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Corona-Krise: Will Merkel jetzt auf die Kommandobrücke?

BERLIN (dpa-AFX) - Angesichts steigender Infektionszahlen denkt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über striktere Vorgaben für die Länder bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie nach. Zumindest was die Anordnung und Umsetzung von Schließungen und Kontaktbeschränkungen angeht. Innenminister Horst Seehofer (CSU) pflichtet ihr bei. Was heißt das jetzt konkret für das zuletzt viel kritisierte Krisenmanagement von Bund und Ländern? Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Wie ist die aktuelle Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern?

"Laut Grundgesetz sind die Länder für die Ausführung der meisten Gesetze zuständig", sagt der Verfassungsrechtler Christoph Gusy von der Universität Bielefeld. "Wie sie diese interpretieren, das liegt dann bei ihnen. Je unbestimmter das Gesetz, desto größere Spielräume haben die Länder."

Das ist auch bei der Pandemiebekämpfung so. Einen Rahmen setzt das Infektionsschutzgesetz, das während der Corona-Krise überarbeitet wurde. Innerhalb dessen bleibt aber noch einiges an Spielraum für die Länder. Die Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenzen sind politische Vereinbarungen. Rechtlich bindend werden sie erst durch die Umsetzung in Länderverordnungen - und hier halten die Länder sich nicht immer an die gemeinsame Linie.

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Wie könnte das Infektionsschutzgesetz geändert werden?

Dafür gäbe es mehrere Hebel - welchen und ob die Kanzlerin einen davon im Kopf gehabt hat, darüber rätseln auch Juristen. Einer wäre laut Gusy Artikel 84 des Grundgesetzes, über den der Bund versuchen könnte, den Ländern Vorschriften zu machen. "Demnach kann er den Ländern in Ausnahmefällen genaue Vorgaben machen, von denen sie nicht abweichen dürfen", sagt Gusy. Allerdings müsste der Bundesrat - und damit wiederum die Länder - dem zustimmen.

Der Verfassungsrechtler Michael Brenner von der Universität Jena erklärt, der Bund könne relativ einfach das Infektionsschutzgesetz verschärfen oder auch ein eigenes Covid-19-Bekämpfungsgesetz oder ähnliches erlassen. "Der Bundesrat muss beteiligt werden, aber letztendlich kann er es nicht verhindern", sagt Brenner. Demnach handele es sich nicht um ein Zustimmungsgesetz, für das der Bundesrat grünes Licht geben muss, sondern um ein Einspruchsgesetz. Bei einem Einspruchsgesetz könne der Bundesrat zwar Einspruch einlegen. "Der kann aber wiederum vom Bundestag beiseite geschoben werden, wenn der Bundestag den Einspruch des Bundesrates zurückweist."

"Das heißt: Der Bund könnte selber entsprechende Maßnahmen ergreifen", erklärt Brenner. Diese Maßnahmen müssten dann auch durch die Länder vollzogen werden. "Man hätte dann vielleicht nicht mehr diesen 16-teiligen Flickenteppich, der im Moment ein bisschen hinderlich erscheint." Eine Art Durchregieren des Bundes über Rechtsverordnungen hält Brenner indes nicht für ein geeignetes Mittel. "Alles Wesentliche muss durch ein Gesetz geregelt werden und kann nicht durch eine Verordnung geregelt werden. Das heißt, so grundrechtsrelevante Aspekte müssen eigentlich schon in einem Gesetz geregelt werden."

Warum sollten die Länder Macht abgeben?

"Es gibt Länder, die sehr selbstbewusst sind und sich ungern vom Bund hereinregieren lassen, und es gibt andere Länder, die ganz zufrieden damit sind, im Kielwasser des Bundes mitzuschwimmen", sagt Gusy. "Die großen Länder gehören eher zur ersten, die kleinen eher zur zweiten Gruppe - auch wenn der bayerische Ministerpräsident Markus Söder jetzt Merkel unterstützt."

Gäbe es für mehr Bundes-Krisenmanagement Rückhalt im Bundestag?

SPD und FDP wollen erst einmal ganz genau wissen, was Merkel da genau vorschwebt. Die Grünen hingegen sehen sich in ihren Rufen nach einem Stufenplan mit genauen Vorgaben in Abhängigkeit vom Infektionsgeschehen bestätigt. Von der AfD wäre ohnehin keine Zustimmung zu erwarten.

Ist das, was Merkel da andeutet, ein grundsätzlicher Wechsel?

Nein, ein generelles Umschalten in einen Krisenmodus, in dem etwa auch die Zuständigkeit für die Beschaffung von Impfstoff, die Organisation von Impfungen und Massentests grundsätzlich neu verteilt würde, plant niemand. Auch Merkel geht es nur um Eindämmung durch Auflagen für das Alltags- und Arbeitsleben. Die Frage, ob sie ein Durchgriffsrecht für die Bundesregierung fordere, weist sie deutlich zurück. "Nein, das würde ja Verfassungsänderungen bedeuten, für die man überhaupt gar keine Mehrheit bekommt." Den aus mehreren Bundesministerien besetzten Krisenstab will sie beibehalten, zudem gebe es ja bereits Taskforces für die Beschaffung von Tests, zur Maskenproduktion oder die künftige Impfstoffproduktion. Aus all dem wird deutlich - Merkel würde zwar die Länder gern stärker an die Leine legen, aber nicht das gesamte Pandemiemanagement vom Kopf auf die Füße stellen.

Wie läuft es in Ländern, wo die Zentralregierung am Ruder ist?

In Frankreich, wo der Inzidenzwert aktuell deutlich höher liegt als in Deutschland, kommen die Ansagen in Sachen Pandemie-Bekämpfung grundsätzlich aus Paris. Die Regeln, die für die einzelnen Verwaltungsbezirke gelten, fallen dabei je nach Infektionszahlen vor Ort aber unterschiedlich aus und sind teilweise viel drastischer als hierzulande. Die Schulen sind in Frankreich aber zurzeit landesweit geöffnet. Blickt man in weitere EU-Länder, so stellt man fest, dass womöglich andere Faktoren wichtiger sind als die Frage, wer auf der Kommandobrücke steht. Nämlich wie stark staatlich angeordnete Maßnahmen kontrolliert werden. Und ob sie von der überwältigenden Mehrheit der Bürger für sinnvoll gehalten werden oder nicht.

Wie steht Deutschland da in der Pandemie-Bekämpfung?

Insgesamt gar nicht so schlecht, vor allem wenn man auf die Zahl der Menschen schaut, die in Zusammenhang mit einer Covid-19-Erkrankung gestorben sind. Pro 100 000 Einwohner starben in Deutschland beispielsweise deutlich weniger Menschen als in den USA, in Tschechien oder Belgien.

Schaut man auf die drei Säulen der Pandemie-Bekämpfung - Verbote und Einschränkungen, Massentests und Impfung - spielt Deutschland allerdings nicht überall in der ersten Liga mit. Kostenlose Schnelltests und Selbsttests für alle waren in Österreich schon Alltag, als in Deutschland noch umständlich darüber diskutiert wurde, wer sich für die Beschaffung zuständig fühlen sollte. Staaten wie Israel und Großbritannien haben vorgemacht, wie man mit beherzter Beschaffung und cleverer Organisation den Impf-Turbo einschalten kann, um früher aus der Krise zu kommen. Auf dramatische Freiheitsbeschränkungen ist hierzulande weitgehend verzichtet worden

- allerdings, so komplex und kompliziert wie in Deutschland sind die

Bestimmungen in kaum einem anderen Land.