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Warum die Corona-Panik an den Märkten anhalten wird

Die Angst vor ausufernden Folgen des Coronavirus behält die Märkte vorerst im Griff. Erst mittelfristig rechnen Strategen mit einer Beruhigung der Lage.

„Böses Erwachen“ für die Finanzmärkte, „die Unsicherheit regiert weltweit“: Claudio Borio, Chefökonom der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel, bringt die Befindlichkeit internationaler Investoren auf den Punkt. Wie viele Strategen rechnet der Experte der BIZ, die auch als „Zentralbank der Zentralbanken“ bezeichnet wird, vorerst mit weiteren Kursausschlägen wegen des Coronavirus.

Nach einer Woche mit den drastischsten Verlusten bei Aktien seit mehr als einem Jahrzehnt sowie Einbrüchen bei Rohstoffen und selbst bei Gold liegen die Nerven blank. Die BIZ sieht sich sogar genötigt zu betonen, dass das Finanzsystem stabil funktioniere. Hoffnung gibt allenfalls, dass die US-Notenbank (Fed) geldpolitische Unterstützung signalisiert.

Kapitalmarktstrategen halten sich daran fest, dass die Ausbreitung des Virus wenigstens mittelfristig eingedämmt werden kann, dass die Börsen sich dann beruhigen und Anleger wieder einsteigen können.

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Aber zunächst ist Unruhe angesagt. „Die Märkte werden zu Nachrichten über das Virus und die Reaktionen der Behörden tanzen wie zu einer Melodie“, sagt Borio von der BIZ. Auch der US-Stratege Jim Paulsen vom Vermögensverwalter Leuthold Group findet den Einbruch an den Aktienmärkten „ernst“, zumal „er in einer schockierenden Geschwindigkeit passiert ist“.

Die Anleger hätten sich zu sehr in Sicherheit gewiegt, meint Robert Halver, Leiter der Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank: „Die markante Korrektur hat angesichts zuvor ausgeprägterer Spekulationen auf eine Fortsetzung der Rally viele Anleger auf dem falschen Fuß erwischt.“

In der schwärzesten Woche seit der Finanzkrise 2008 wurden an den internationalen Aktienmärkten Firmenwerte von insgesamt fast sechs Billionen Dollar vernichtet. Bekannte Indizes der westlichen Welt wie der Dow Jones in den USA, der Euro Stoxx 50 und der deutsche Dax sackten um mehr als zwölf Prozent ab, seitdem die durch das Coronavirus hervorgerufene Lungenkrankheit immer mehr Länder bedroht.

Auch an den Rohstoffmärkten zeigte sich die Panik der Anleger: Der Preis für Brent-Öl ist am Freitag erstmals seit Ende 2018 unter die Marke von 50 US-Dollar pro 159-Liter-Fass gefallen. Auf Sicht von einer Woche hat Öl rund 14 Prozent verloren – das ist der stärkste Einbruch innerhalb einer Handelswoche seit 2011. Die Preise für andere rohstoffabhängige Rohstoffe wie Kupfer, Aluminium oder Zink sackten ebenfalls ab. Eine Tonne Kupfer kostet im Vergleich zum Jahresbeginn rund elf Prozent weniger.

Nicht einmal das als Krisenwährung geltende Gold konnte sich zuletzt dem Ausverkauf an den Rohstoffmärkten entziehen. Das Edelmetall verlor in der vergangenen Woche knapp vier Prozent auf 1 584 Dollar pro Feinunze. Strategen der Commerzbank führen den Preisrutsch „auf Zwangsverkäufe zurück, um anderweitige Verluste aufzufangen“. Große Investoren hätten Gewinne mit Gold realisiert, um Löcher in Portfolios zu schließen, die der Einbruch am Aktienmarkt gerissen hat.

Als sicherer Hafen bleiben Bonds

Als Fluchtort nutzen Anleger indes vor allem die als sicher geltenden Anleihen westlicher Staaten. Das lässt deren Kurse steigen, drückte im Gegenzug etwa die Rendite der zehnjährigen US-Bonds auf ein Rekordtief von 1,149 Prozent. Die Rendite ihrer deutschen Pendants sank auf minus 0,64 Prozent, näherte sich damit ihrem Rekordtief bei minus 0,7 Prozent.

Die große US-Bank JP Morgan reduzierte bereits ihre Prognose für die Renditen von US-Staatsanleihen: auf 1,45 Prozent bis zum Sommer und 1,75 Prozent zum Jahresende. Signale des US-Notenbankchefs Jerome Powell, wenn nötig die Wirtschaft geldpolitisch zu unterstützen, dämmten die Aktienkursverluste in New York am späten Freitag ein.

Die Fed beobachte die Entwicklungen und ihre Auswirkungen auf die künftige konjunkturelle Lage genau, sagte Powell: „Wir werden unsere Werkzeuge nutzen und angemessen handeln, um die Wirtschaft zu unterstützen.“ Anleger hoffen nun auf eine baldige Leitzinssenkung in den USA.

Wie kritisch die Lage ist, zeigt, dass eine Institution wie die BIZ meint betonen zu müssen, dass die Finanzmärkte selbst trotz drastischer Kursverluste stabil funktionierten. „Niemand will ein fallendes Messer fangen“, sagt Ökonom Borio. „Aber trotz des ganzen Aufruhrs und der Angst haben sich die Märkte und Finanzintermediäre als belastbar erwiesen.“ Der BIZ-Experte sieht darin einen Beleg dafür, dass sich die nach der Finanzkrise angestoßenen Reformen auszahlen.

Strategen erwarten weitere Verluste

Vorerst bleiben die Strategen jedoch pessimistisch. Auch wenn Zentralbanken unterstützend eingriffen, wovon etwa der bekannte US-Investor Jim Rogers ausgeht, könnte das allenfalls für „eine kleine Zwischenrally“ sorgen: „Das Problem lösen wird das nicht.“ Als Hauptrisiko für eine Fortsetzung der Börsentalfahrt fürchten Strategen eine neue Welle an Infektionsfällen in Europa außerhalb Italiens oder in den USA.

Die Weltgesundheitsorganisation hatte angesichts der wachsenden Zahl von Fällen mit dem neuartigen Virus am Freitag das Risiko einer weltweiten Verbreitung von „hoch“ auf „sehr hoch“ gesetzt. Unbehagen bereitet in dem Zusammenhang auch, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan damit begonnen hat, Flüchtlingsströme aus dem eigenen Land an die Grenzen der Europäischen Union (EU) weiterzuleiten.

Kurzfristig könne es an den Aktienmärkten noch weiter nach unten gehen, erwarten die Analysten der Helaba. Die Sorglosigkeit der vergangenen Wochen sei in Panik umgeschlagen.

Auch Christian Kahler, Chef-Aktienstratege der DZ Bank, stellt sich auf weitere Kursverluste ein: „Anleger sollten nicht überrascht sein, wenn der Dax in den kommenden Wochen noch stärker fallen sollte.“ Denn er erwartet, dass die Epidemie negative Auswirkungen auf die globale Konjunktur hat – und damit auch auf die Gewinnentwicklung der börsennotierten Unternehmen.

Auch die US-Bank Goldman Sachs, die schon Mitte Februar vor einem Einbruch an den Börsen gewarnt hatte, bleibt vorerst weiter skeptisch: Die Bewertungen seien noch nicht deutlich genug gefallen, und noch seien auch zu viele Anleger in Aktien investiert, heißt es.

Ähnlich fürchtet Marcel Fratzscher, der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), dass der bei Anlegern weitverbreitete Herdentrieb noch gravierendere Folgen an den Börsen hat: Solch irrationales Verhalten, das es bei Firmen und Konsumenten gebe, könne im schlimmsten Fall einen Abwärtsstrudel auslösen, sagte er in einem Interview.

Zur Einschätzung der Wirtschaftslage können Anfang der Woche Konjunkturindikatoren für den Februar beitragen: die Einkaufsmanagerindizes jeweils für Deutschland und die Euro-Zone und die vorläufigen Verbraucherpreise der Euro-Zone.

Dass der Aktienmarkt allerdings in einen Bärenmarkt rutscht, also Kursverluste von 20 Prozent und mehr verbucht, fürchten die Analysten von Goldman nicht. Kahler von der DZ bestätigt: „Würde der Dax vom Jahreshoch bei 13.800 Punkten um 16 Prozent bis auf rund 11.600 Punkte fallen, wäre dies noch eine normale Konsolidierung.“

Auf längere Sicht gibt es Hoffnung

Längerfristig schwarzmalen wollen Strategen nicht: Mittelfristig orientierten Anlegern böten die Kursrückgänge die Gelegenheit, wieder Positionen aufzubauen, meinen die Helaba-Strategen. US-Stratege Paulsen ergänzt: Der gesehene dramatische Kurseinbruch habe zu einer schnellen Neubewertung der Aktien geführt, die zuvor überbewertet waren. Wenn das Coronavirus die Weltwirtschaft nicht zu sehr bremse, „gibt es an den Märkten wieder Luft nach oben“, meint er.

Von Kaufchancen spricht ebenfalls bereits der als Börsenoptimist bekannte US-Finanzexperte Ed Yardeni: „Wer den Bullenmarkt verpasst hat, der hat nun eine neue Gelegenheit zu kaufen – vor allem, was gut aufgestellte Unternehmen angeht“, sagt er gegenüber dem Handelsblatt.