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Corona: Schlecht für die Menschen, gut für das Klima?

Weil die Pandemie den Flugverkehr und große Teile der Industrie nahezu zum Erliegen bringt, gehen viele von einem positiven Klimaeffekt aus. Ganz so einfach ist es nicht.

Corona legt gerade die halbe Weltwirtschaft lahm: Kaum noch Flüge, tausende von Produktionen stehen still und Millionen von Menschen sind aufgerufen ihr Haus nicht zu verlassen. Was die Gesellschaft in eine der größten Krise der vergangenen Jahre stürzt, könnte das Klima im wahrsten Sinne des Wortes aufatmen lassen.

Allein in Deutschland könnte die Stromnachfrage aus der Industrie um bis zu 20 Prozent zurückgehen. Weil die Autoproduktionen und viele andere Fabriken mittlerweile ausgesetzt sind, rechnet die Energieberatung Enervis mit einer Einsparung zwischen 12 und 25 Millionen Tonnen CO2.

„Was wir jetzt sehen ist in der Intensität in dem kurzen Zeitraum schon ziemlich einmalig. Die Industrie ist immerhin der größte Stromverbraucher in der Bundesrepublik“, sagt Energie-Experte Mirko Schlossarczyk von Enervis im Gespräch mit dem Handelsblatt. Ähnliche Verschiebungen habe es zwar schon einmal zu Zeiten der Finanzkrise 2008 gegeben, „aber jetzt rechnen wir mit einem noch größeren Rückgang.“

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Das neuartige Coronavirus hat nicht nur einen Großteil der Weltbevölkerung, sondern auch die Wirtschaft fest im Griff. Volkswagen, BMW und Daimler haben ihre Produktionsstätten europaweit für mehrere Wochen stillgelegt, der Flugverkehr ist in Ländern wie China, Italien, Südkorea und auch Deutschland teilweise um bis zu 80 Prozent eingebrochen. Immer mehr Einreisesperren unzähliger Länder hindern Millionen von Menschen ohnehin daran, den geplanten Urlaub überhaupt erst anzutreten.

Stromverbrauch der Haushalte steigt

Ein Profiteur der Krise steht also jetzt schon fest: Das Klima. Sogar den Erneuerbaren Energien könnte Corona noch einmal Aufschwung verleihen. „Wir gehen davon aus, dass die Börsenstrompreise fallen werden, je nachdem um einen Euro bis 1,85 Euro pro Megawattstunde.

Das heißt die günstigsten Energieformen können ihren Vorteil dann noch ausbauen“, erklärt Schlossarczyk. Auch weil Kohlekraftwerke dann noch unwirtschaftlicher werden, als sie es ohnehin schon sind. Alles zusammengenommen - weniger Reisen, kaum Flüge und die geringere Mobilität im Verkehr, „gehe ich davon aus, dass wir in diesem Jahr auf jeden Fall einen niedrigeren Co2-Ausstoß haben.“

Gleichzeitig steigt der Stromverbrauch der Privathaushalte allerdings immens. Millionen von Menschen wissen sich in Zeiten von Ausgangssperren oft nicht mehr anders zu beschäftigen und streamen, zocken oder skypen was das Zeug hält. Ob Netflix, Amazon Prime, Fortnite oder Zoom – oft sind Serien, Spiele und das Internet allgemein eine der wenigen Ablenkungen, die jetzt noch bleiben. Schon beschweren sich unzählige Nutzer in den sozialen Netzwerken besonders in den Abendstunden über langsames Internet.

Und tatsächlich meldet der größte Netzknoten der Welt, DeCix in Frankfurt „ein wesentlich verändertes Nutzerverhalten“. Zehn Prozent mehr Datenverkehr als üblich stellt DeCix am Mittwoch fest. Der Verkehr durch Videokonferenzen sei binnen sieben Tagen um 50 Prozent gestiegen.

Stresstest für das Internet

In der Folge brechen Telefon- und Videokonferenzen, ohne die für viele aktuell eine Arbeit im Home Office nicht möglich ist, immer wieder zusammen. Microsoft Teams verzeichnete zum Wochenstart Service-Ausfälle, genauso wie zahlreiche Konkurrenten. Und auch das weltweit beliebteste Online-Spiel Fortnite ist überlastet: Weltweit konnten sich Spieler am Mittwoch erst gar nicht einwählen.

Zusätzlich zu dem Stresstest für das Datennetz bedeutet der digitale Ansturm vor allem eins: Co2-Emissionen. Laut dem Thinktank The Shift Project ist die Digitalbranche immerhin für knapp vier Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich – auch ohne Corona. Der zivile Luftverkehr erzeugt mit knapp über zwei Prozent weniger.

Das liegt an den energieintensiven Rechenzentren. Laut dem Harvard-Physiker Alex Wissner-Gross ist eine einzige Google-Suche für sieben Gramm CO2 verantwortlich. Google gibt an, dass die Bereitstellung von Google-Diensten wie Suche, Youtube und Co. für einen durchschnittlichen Nutzer pro Monat weniger Treibhausgasemissionen verursacht als die Fahrt mit einem PKW über eine Meile. Wenn man bedenkt, dass Google pro Tag 3,5 Milliarden Suchanfragen verarbeitet, kommt man aber trotzdem auf eine Menge klimaschädlicher Emissionen.

Noch schlimmer als Suchanfragen sind Streaming-Plattformen wie Amazon Prime oder Youtube, aber auch Videokonferenzen mit Skype und anderen Diensten. Der Londoner ThinkTank Saveon Energy rechnet vor wieviel Co2 unsere Netflix-Sucht verursacht.

Der Thriller Birdbox ist mit 80 Millionen Zuschauern die bislang erfolgreichste Netflix-Produktion. Den Film mit Sandra Bullock in der Hauptrolle 80 Millionen Mal in hochauflösender Qualität zu streamen, hat laut Saveon allerdings 66 Millionen Kilogramm Co2 produziert. Um dieselbe Menge Kohlendioxid mit dem Auto auszustoßen, müsste man 235 Millionen Kilometer weit fahren. Jeder Klick verursacht CO2.

„Es gibt natürlich diesen gegenläufigen Effekt“, muss auch Schlossarczyk zugeben. „Aber die reine Masse an Stromverbrauch in der deutschen Industrie ist viel zu hoch, als dass sich das gegenseitig aufhebt“, ist er überzeugt. Das Coronavirus könnte also wenigstens punktuell das Klima entlasten.

Häufig nur Momentaufnahmen

In China zumindest haben die Maßnahmen offenbar zu einem Rückgang der Luftverschmutzung geführt. Das geht aus zwei Satellitenbildern hervor, die die US-Raumfahrtbehörde NASA veröffentlichte. Auf den Satellitenbildern ist der vielerorts relativ hohe Stickstoffdioxid-Ausstoß (NO2) in China Anfang Januar zu sehen - und der deutlich geringere Ausstoß im Februar.

Aber auch das ist natürlich nur eine Momentaufnahme. Immer mehr Fabriken in China kurbeln ihre Produktion wieder an. Und auch in Europa wird die Industrie in ein paar Monaten zur Normalität zurückkehren. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) warnte schon davor die positiven Effekte auf das Klima zu überschätzen, genauso wie der Präsident des Umweltbundesamtes Dirk Messer. Schließlich sind die Emissionen nach der Krise wieder da.