Im Jahr vor der Finanzkrise 2008 waren es gut vier Prozentpunkte weniger. So erhöhte der Autozulieferer Elring-Klinger seine Eigenkapitalquote von 36 Prozent (2008) auf 41 Prozent im abgelaufenen Geschäftsjahr. Die Verschuldung sank von 124 auf nur noch vier Millionen Euro.

Das verschafft Luft in der schweren Krise der Zulieferindustrie. Der familiengeführte Produzent von Schmierstoffen Fuchs Petrolub steigerte sein ohnehin schon hohes Eigenkapital noch einmal kräftig: Die Quote stieg von 45 auf 77 Prozent. Binnen zehn Jahren stieg der operative Gewinn vor Steuern und nach Zinsen um 135 Prozent auf 382 Millionen Euro. Die Verschuldung sank von 124 auf nur noch vier Millionen Euro.

Es gibt auch Gewinner

Keine Sorgen braucht sich zu machen, wer genügend Reserven hat, viel Eigenkapital und möglichst keine Schulden angehäuft hat. So wie der Markenhersteller Beiersdorf. Die Hamburger sind fein raus, ihre Produkte wie Nivea, Tesa und Labello sind relativ krisenunabhängig.

Auch der Bonner Telekomriese steht gut da. Zwar ist die Deutsche Telekom aufgrund von immensen Investitionen in neue Technologien und Ausgaben für die Kundenakquise hochverschuldet. Die Netto-Finanzverbindlichkeiten erhöhten sich 2019 binnen eines Jahres von 55,4 auf 76 Milliarden Euro. Auch liegt die Eigenkapitalquote nur noch bei knapp 19 Prozent.

Um wenigstens einen Teil der Schulden zu tilgen und künftige Investitionen zu stemmen, senkt der Konzern trotz des hohen Cashflows von zehn Milliarden Euro im abgelaufenen Geschäftsjahr die Dividende. Das zeugt von finanzieller Weitsicht.

Einnahmeverluste infolge der Krise braucht die Telekom nicht zu fürchten. Im Gegenteil: Weil mehr Menschen zu Hause bleiben und arbeiten, steigt der Bedarf an kostenpflichtigen Internetangeboten.

Auch Teamviewer ist in einer komfortablen Lage – trotz seiner schlechten Eigenkapitalquote von nur zehn Prozent. Der Börsenneuling und Spezialist für Dienste rund ums Homeoffice registriert seit Wochen mehr Nachfrage für seine Software für Fernwartung, Dateitransfer und Videokonferenzen. Die Zahl der Verbindungen in China hat sich seit dem Ausbruch des Coronavirus verdreifacht.

Doch solche „Unantastbaren“ sind eher die Ausnahme als die Regel. Angeschlagen ist Ceconomy, bekannt unter dem alten Namen Mediasaturn. Gleich drei Kennzahlen mahnen zur Vorsicht. Mit einer Eigenkapitalquote von 9,4 im abgelaufenen Quartal ist die Firma finanziell schwach ausgestattet.

Mit jedem Euro Umsatz erzielte Ceconomy im vergangenen Jahr nur einen Vorsteuergewinn von 1,1 Cent. Obendrein bräuchte die Firma 82 Jahre, um aus ihrem Cashflow ihre Schulden zu tilgen. Das ist lange. Schon mehr als 15 Jahre gelten als viel.

Die Kennzahl errechnet sich aus den gesamten Verbindlichkeiten abzüglich des Bargelds und kurzfristiger Wertpapiere im Verhältnis zum Cashflow. Je kleiner die Zahl, desto schneller kann eine Firma ihre Schulden aus selbst erwirtschafteten Erträgen tilgen.

Auch auf dem Gesundheitsspezialisten Fresenius lastet nach milliardenschweren Übernahmen in den vergangenen Jahren eine Gesamtverschuldung in Höhe von 27 Milliarden Euro. Dem stand im abgelaufenen Geschäftsjahr ein Gewinn von 7,1 Milliarden Euro vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen gegenüber. Die Schulden übersteigen den Gewinn also fast um das Vierfache.

Abgesehen von wenigen Ausnahmen wie dem Halbleiterspezialisten Infineon und dem so gut wie schuldenfreien Markenkonzern Beiersdorf, der von der Familie Herz geführt wird, haben fast alle Dax-Konzerne mehr Schulden aufgehäuft, als sie im vergangenen Jahr vor Abzug der Kosten verdienten.

Am schlechtesten präsentiert sich unter allen untersuchten Unternehmen Thyssen-Krupp mit einer Eigenkapitalquote von nur 4,8 Prozent und einer negativen Umsatzrendite von 0,2 Prozent. Mit jedem Euro Umsatz verbrannte der Mischkonzern im abgelaufenen Jahr also zwei Cent.

Um seine Gesamtverbindlichkeiten mithilfe des 2019 erwirtschafteten Cashflows abzubezahlen, bräuchte Thyssen-Krupp 417 Jahre. Kein anderes Unternehmen hat eine höhere Schuldentilgungsdauer – abgesehen von den wenigen Unternehmen wie Heidelberger Druckmaschinen, die zuletzt gar keinen Cashflow erzielten.

Thyssen-Krupp ist schon lange in einer kritischen Finanzsituation. Um sich aus ihr zu befreien, hat der Mischkonzern für 17,2 Milliarden Euro seine Aufzugssparte verkauft. Ein guter Preis, wie Experten einhellig hervorheben. Allerdings verliert der Traditionskonzern damit seine Ertragsperle und ist noch stärker auf das schwierige und in der Vergangenheit oft verlustreiche Stahlgeschäft angewiesen.

So wie Thyssen-Krupp bereiten sich fast alle Unternehmen schon über einen langen Zeitraum auf die Krise vor – allerdings auf die Krise vor Corona. Um auf die seit 2018 schwächelnde Weltwirtschaft zu reagieren, haben allein die Vorstände der 30 Dax-Konzerne im Herbst und Winter 2018/19 Effizienzprogramme aufgelegt. Sie wollen mithilfe von Fluktuation, Vorruhestandsregelungen und Abfindungen 100.000 Stellen abbauen.

Hinzu kommen Sparprogramme, mit denen die Unternehmen ihre Gewinne künftig Jahr für Jahr um zusammengerechnet 20 Milliarden Euro verbessern wollen. Das entspricht fast einem Drittel des gesamten Nettogewinns im abgelaufenen Geschäftsjahr. So streicht Bayer weltweit 12 000 Stellen, das sind zehn Prozent der Belegschaft, um 2,6 Milliarden Euro jährlich einzusparen.

Volkswagen will bis 2020 die Kosten um drei Milliarden und bis 2022 um weitere drei Milliarden Euro drücken. Bei Heidelberg Cement reiht sich – gemäß der Devise von Vorstandschef Bernd Scheifele „Zehn Prozent gehen immer“ – schon lange ein Sparprogramm an das nächste – egal, ob gerade Krise ist oder nicht.

Ein Jahr später ist klar, dass die Entscheidungen richtig und vor allem weitsichtig waren. Denn inzwischen schwächelt die Weltwirtschaft nicht mehr, sie befindet sich in einer Schockstarre.

Umso wertvoller sind Sparprogramme. Sie beginnen erst jetzt ihre Wirkung zu entfalten und tragen in den künftigen Firmenbilanzen zur Entspannung bei. Genügend Eigenkapital infolge größerer Sparanstrengungen und verringerte Ausgaben sind dafür die beste Voraussetzung.
Autor: Ulf Sommer

Thyssen-Krupp

Der Industriekonzern aus Essen ist wohl so krisenerprobt wie kein anderes deutsches Unternehmen. Schon lange vor dem Strukturwandel in der Autoindustrie, vor den globalen Handelskonflikten und vor der Coronapandemie steckte Thyssen-Krupp in tiefen finanziellen Schwierigkeiten. Frühere Manager hatten mit dem Bau von Stahlwerken in den USA und Brasilien vor vielen Jahren mehr als acht Milliarden Euro versenkt.

An der dadurch entstandenen Notlage hat sich bis heute nichts geändert. Mit Nettofinanzschulden von zuletzt mehr als sieben Milliarden Euro ist der Ruhrkonzern immer noch maßlos überschuldet. Baldige Besserung ist allerdings in Sicht: Mit dem avisierten Verkauf der Aufzugsparte für rund 17,2 Milliarden Euro an ein Konsortium der Finanzinvestoren Advent, Cinven und der RAG-Stiftung steht Thyssen-Krupp ein Kapitalzufluss bevor, mit dem sich die Coronakrise wohl problemlos überstehen lässt.

Geschäftlich ist der Stahlhersteller gleich auf mehreren Ebenen negativ von der Pandemie betroffen, etwa durch die ausbleibende Nachfrage in der Autoindustrie, nachdem die meisten Hersteller ihre Produktion eingestellt haben. Auch lassen sich Anlagen wie der Hochofen oder die Kokerei nicht einfach abschalten, sondern müssen auch ohne entsprechenden Absatz teils kontinuierlich in Betrieb bleiben.

Doch wenn das Geld aus dem Verkauf der Aufzugsparte wohl spätestens im Juni eintrifft, ist Thyssen-Krupp bilanziell saniert: Mit dem Erlös will Vorstandschefin Martina Merz die Pensionslast von zuletzt knapp neun Milliarden Euro weitgehend decken. Zudem sollen die Nettofinanzschulden spürbar gesenkt werden. Was übrig bleibt, soll in die restlichen Sparten investiert werden – allen voran beim Stahl, der das neue Kerngeschäft bildet.

An dieser Stelle könnte sich die Coronakrise für Thyssen-Krupp dann aber doch zum Problem entwickeln. Denn nach der Ausfinanzierung der Verpflichtungen bleibt ohnehin nicht mehr viel Geld übrig, um es in die Weiterentwicklung der verbleibenden Geschäfte zu investieren. Fließt nun mehr Kapital ab als vor dem Verkauf veranschlagt, könnten die Reserven nicht mehr ausreichen, um alle nötigen Pläne für die Neuausrichtung zu finanzieren.

Um die Auswirkungen der Pandemie abzufedern, liebäugelt der Vorstand mit Kurzarbeitergeld. So erklärte das Führungsteam um Merz am Mittwoch in einem Mitarbeiterbrief: „Sollte es zu massiven Rückgängen bei den Kundenabrufen kommen und unsere Auftragslage sich erheblich verschlechtern, lässt sich Kurzarbeit nicht ausschließen.“

Personalvorstand Oliver Burkhard sagte: „Wir wollen möglichst viele Beschäftigte in Arbeit halten, selbst wenn sie uns in Teilen ausgeht. Dazu werden wir alle Mittel nutzen, auch das Kurzarbeitergeld.“

Besonders bitter: Gerade die Aufzugsparte gilt als konjunkturresistent. Zwar geht das Neugeschäft in Krisenzeiten wie auch in vielen anderen Industrien zurück – dafür bleibt aber das Servicegeschäft meist stabil, weil die bereits installierten Aufzüge selbst in Zeiten von Corona gewartet und repariert werden müssen. Der finnische Rivale Kone etwa hat jüngst seine bisherige Jahresprognose bestätigt – und angekündigt, seine Produktion in China nun auszuweiten.
Autor: Kevin Knitterscheidt

Metro/Ceconomy

Metro-Chef Olaf Koch kämpft im Grunde seit seinem Amtsantritt 2012 mit der finanziellen Stabilität des Unternehmens. Sein Vorgänger Eckhard Cordes hatte ihm einen hochverschuldeten Konzern hinterlassen.

So war es jahrelang Kochs wichtigste Mission, das Portfolio zu bereinigen, um wieder Spielraum zu bekommen. Er verkaufte beispielsweise das Auslandsgeschäft von Real und die Warenhaustocher Kaufhof. Um rund fünf Milliarden Euro reduzierte er die Nettoverschuldung.

Doch auch heute noch drücken den Großhändler fast drei Milliarden Euro Schulden. Zwar sind Vereinbarungen über den Verkauf des Chinageschäfts und der Tochter Real getroffen worden, was zusammen rund 1,5 Milliarden Euro in die Kasse bringen soll. Von diesem Geld will Koch aber auch einiges in Übernahmen ins Kerngeschäft Großhandel investieren – was wichtig ist, um das Geschäft zukunftssicher zu machen.

Es dürfte daher wenig Spielraum für eine weitere Verbesserung der Eigenkapitalquote geben, die Koch immerhin in den vergangenen fünf Jahren von 4,8 auf zuletzt 13,2 Prozent gesteigert hat.

Hinzu kommt: Es ist derzeit nicht absehbar, wie groß die Belastung durch die Coronakrise für die Metro ist. Im Moment verdecken noch die Hamsterkäufe die Effekte. Allerdings haben viele Großkunden von Metro, wie Caterer, Restaurants oder Großküchen, weitgehend ihren Betrieb eingestellt – in Deutschland und auch in wichtigen Märkten wie Italien oder Frankreich. Aus diesem Grund dürften die Umsatzeinbußen deutlich sein. Bislang konnte Metro sich zu einer Rücknahme der Prognose jedoch nicht durchringen.

Die ehemalige Konzernschwester Ceconomy, die 2017 von der Metro abgespalten wurde, ist da schon einen Schritt weiter. Das Management hat am Mittwoch dieser Woche die Prognose komplett kassiert und wagte keinen neuen Ausblick. Ihre Märkte der Ketten Saturn und Media Markt sind in Österreich, der Schweiz, Belgien, Italien, Spanien, Polen, Luxemburg und jetzt auch in Deutschland vorübergehend geschlossen.

Die ohnehin schwache Ertragslage wird dadurch weiter belastet. Vermehrte Onlineverkäufe können das nicht kompensieren.

Um wieder Luft zum Atmen zu bekommen, befindet sich der Konzern gerade in einer grundsätzlichen Restrukturierung. Zweimal in kurzer Zeit wechselte der Konzernchef, 600 Stellen wurden abgebaut, die Managementstrukturen verschlankt, viele Prozesse zentralisiert.

Doch allzu viel finanziellen Spielraum, um eine weitere externe Krise abzufedern, hat Ceconomy nicht. Zwar blieb bei der Abspaltung der größte Teil der Konzernschulden 2017 bei der Metro. Doch die Eigenkapitalquote von gerade mal 9,4 Prozent spricht nicht gerade für eine ausgeprägte finanzielle Stabilität.

Da kommt es dem Management wahrscheinlich gar nicht mal so ungelegen, dass wegen der Ansteckungsgefahr durch das Coronavirus der für den 26. März geplante Capital Markets Day abgesagt wurde. Doch die unangenehmen Fragen sind nur aufgeschoben – bis spätestens dann, wenn klarer wird, wie stark der Umsatz durch die Marktschließungen weggebrochen ist.
Autor: Florian Kolf

Heidelberger Druck

Noch im vergangenen Geschäftsjahr stand an dieser Stelle ein Wert von 17,1 Prozent. Als Eigenkapitalquote für ein Maschinenbauunternehmen war das schon nicht gerade gut. Doch im aktuellen Fiskaljahr, das bis Ende des Monats geht, wird der Wert wohl gar einstellig werden. Das hat Marcus A. Wassenberg am Donnerstag in einer Telefonkonferenz eingeräumt.

„Das ist nicht schön, aber auch nicht existenzbedrohend“, versicherte er. Die Maßnahmen, die man eingeleitet habe, würden dazu beitragen, die Quote in den nächsten Monaten und Jahren wieder deutlich steigen zu lassen.

Der traditionsreiche Hersteller von Druckmaschinen steckt in der sicher tiefsten Krise seiner Geschichte. Und das nicht nur wegen Corona. Schon vor dem Ausbruch der neuartigen Lungenkrankheit lief es immer schlechter beim Maschinenbauer. Zum einen hat eine massive Konsolidierung aufseiten der Druckbetriebe stattgefunden.

Dadurch sind die Maschinen besser ausgelastet, es werden weniger neue Druckwerke benötigt. Zum anderen geht das Druckvolumen in vielen Märkten seit Jahren zurück. Ausnahmen gibt es zwar – wie etwa den Verpackungsdruck. Aber das reicht nicht.

Deshalb schrumpft Heideldruck seit vielen Jahren. Was die Manager früherer Jahre dagegen unternahmen, war nicht konsequent genug. Hinzu kamen jahrelange Machtkämpfe im Vorstand sowie im Aufsichtsrat, die wichtige Entscheidungen verhinderten.

Bis heute sei die Administration zu groß für den mittlerweile geschrumpften Betrieb, analysiert CEO Rainer Hundsdörfer: „Wir haben noch ineffiziente Entscheidungsstrukturen.“ Deshalb setzt das Management nun noch einmal den Rotstift an.

Einerseits sollen 2000 Stellen abgebaut werden. „Wir schließen aber auch die Schließung einzelner Betriebsstätten nicht aus“, macht CFO Wassenberg deutlich. „Das Prinzip Hoffnung wird bei Heidelberger Druck abgeschafft. Diese Maßnahmen werden konsequent umgesetzt, und sie werden auch erfolgreich sein.“

Andererseits soll die Bilanz zukunftsfest gemacht werden. Dazu greift man auf einen ungewöhnlichen Kniff zurück: Man holt sich Liquiditätsreserven in Höhe von rund 375 Millionen Euro aus dem Treuhandvermögen des im Jahr 2005 gegründeten Heidelberg Pension-Trust zurück.

Das Geld sei damals in den Trust übertragen worden, um sich vor feindlichen Übernahmen zu schützen, es werde dort aber nicht zur Finanzierung der Pensionen gebraucht, erklärt Wassenberg: „Wir können die Verschuldungssituation deutlich adressieren und können damit weniger anfällig für konjunkturelle Schwankungen werden.“ Das sichere die finanzielle Unabhängigkeit.

Daneben will sich Heidelberger Druck von Bereichen trennen, die dem Unternehmen einen jährlichen Verlust von in Summe 50 Millionen Euro einbrockten. Das betrifft zum Beispiel die Produkte Primefire im Digitaldruck und das Großformat im Bogenoffsetdruck.

Die Coronakrise macht die Neuausrichtung nun allerdings nicht eben einfacher. Es gebe eine große Unsicherheit bei den Kunden, räumt Hundsdörfer ein. Dennoch glaubt er daran, dass Heideldruck mit der Fokussierung wieder eine Zukunft haben wird.
Autor: Jens Koenen

Daimler

Im Kreis der drei deutschen Autoriesen steht Daimler derzeit im Vergleich zu VW und BMW bilanziell am schlechtesten da. Der Grund: Hinter dem Stuttgarter Mercedes-Hersteller liegt ein Horrorjahr. Der Betriebsgewinn der Schwaben ist 2019 um mehr als 60 Prozent auf 4,3 Milliarden Euro eingebrochen.

Dabei hatte der Dax-Konzern ursprünglich ein Ebit-Ziel von 13,5 Milliarden Euro ausgerufen. Davon ist Daimler jedoch weit entfernt.

Schlimmer noch: Der Free Cashflow im Industriegeschäft hat sich mehr als halbiert – auf nur noch 1,4 Milliarden Euro. Die Nettoliquidität verringerte sich um 5,3 Milliarden, das Eigenkapital schrumpfte um 3,2 Milliarden auf 62,8 Milliarden Euro. Weil die Bilanzsumme parallel auf 302 Milliarden anstieg, sackte die Eigenkapitalquote von 22,2 auf 20,3 Prozent ab.

Die Rückstellungen schossen von 23 auf 30,7 Milliarden in die Höhe, und die Nettoverschuldung stieg um fast zwölf Prozent an. Schon vor dem Ausbruch des Coronavirus befand sich Daimler finanziell nicht in der besten Verfassung. Der Covid-19-Schock ist für die Stuttgarter daher ein besonderer Stresstest.

Intern rechnen viele bei Daimler damit, von der einen oder anderen Ratingagentur heruntergestuft zu werden, heißt es in Konzernkreisen. „Das Downgrade wird kommen“, sagt ein Manager mit Zahlenkenntnis.

Standard & Poor‘s hatte beispielsweise das Rating von Daimler schon im Dezember 2019 von „A“ auf „A-“ abgesenkt, den Ausblick auf negativ gesetzt und angekündigt, die Stuttgarter weiter herunterzustufen, sofern etwa die adjustierte operative Marge vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) absehbar unter acht Prozent fallen sollte.

Selbst nach einem Downgrade wäre das Rating von Daimler aber immer noch sehr solide. Überhaupt ist der Konzern trotz aller Belastungen weit besser aufgestellt, als einige Kennzahlen zunächst suggerieren. Ursächlich für den massiven Gewinneinbruch 2019 waren nämlich 6,7 Milliarden Euro an Sonderbelastungen, insbesondere bedingt durch den Dieselskandal. Derart hohe Abflüsse muss Daimler 2020 nicht fürchten.

Die Marke mit dem Stern betreibt zudem wie alle Autobauer eine große Bank zur Absatzfinanzierung und ist daher bilanziell ein Sonderfall. Schließlich wird im Finanzsektor generell mit deutlich mehr Fremdkapital gearbeitet als in der Realwirtschaft. Betrachtet man nur das Industriegeschäft von Daimler liegt die Eigenkapitalquote bei fast 37 Prozent – ein absolut solider Wert.

Mit elf Milliarden Euro Nettoliquidität hat der Konzern zudem genug Cash, um die Krise zu meistern, ohne sofort Staatshilfe beantragen zu müssen. „Es ist keineswegs so, dass die Kassen nach zwei bis drei Monaten leer wären“, konstatiert LBBW-Analyst Frank Biller. Ein so großer Konzern wie Daimler habe Spielraum, um unnötige Kapitalabflüsse zu vermeiden.

„Entwicklungsausgaben, Modernisierungen und Erweiterungsprojekte, die nicht zwangsweise sofort erfolgen müssen, sollten hinausgezögert werden“, empfiehlt Biller. Über Instrumente wie Produktionskürzungen, den Abbau von Arbeitszeitkonten und Kurzarbeit kann der Autobauer jetzt seine variablen Kosten vorübergehend stark reduzieren.

„Die Krise ist managebar“, sagt daher eine Führungskraft: „Wir haben genug Rücklagen.“
Autor: Franz Hubik

Leoni

Seine Mission bei Leoni hatte sich Aldo Kamper anders vorgestellt. Als er vor anderthalb Jahren von der Osram-Chiptochter OS Semiconductor zu dem fränkischen Autozulieferer kam, sollte er den Wachstumskurs fortsetzen und vor allem das Unternehmen technologisch fit machen für den Wandel zur Elektromobilität.

Doch gefragt war er plötzlich als Sanierer. Erst vor wenigen Tagen konnte Leoni sein akutes Liquiditätsproblem lösen. Ein sogenanntes S6-Gutachten bestätigte die Sanierungsfähigkeit. Nun muss sich zeigen, ob die Pläne auch Corona-krisenfest sind.

Die Probleme von Leoni sind zu einem guten Teil hausgemacht. Der Konzern war zu schnell gewachsen, der Anlauf eines neuen Werks in Mexiko misslang gründlich. In den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres sanken die Erlöse um fünf Prozent auf 3,7 Milliarden Euro.

Unter dem Strich stand ein Fehlbetrag von 264 Millionen Euro. Der Free Cashflow war mit einem Minus von 397 Millionen Euro ebenfalls negativ. Nun plant Kamper, die Kabelsparte abzuspalten und sich auf die Bordnetze zu konzentrieren.

Das Sanierungsgutachten geht davon aus, dass die Restrukturierung von Leoni auf der aktuellen Eigenkapitalbasis gelingen kann. Kapitalmaßnahmen dürften daher nach Einschätzung in Industriekreisen aktuell nicht anstehen.

Leoni hatte zuletzt vor allem ein Liquiditätsproblem. Der Konzern muss im März Schuldscheindarlehen über 170 Millionen Euro zurückzahlen, im Gesamtjahr sind es 195 Millionen Euro. Nun einigte man sich auf Maßnahmen zur Deckung des Liquiditätsbedarfs. Diese erhöhten die Liquidität um mindestens 200 Millionen Euro.

Das Paket sieht unter anderem eine Ausweitung der Factoring-Programme, Sale-and-Leaseback-Transaktionen von Vermögenswerten in Deutschland und China sowie die Umstrukturierung von bestehenden bilateralen Kreditlinien in eine neue Konsortialkreditlinie vor. Leoni verpflichtete sich, bis zur Rückzahlung der umstrukturierten Kreditlinien keine Dividende auszuschütten.

Es ist wichtig, dass Leoni seine Sanierungsfähigkeit noch rechtzeitig vor der Verschärfung der Coronakrise belegen konnte. Denn unter einen staatlichen Schutzschirm könnte Leoni womöglich nur schlüpfen, wenn die Probleme wirklich auf die Epidemie zurückzuführen sind. Diese wird auch Leoni zweifelsfrei treffen.

Wenn Autobauer wie Volkswagen und BMW Werke vorübergehend stilllegen, hat dies Folgen für die gesamte Kette. „Alle Zulieferer müssen sich in den nächsten Tagen sortieren und die Auswirkungen prüfen“, heißt es in Industriekreisen. Bislang hat Leoni keinen Antrag auf Staatshilfen gestellt.

Das Sanierungskonzept knüpft nun an das bereits in der Umsetzung befindliche Performance- und Strategieprogramm Value 21 an und geht teilweise darüber hinaus. Der Sparkurs wird also weitergehen. Ob ein Verkauf der Kabelsparte in der Coronakrise gelingt, ist offen. Er ist aber nicht Voraussetzung für die Sanierung.

Der Technologie- und Wachstumsexperte Kamper hat bei seiner schwierigen Mission zumindest Unterstützung bekommen. Der erfahrene Sanierer Hans-Joachim Ziems zieht als Chief Restructuring Officer in den Vorstand von Leoni ein.
Autor: Axel Höpner

Schaeffler

Beim Familienkonzern Schaeffler sind sie zweifelsohne krisenerprobt. Das könnte in den aktuellen Zeiten helfen. Einst hatte sich der Wälzlagerspezialist mit der Übernahme des deutlich größeren Conti-Konzerns verhoben. Wegen der Lehman-Pleite wurden den Herzogenaurachern im Jahr 2008 wesentlich mehr Continental-Aktien angeboten als geplant. Schaeffler stand mit dem Rücken zur Wand. Das Eigenkapital war zwischenzeitlich mehrere Milliarden Euro negativ.

Schaeffler meisterte die Krise, auch weil der heutige Vorstandschef Klaus Rosenfeld als Finanzvorstand die Verbindlichkeiten restrukturierte und den Schuldenberg abbaute. Die aktuell vergleichsweise schwache Eigenkapitalquote dürfte ihm daher nach Einschätzung in Industriekreisen aktuell keine ganz großen Sorgen bereiten.

Denn im Vergleich zu anderen ist Schaeffler derzeit operativ robust unterwegs. Im vergangenen Geschäftsjahr stagnierte der Umsatz bei 14,4 Milliarden Euro. Mit einer operativen Umsatzrendite vor Sondereffekten von 8,1 Prozent gehört Schaeffler noch immer zu den profitableren Autozulieferern. Der Jahresüberschuss halbierte sich auf 428 Millionen Euro, was auch an den Kosten für ein weiteres Stellenabbauprogramm lag.

Im Umfeld von Schaeffler fühlt man sich auch für die großen Herausforderungen durch die Coronakrise gerüstet. Das Unternehmen hat keinen hohen Goodwill in den Büchern. Zudem ist die Verschuldung inzwischen auf ein akzeptables Maß gesunken.

Ende 2019 betrugen die Nettofinanzschulden 2,5 Milliarden Euro. Das Verhältnis von Nettofinanzschulden zu Eigenkapital lag Ende des Jahres bei 86,6 Prozent. Kapitalmaßnahmen dürften nach Einschätzung in Industriekreisen nicht notwendig sein und sind auch nicht geplant.

Zuversichtlich sind sie bei Schaeffler vor allem wegen der guten Cashflow-Entwicklung. Der Free Cashflow (vor Ein- und Auszahlungen für M- & -A-Aktivitäten) legte im vergangenen Jahr von 384 auf 473 Millionen Euro zu. Damit lag er über der Prognose von 350 bis 400 Millionen Euro. Finanzvorstand Dietmar Heinrich führte das unter anderem auf ein effizientes Vorratsmanagement zurück.

Doch werden die Zeiten auch für Schaeffler deutlich schwerer. Rosenfeld hat in den vergangenen Jahren schon ein Effizienzprogramm nach dem anderen aufgelegt. Allein im vergangenen Jahr sank die Zahl der Mitarbeiter im In- und Ausland durch Stellenabbau und den Verkauf von Werken um mehr als fünf Prozent auf 87.748 Beschäftigte.

Bei der Vorlage der Bilanz kündigte Rosenfeld ein weiteres Stellenabbauprogramm an. Bis zu 1300 Stellen könnten noch einmal wegfallen. Den Beschäftigten werden im Rahmen des Freiwilligen-Programms Abfindungen angeboten, betriebsbedingte Kündigungen gab es bei Schaeffler bislang nicht.

Bei der Prognose für das laufende Jahr hatte Rosenfeld die Coronakrise schon so weit wie möglich berücksichtigt. Beim Umsatz erwartet er einen Rückgang um bis zu zwei Prozent, die operative Umsatzrendite (Ebit) vor Sondereffekten soll bei 6,5 bis 7,5 Prozent liegen. Rosenfeld nannte diese Vorhersage vorsichtig. Allerdings haben sich die Perspektiven seither mit den angekündigten Werksschließungen bei den Autobauern weiter verdüstert.
Autor: Axel Höpner

VW

In den deutschen und den restlichen europäischen Werken von Volkswagen ruht von diesem Freitag an die Produktion. Zwei Wochen soll der Fertigungsstopp zunächst dauern. Finanzvorstand Frank Witter will das Jahr trotzdem „noch nicht verloren geben“, wie er am Dienstag auf der Bilanzpressekonferenz des Konzerns sagte.

Entscheidend wird sein, wie lange die Produktionspause am Ende tatsächlich dauern wird. Außerdem müssen auch die Kunden zurück in die Autohäuser kommen. Kaum jemand in der aktuellen Situation denkt daran, ein neues Auto zu kaufen.

Frank Schwope, Automobilanalyst der NordLB in Hannover, kalkuliert mit einem Produktionsausfall zwischen vier und sechs Wochen. Volkswagen dürfte dadurch zehn bis 20 Prozent seiner Produktion verlieren und erstmals wieder weniger als zehn Millionen Fahrzeuge in einem Kalenderjahr verkaufen. Der operative Gewinn könnte unter die Marke von zehn Milliarden Euro fallen. Im Jahr 2019 waren es fast 17 Milliarden Euro.

„Das ist für Volkswagen verkraftbar“, meint Schwope. 2016 lag Volkswagen das letzte Mal unter der Zehn-Milliarden-Grenze – auf dem Höhepunkt der Dieselaffäre. Damals stand ein operativer Gewinn von 7,1 Milliarden Euro in den Büchern.

Bilanztechnisch steht Volkswagen zumindest im Branchenvergleich recht solide da. Die Eigenkapitalquote liegt aktuell bei 22,4 Prozent. Das ist erst einmal wenig. Doch ohne den Bereich Finanzdienstleistungen, der eher wie eine Bank bewertet wird, liegt die Eigenkapitalquote bei 37,6 Prozent.

Autoanalyst Schwope glaubt, dass die Restwerte bei Leasingautos stabil bleiben werden und dass der Konzern von dieser Seite keine Probleme bekommen sollte – weil der Nachfrageeinbruch nicht lange dauern werde. Auch in der für VW schwierigen Zeit der Dieselaffäre habe es keine Restwert-Probleme gegeben. Finanzvorstand Witter versichert, dass das Portfolio der Leasingfahrzeuge angemessen bewertet sei.

Volkswagen ist auch ordentlich mit Liquiditätsreserven ausgestattet. Zum Jahreswechsel betrug der Netto-Cashflow im Konzernbereich Automobile 10,8 Milliarden Euro, die Netto-Liquidität liegt insgesamt bei 21,3 Milliarden Euro. Damit könnte VW auch eine längere Durststrecke überstehen.

„Wir gucken wie die Adler auf unsere Liquidität“, sagte Finanzvorstand Witter in dieser Woche auf einer Analystenkonferenz. Im Vergleich zu früheren Jahren praktiziere VW beim Cashflow eine höhere Disziplin.

Volkswagen könnte sich in diesem Jahr auch noch auf anderen Wegen von finanziellen Bürden entlasten. Die Lkw-Tochter Traton will den US-Konkurrenten Navistar für rund drei Milliarden Euro übernehmen. In einer großen Notlage könnte der Konzern diesen Übernahmeplan aufgeben.

In diesem Jahr sollen auch die Kleinaktionäre der Töchter Audi AG und MAN SE über ein Squeeze-out abgefunden werden. Der Plan, beide Tochtergesellschaften von der Börse zu nehmen, ließe sich schnell auf das kommende Jahr verschieben.

Und dann gibt es noch die Dividende: Mehr als drei Milliarden Euro will VW in diesem Jahr für 2019 ausschütten. Wenn es hart auf hart käme und der Konzern Liquidität braucht, könnte auch die Dividendenzahlung ausgesetzt werden.
Autor: Stefan Menzel

Knorr-Bremse

Die Münchener Knorr-Bremse ist eines der am stärksten globalisierten Unternehmen der deutschen Wirtschaft. Als Weltmarktführer für Zug- und Lkw-Bremsen produziert der Konzern vor allem in den USA und China. Seit dem Herbst 2018 ist Knorr an der Börse, Hauptaktionär ist der Münchener Unternehmer Heinz Hermann Thiele.

Mit einer Eigenkapitalquote von nur 22,5 Prozent im abgelaufenen Quartal wirkt das Unternehmen auf den ersten Blick schwach kapitalisiert. Doch dieser Eindruck täuscht, denn der Wert ist im Zuge des Börsengangs 2018 um rund zehn Prozentpunkte gesenkt worden – ein übliches Manöver, um eine attraktivere Eigenkapitalrendite für Neuaktionäre zu schaffen.

Für die Investitionen hat man billigere Wege der Finanzierung, Knorr gilt als sehr guter Schuldner. Das Unternehmen wird bei Moodys (A2) und Standard and Poor‘s (A) im Investmentbereich geführt. Im Jahr des Börsengangs gab man einen Schuldschein in Höhe von 750 Millionen Euro zu 1,125 Prozent auf den Markt – Laufzeit bis 2025.

Tatsächlich ist Knorr-Bremse hochprofitabel. Nach vorläufigen Zahlen erzielte das Unternehmen 2019 eine Umsatzrendite von 19,2 Prozent (Ebitda), das ist ein Spitzenwert in der Branche. Noch Anfang März versprach der neue Vorstandschef Bernd Eulitz ein jährliches Umsatzwachstum von 4,5 bis 5,5 Prozent und eine Steigerung der Umsatzrendite auf über 20 Prozent.

Dieser Plan dürfte mit dem „Shutdown“ der europäischen Volkswirtschaften kaum noch zu halten sein, dennoch dürfte Knorr-Bremse besser durch die Krise kommen als viele andere Zulieferer.

Denn Knorr ist weder von einer Branche noch von einer Region abhängig. Der Umsatz von fast sieben Milliarden Euro verteilt sich je zur Hälfte auf die Bahn- und die Lkw-Sparte. In beiden Geschäftsbereichen sind die Münchener jeweils Weltmarktführer.

Im Schienenbereich bietet man Klimaanlagen und Elektronik für Hochgeschwindigkeitszüge und Nahverkehrsbahnen. Hier hängen die Aufträge an langfristigen Infrastrukturprojekten. Da Nahverkehrssysteme und Schnellzüge weltweit ausgebaut werden, wächst der Auftragsbestand kontinuierlich.

Das Lkw-Geschäft umfasst Brems- und Lenksysteme für Lastwagen und Anhänger. Hier gerieten die Aufträge bereits vor der Coronakrise unter Druck. Doch wie im Schienengeschäft lebt Knorr bei Lastwagen auch vom Ersatzteilgeschäft, das auch in Konjunkturkrisen stabilisierend wirkt.

Gefertigt wird jeweils vor Ort, in Europa, den USA und Asien. Das minimiert kurzfristig das Risiko von Lieferunterbrechungen in der Coronakrise. Mittel- und langfristig dürfte Knorr davon profitieren, eine Rezession in einem Wirtschaftsraum durch einen beginnenden Aufschwung in einer anderen Region kompensieren zu können. Ein Muster, das bereits in der Finanzkrise gut funktioniert hat, als das Unternehmen von den Infrastrukturprogrammen in China einen Wachstumsschub erfahren hat.

Insgesamt eine solide Aufstellung. Multimilliardär Thiele hält über die Familienholding weiter 70 Prozent der Anteile an seinem Lebenswerk. Eine unverschuldete Schieflage der Knorr-Bremse im Zuge der Krise könnte er jederzeit ausgleichen.
Autor: Markus Fasse

Lufthansa

Es gibt wohl kaum eine Branche, die so massiv von Corona betroffen ist wie die Luftfahrt. Mittlerweile haben fast alle Länder ihre Grenzen geschlossen. Das hat Folgen für die Bilanz: So schnell, wie die Erlösquellen wegbrechen, können die Kosten gar nicht gesenkt werden. Wichtige Liquidität fließt ab.

Das betrifft auch Lufthansa. Das Team um CEO Carsten Spohr hat deshalb in den zurückliegenden Wochen vorsorglich zusätzliche Mittel in Höhe von rund 600 Millionen Euro aufgenommen. Nach Angaben des Unternehmens verfügt die Gruppe damit nun über liquide Mittel von rund 4,3 Milliarden Euro. Dazu gesellen sich bislang ungenutzte Kreditlinien von rund 800 Millionen Euro.

Das heißt: Aktuell hat das Unternehmen ausreichend Geld, um über die Krise zu kommen. Da aber völlig unklar ist, wie lange das Geschäft am Boden liegen wird, kann sich das ändern. Bis wieder Normalität im Flugplan und damit auch auf der Erlösseite herrscht, wird es dauern. Es gilt, die Zeit bis dahin zu überbrücken. Und da ist nicht ausgeschlossen, dass irgendwann einmal Liquiditätshilfen benötigt werden.

Vorerst aber setzt Lufthansa auf andere Wege der Liquiditätssicherung. So will der Vorstand der Hauptversammlung vorschlagen, die Dividende für das Jahr 2019 zu streichen. Auch kann die eigene Flotte für die Aufnahme weiterer Mittel genutzt werden. 86 Prozent der Flugzeuge gehören der „Hansa“ selbst. Laut Unternehmensangaben sind davon wiederum 90 Prozent unbelastet, sie sind also nicht beliehen. Der entsprechende Buchwert belaufe sich auf rund zehn Milliarden Euro.

Unter dem Strich steht die „Hansa“ bilanziell damit besser da als andere etablierte Netzwerk-Airlines in Europa. Zuletzt lagen die Nettofinanzschulden – also die Finanzverbindlichkeiten abzüglich der Barmittel – deutlich unterhalb des Eigenkapitals.

Mit 64,8 Prozent liegt das sogenannte Gearing – das Verhältnis von Nettofinanzverschuldung zum Eigenkapital – zudem niedriger als bei Wettbewerbern wie IAG oder Air France-KLM. Das schafft grundsätzlich Spielraum für weitere Kreditaufnahmen.

Auch muss bei der Betrachtung der Eigenkapitalquote berücksichtigt werden, dass diese durch einen buchhalterischen Effekt negativ beeinflusst ist. Seit Anfang vergangenen Jahres greift der neue Bilanzierungsstandard IFRS 16. Leasingaufwendungen müssen demnach anders als früher erfasst werden – mit der Folge, dass der Verschuldungsgrad steigt und die Eigenkapitalquote sinkt.

Absolut gesehen hat Lufthansa das Eigenkapital im vergangenen Jahr um sieben Prozent auf 10,3 Milliarden Euro aufgestockt. Laut Geschäftsbericht belastete die neue Vorschrift IFRS 16 die Eigenkapitalquote rechnerisch mit 1,5 Prozentpunkten.

Bereinigt man diesen Effekt, ergibt sich für 2019 also eine Eigenkapitalquote von 25,5 Prozent, ein leichtes Plus gegenüber dem Vorjahr.

Dennoch machte Lufthansa-Finanzchef Ulrik Svensson bei der Präsentation der Geschäftszahlen für das Jahr 2019 keinen Hehl daraus, wie ernst die aktuelle Situation ist.

„Wir werden alles tun, um die Liquiditätsreserven zu schützen und hoch zu halten“, sagte er und verwies auf seine Zeit bei der Lufthansa-Tochter Swiss. Die Airline sei mit solchen Maßnahmen stärker als je zuvor aus der Finanzkrise 2008/2009 hervorgegangen.
Autor: Jens Koenen

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