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Corona-Profiteur Pinterest will im Werbemarkt angreifen

Der Bilderdienst verzeichnet in der Coronakrise kräftige Anstiege in der Nutzung. Deutschlandchef Philip Missler will daraus Kapital schlagen.

Ein soziales Netzwerk aus der zweiten Reihe profitiert überproportional von der Coronakrise: Der Bilderdienst Pinterest, seit 2019 an der Börse notiert, verzeichnet nicht nur beim Aktienkurs einen starken Aufwärtstrend, sondern meldet auch kräftige Zuwächse bei Nutzern und werbetreibenden Unternehmen auf der Plattform. In Deutschland bietet Pinterest seit 2019 Werbeplätze an – und zieht nun eine positive erste Bilanz.

„Wir sind im Markt mit offenen Armen aufgenommen worden“, sagt Philip Missler, seit 2019 Pinterest-Chef für Deutschland, Österreich, Schweiz und Skandinavien. „Die werbetreibenden Unternehmen haben offensichtlich nach einer positiven Alternative zu den großen Werbe-Plattformen gesucht.“ Damit setzt der Manager einen Seitenhieb auf die anhaltende Debatte über Fake News und Hasskommentare auf Facebook, Youtube & Co.

Die Mission ist klar: Pinterest will eine größere Rolle im Leben der Menschen spielen. Deutschlandchef Missler kündigt eine Reihe von Maßnahmen an, die noch mehr werbetreibende Unternehmen auf die Plattform ziehen sollen.

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Pinterest ist eine Plattform für Fotos, die 2010 von Ben Silbermann, Evan Sharp und Paul Sciarra gegründet wurde. Die Nutzer erstellen eigene virtuelle Pinnwände und heften dort Fotos an, die sie auf der Plattform finden. Das Ganze können sie nach Themen sortieren und auch für andere Nutzer zugänglich machen.

„Da ist oft noch keine Produktentscheidung gefallen, und Marken haben die Chance, in die engere Auswahl der Verbraucher zu kommen – wenn Menschen noch offen sind für Marken“, wirbt Missler.

Werben in der Nische

Noch agiert Pinterest eher in der Nische. „Der Fokus auf ästhetische Fotos und Produktsuche in den Umfeldern Interior Design, Mode oder Kochzutaten geht einher mit Nutzerzahlen, Umsatz und Gewinn, die meilenweit hinter Facebook oder Instagram rangieren“, meint Christian Bachem, Geschäftsführer der Beratung Markendienst.

Allerdings habe Pinterest das Potenzial, seine Nische künftig auszubauen und gewinnträchtiger zu gestalten, meint der Digitalexperte. „Zum einen, weil es nicht derart mit Werbung überfrachtet ist wie seine Wettbewerber. Zum anderen, weil einige seiner Features, anders als in den USA, hierzulande noch keine Rolle spielen.“

Dies zeige sich in einer für die Bewertung von Pinterest wesentlichen Kennzahl: Während der durchschnittliche Umsatz pro Nutzer, im Fachjargon „Average Revenue per User“ (ARPU) genannt, in den USA bereits über vier Dollar beträgt, liegt sie international erst bei rund 20 Cent. Das bedeutet für Markenexperten Bachem: Raum für höhere Werbeeinnahmen.

Missler hat zunächst die Kundenliste verlängert. „Wir haben im vergangenen Jahr die Anzahl der Werbetreibenden in Deutschland auf unserer Plattform verdoppelt. Von den Top-20-Werbetreibenden sind 15 dauerhaft auf Pinterest vertreten“, sagt der Pinterest-Deutschlandchef. Konkrete Umsatzzahlen will Missler, der früher in leitenden Positionen für die Onlinehändler Ebay und Amazon tätig war, nicht nennen.

Händler wie Otto oder Ikea, Hersteller wie Dr. Oetker und Autobauer wie BMW gehören jedoch zu den Unternehmen, die bereits auf Pinterest werben. Beispiel Ikea: Das schwedische Möbelhaus hat erst im vergangenen Jahr seinen gedruckten Katalog eingestellt und muss nun andere Wege zum Kunden finden.

Einer davon geht über Pinterest. Dafür hat der Möbelhändler Hunderttausende Bilder, sogenannte Pins, auf die Plattform gestellt. Für Unternehmen ist es aus Kostensicht neutral, wie viele Pins sie hochladen.

Pinterest versteht sich als werbliche Plattform und verdient Geld mit Anzeigen, die rund um die Pins veröffentlicht werden. Solche Anzeigen zeigen bestimmte Produkte, die zum Suchverhalten der Nutzer passen – inklusive Verfügbarkeit und Kaufpreis. Den eigentlichen Kaufvorgang wickelt Pinterest nicht auf seiner Seite ab, sondern leitet die Nutzer zu den entsprechenden Webshops.

„Pinterest funktioniert als Suchmaschine wesentlich emotionaler und intuitiver als die hinlänglich bekannten Produktsuchmaschinen, läuft aber in der Welt der Marketingentscheider und Agenturen noch weitestgehend unter dem Radar“, meint Francisca Maass, Kreativchefin der Werbeagentur Grey. „Vielleicht erklärt genau das auch die Beliebtheit und Glaubwürdigkeit der Plattform.“

Die User und Communities suchten auf Pinterest Inspirationen, Anregungen und eine Vertiefung ihrer Kenntnisse in einem klar definierten Interessengebiet. Aggressive Werbeunterbrechungen, wie man sie etwa von Instagram kenne, würden den intuitiven Lesefluss der Pinterest-Nutzer stören und funktionierten definitiv nicht.

„Mit empfohlenen zehn bis 20 Pins pro Tag muss der Auftritt auch liebevoll, visuell ansprechend und aussagekräftig befüllt werden“, meint Werberin Maass. „Pinterest ist definitiv nichts, was man mal so eben nebenbei als Appendix zu Instagram, Youtube und Facebook bedient. Pinterest ist eine Inspirationsquelle. Inspiration führt zu Aktivierung und damit auch zum Verkauf.“

In diesem Jahr will Pinterest nach Aussagen von Manager Missler einige Neuerungen einführen. „Shopping ist ein zentrales Thema für uns“, sagt er. „Wir investieren kontinuierlich in die Verbesserung des Shopping-Erlebnisses auf Pinterest und werden auch in diesem Jahr unsere Funktionen für Händler und Nutzer weiterentwickeln.“

Das Unternehmen wolle es einfacher für die Nutzer machen, Produkte zu finden und zu kaufen. Für Händler werde es zudem einfacher, ihre Kataloge hochzuladen und gezielt auszuspielen. „In diesen Bereichen investieren wir stark“, meint Missler. Eine Investitionssumme will er allerdings nicht nennen.

440 Millionen Nutzer weltweit

Darüber hinaus will die Plattform ihre Trainingsprogramme für ihre Influencer, intern Creators genannt, ausbauen, damit diese ihre Inhalte professioneller darstellen können. Aktuell arbeiten rund 100 Beschäftigte bei Pinterest in Büros in Europa, Tendenz steigend, wie Missler erklärt.

Weltweit nutzen rund 440 Millionen Menschen die Plattform, davon 340 Millionen außerhalb des Heimatmarkts USA. Die Coronazeit hat dem Unternehmen zumindest einen deutlichen Zuwachs an Mitgliedern beschert. „Wir hatten Rekordanstiege in der Nutzung der Plattform“, sagt Missler. Global sei die Nutzung im dritten Quartal um 46 Prozent gestiegen.

Im vergangenen Jahr hätten sich zudem die Suchanfragen um 60 Prozent erhöht. Die Menschen hätten sich in der Coronakrise mit neuen Themen wie Homeoffice oder Homeschooling beschäftigen müssen und seien dafür auf die Suche nach Anregungen gegangen.

Missler sieht die Plattform auch als Frühindikator für Trends. „Zu uns kommen die Leute nicht, um zu berichten, was sie alles erlebt haben. Zu uns kommen sie, weil sie Pläne für die Zukunft machen wollen“, sagt er. So habe Pinterest festgestellt, dass viele Menschen in der Coronakrise kochen lernen möchten, und zwar auf einem hohen Niveau. Suchanfragen nach Gourmet-Essen seien im vergangenen Jahr um 105 Prozent gestiegen.

Oder Beispiel Mobilität: Das eigene Auto gewinne gerade bei jüngeren Leuten an Beliebtheit, sagt der Manager. „Das eigene Auto hat einen neuen Freizeitmehrwert bekommen – da geht es zum Beispiel um den Filmabend mit Freunden im Auto.“ Missler sieht darin eine Chance für Marken, sich neu mit der Lebenswelt der Menschen zu verbinden.