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Corona-Reise-Ekel: Müssen Airlines und Bahn jetzt umbauen?

Saubere Hände schützen vor Infektionen. Aber im Flugzeug und im Flughafen, im ICE und am Bahnhof müssen wir dauernd Dinge anfassen. Schluss mit dieser unhygienischen Unbedarftheit aus – schon vor Corona – alten Zeiten.

Wir werden künftig weniger reisen – und anders, sagen Experten. Hoffentlich auch hygienischer. Und da können wir von anderen lernen. Wenn Sie schon einmal irgendwo in Südostasien an einem Flughafen waren, ist Ihnen ja vielleicht aufgefallen, was ich sehr beruhigend finde: Beim Toilettengang muss man nur ein einziges Mal etwas anfassen.

Eine massive Sichtschutzwand am Eingang zu den WCs verbirgt das Frischmach-Geschehen dahinter für das andere Geschlecht blickdicht. Ohne eine einzige Tür. Dann ab Richtung Kabine. Die Tür lässt sich von außen mit der Schulter aufschieben, weil moderne Kabinentüren keine Klinken mehr haben. Sie schwingen dank spezieller Scharniere von selbst zu. Innen allerdings lauert schon der Drehknopf. Dort haben viele vor Ihnen schon dran rumgefummelt und wenn man bedenkt in welchem Kontext, dann ist das einfach nicht schön.

Aber direkt neben der Tür hängt in der Kabine ja die Rettung: die Papierrolle. Zack, ein, zwei Blatt ab, Tür damit abschließen, Hose runter, nach gegebener Zeit wieder hoch, Wasserspülung mit dem Fußtaster oder mit Papier am Handknopf, Tür mit Papier öffnen, Papier in die Schüssel, ab zu den Waschbecken, Seife tröpfelt dank Sensorspender berührungslos in die Handfläche. Und das Handtuch aus Papier lässt sich in einem großen Loch im Waschtisch entsorgen.

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Unter den alternativen elektrischen Handtrocknern muss man zwar lang und ziemlich dämlich mit den nassen Händen herumfuchteln, bevor sie gnädiger Weise anfangen zu pusten. Aber mit dem Verlust dieser drei Sekunden Lebenszeit hat sich die Menschheit rund um den Globus ja schon längst abgefunden.

Letztendlich könnte man sich an Flughäfen und Bahnhöfen also ohne einen einzigen ekligen Kontakt mit einer womöglich kontaminierten Fläche frisch machen.

Das ist gut, denn auch ohne SARS-CoV2 ist alles andere unhygienisch. Grippe-Viren halten auf Oberflächen rund zwei Tage, Noroviren (also die, die fiesen Brechdurchfall auslösen) eine Woche. Rhinoviren (die Erkältungsviren) auch. Der Rotavirus (der Durchfalllieferant mit Zielgruppe Kinder) acht Wochen. Streptokokken (die Meister der fiebrigen Rachenentzündung) bis zu einem halben Jahr. Das hat die Wissenschaftsredaktion von „Quarks“ so zusammengetragen.

Und jetzt seien Sie bitte ganz, ganz stark, atmen Sie tief durch und denken Sie an einen deutschen Flughafen. Ja, ich weiß, das ist hart. Oder die DB-Lounge auf einem der großen Bahnhöfe. Ouu!

In beiden Fällen: überall Klinken, enge Türen, die sich nur widerspenstig aufwuchten lassen, wenn man sich mit dem Rollkoffer dagegen wirft. Die Räume sind mitunter so winzig, dass zwei Reisende kaum aneinander vorbeikommen. Dabei werden wir doch noch für lange Zeit diese zwei Meter Abstand halten müssen.

In der DB-Lounge im Berliner Hauptbahnhof werden eintretende Gäste auf einem Schild an der Tür dazu aufgerufen, diese langsam zu öffnen, damit sie derjenige, der sich dahinter gerade die Hände wäscht, nicht an den Kopf geballert bekommt. In der Bremer Lounge müssen alle Gäste an einer Tür zum WC einen Code eintippen. In der Lounge in Hannover und am Frankfurter Flughafen wurde mir schon mehrfach ein Toiletten-Schlüssel mit fettem Anhänger mitgegeben. Also ein Gegenstand, den sich Tausende vor und nach dem Toilettengang bildlich von Hand zu Hand reichen.

Dann gibt es überall an Deutschlands Reiseknotenpunkten – sei es an Bahnhöfen oder Flughäfen – immer noch diese ollen Seifenspender mit manuellen Pumphebeln. Und nach dem Händewaschen muss man direkt wieder die Klinken drücken, die auch diejenigen berühren, die sich nicht die Hände gewaschen haben.

Insgesamt sind das alles massenhaft Prozesse aus Zeiten vor der Spanischen Grippe. Wenn jemand Deutschland vorhalten will, das Land sei nicht mehr auf dem neuesten Stand, hier findet er jenseits des digitalen Desasters auf unappetitliche Weise Futter.

Und in den Flugzeugen und den Zügen geht es mit dem fummeligen Getatsche weiter. Im Flugzeug mit den Gepäckfächer-Verschlüssen, dem Bedienfeld für die Bordunterhaltung, der Gurtschnalle, den Verriegelungen der Klapptische, den Druckknöpfen für die Rückenlehnen. Im Zug schon vor dem Einsteigen der Knopf zum Öffnen der Tür. Den man mitunter ein Dutzend Mal drücken muss, weil man mangels einer LED-Leuchte nicht erkennen kann, wann der Lokführer sie freigeschaltet hat.

Es gibt bei halbwegs modernen Straßenbahnen bereits Näherungssensoren ohne Anfassen. Beim DB-Flaggschiff ICE nicht. Und nach diesem ersten Multigeklicker an der Tür sind Sie gerade erstmal eingestiegen.

Haben Sie schon einmal davon gehört, dass die Gurtschnalle im Flugzeug UNTER dem Schnappverschluss desinfiziert wird, also dort, wo wir alle drunter greifen?

Jaja, einfach regelmäßig die Hände waschen. Aber wie soll das unterwegs gehen? Gut, einer Thrombose in den Beinen würde es vorbeugen. Einsteigen, Gepäck verstauen, hinsetzen, Armlehne runter, aufstehen, ab zum Händewaschen, zurück an den Platz, hinsetzen. Achtung! Wer jetzt den Tisch vor sich runterlässt, darf danach mit dieser Hand nicht in die Kekspackung greifen, ohne sich vorher die Hände zu waschen. Und nicht ins Gesicht fassen. Und nicht auf die Tastatur des eigenen Laptops. Denken Sie daran: Streptokokken halten ein halbes Jahr auf Oberflächen durch. Und morgen sitzen Sie daheim mit einem Croissant vor dem Computer und snacken gemütlich Bakterien aus Lufthansa, Ryanair, Easyjet, Eurowings, Flixtrain oder dem ICE mit. Bin ich der Einzige, der sich bei dem Gedanken daran nach ein paar Spritzern Sterilium zum Runterkommen sehnt?

Und auch das Design der Waschräume in Flugzeug und Zügen ist nicht pandemiesicher. Da geht im ICE der Wasserhahn zu früh aus und man muss kurz vor fertig noch einmal auf die abgewetzte Taste drücken. Im Flugzeug kommt oft nur dann Wasser, wenn man wie alle mit der einen frisch gewaschenen Hand das Wasserventil geöffnet hält, während man sich die andere Hand abspült. Am Ende läuft das Wasser nur ab, wenn man den Abflussstopfen mit den Fingern hochdrückt.

Dann drückt man im Flugzeug das Papiertuch gegen einen Federmechanismus in das durch eine Klappe verschlossene Loch im Waschtisch und berührt dabei den Tisch und benutzte Tücher der Mitreisenden. Und wenn man fertig ist, sich neu zu verunreinigen, muss das Schiebeschloss mit der Hand geöffnet werden.

Oder man entriegelt die Tür erst, zerrt diese Faltschiebetür zu sich hin, hält sie mit dem Fuß auf und wäscht sich dann lang gestreckt die Hände. Da drohen blöde Blicke der Anderen und ein Hexenschuss.

Im ICE sind vor den Waschräumen immerhin meist Mülleimer angebracht, in die man das Tuch, mit dem man das Türschloss gedreht und die Türklinke berührt hat, entsorgen könnte. Allerdings sind die verschlossen durch Klappdeckel aus Metall. Immer wieder sehe ich, wie Leute diese in ihrer Not mit ihren Schuhspitzen hochschieben. Andere fassen danach dann mit den nackten Fingern dran. Und lecken sich später am Platz die Kekskrümel von den Kuppen.

So geht das nicht weiter. Und tatsächlich spüren die Hersteller offenbar schon den neuen Ekeltrend. Der ICE-Bauer Siemens etwa hat der WirtschaftsWoche erzählt, er biete berührungsfreie Schalter an – und auch Türklinken, die man mit dem Unterarm bedienen kann. Jetzt müssen die Bahnunternehmen solche Hygieneprodukte nur noch bestellen.

Bitte, liebe Lufthansa und liebe Deutsche Bahn. Geht voran als die Big Player und setzt Maßstäbe. Schluss mit diesem Plumpsklo-Ambiente und dem Getatsche unterwegs. Im ICE-Waschraum steht am Spiegel: „Ihre Mitreisenden möchten sich wohlfühlen. Sie auch?“ Ja. Und gesund bleiben.

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