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Corona-Epidemie kommt die Chemiekonzerne teuer zu stehen

Die großen Anbieter verzeichnen Einbußen in zwei- bis dreistelliger Millionenhöhe. Die Branche hofft aber auf schnelle Erholung im zweiten Quartal.

Am frühen Mittwochmorgen bekam Evonik-Chef Christian Kullmann auf der Fahrt zur Arbeit nach Essen einen Anruf von seiner Frau. „Schatz, ich bin grad’ im Supermarkt“, sagte sie. „Ja, Schatz, wie schön“, antwortete Kullmann. „Schatz, die Regale hier sind vollkommen leer. Und als ich eben mal husten musste, bekam ich böse Blicke zugeworfen.“

Diesen Dialog gab Kullmann auf der Bilanzpressekonferenz des Essener Spezialchemiekonzerns in freien Worten wieder, als es um das Thema Coronavirus ging. „Man sieht, das Virus ist bei uns angekommen“, sagte er. Bislang verzeichne man bei Evonik zwar keinen einzigen Infektionsfall, aber es werde Auswirkungen auf das Geschäft geben. „Wir sind gut beraten, für 2020 nur einen vorsichtigen Ausblick zu wagen“, unterstrich der Vorstandschef.

Das gilt wohl für die gesamte deutsche Chemieindustrie. Schon vor dem Ausbruch der Lungenkrankheit waren die Aussichten für Deutschlands drittgrößten Industriezweig mau. Der Produktionsrückgang und der Preisverfall würden sich 2020 fortsetzen, prognostizierte der Verband der Chemischen Industrie (VCI) schon im Dezember.

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Aktuell kann der VCI noch nicht absehen, welche wirtschaftlichen Folgen das Virus hat. Bisher seien die Produktionsketten in Deutschland nicht beeinträchtigt. Ansonsten verweist der Verband auf die Aussagen der einzelnen Firmen.

Bei den großen Anbietern wie BASF, Covestro und Evonik zeigt sich: Sie verzeichnen bereits Einbußen in zwei- bis dreistelliger Millionenhöhe durch Logistik- und Produktionsprobleme in China. Zugleich gehen sie aber aktuell davon aus, dass sich die Lage im zweiten Quartal wieder bessert und die Wirtschaft in Asien und auch in Europa wieder zur Normalität zurückkehrt.

Das hofft auch Evonik-Chef Kullmann. Für 2019 hat der Konzern seine Versprechen gehalten und einen stabilen bereinigten Gewinn von 2,15 Milliarden Euro ausgewiesen. Der Umsatz ging leicht auf 13,1 Milliarden Euro zurück. Auch im laufenden Jahr will Kullmann verlässlich bleiben und seine Prognose einhalten. Die liegt für den bereinigten Gewinn zwischen 2,0 und 2,3 Milliarden Euro bei stabilem Umsatz.

Darin sind die aktuell absehbaren direkten Folgen durch die globale Corona-Krise bereits enthalten. Die bisherige Belastung durch das Virus beziffert Evonik auf 30 Millionen Euro, ausgelöst etwa durch Logistikprobleme und eine gesunkene Nachfrage.

Leere Lager

Das ist deutlich weniger als etwa beim Kunststoffhersteller Covestro, der einen Betrag von 60 Millionen Euro nennt. Covestro stand vor der bisher nicht gekannten Situation, dass es wegen ausbleibender Belieferung in China zu einem Engpass bei Fässern kam, in denen die Kunststoffe verfrachtet werden. Derzeit durchleuchtet ein Team von Covestro-Mitarbeitern die komplette Lieferkette auf Schwachstellen.

Die Lage hat sich aber schon wieder verbessert, Covestro fährt die Anlagen auf übliche Last hoch. Welche Folgen Corona über das erste Quartal hinaus haben wird, sei „derzeit nicht seriös abzusehen“, sagt Covestro-Vorstandschef Markus Steilemann. Klar ist nur: „Die Unsicherheit durch das Coronavirus wird anhalten.“

BASF ist kaum von eigenen Produktionsstörungen in China betroffen, wohl aber von den Problemen bei wichtigen Kunden. Konzernchef Martin Brudermüller sieht in dem Coronavirus einen neuen Unsicherheitsfaktor für die Weltwirtschaft, der das Wachstum am Jahresanfang vor allem in China erheblich beeinträchtige. Die Analysten von Credit Suisse schätzen, dass die Corona-Krise BASF mit rund 400 Millionen Euro belasten könnte.

Das wäre schon ein heftiger Effekt mit Blick darauf, dass der Ludwigshafener Konzern für 2019 ein Ebit zwischen 4,2 und 4,8 Milliarden Euro anpeilt. Chemieexperte Markus Mayer von der Baader Bank sieht eine solche Delle aber als „Worst-Case-Szenario“.

Wenn die wirtschaftliche Lage wieder zur Normalität zurückkehre, könnte die Chemieindustrie und vor allem BASF aus seiner Sicht deutlich profitieren. Denn in der derzeit unsicheren Phase hätten viele Kunden erst mal ihre Lager geleert und Neubestellungen aufgeschoben. Läuft es wieder besser, müssten sie bei der Chemie direkt stärker ordern.

Lippenstift-Rechnung

Ganz entscheidend wird für die Chemieindustrie sein, wie es in wichtigen Kundenindustrien wie der Automobilindustrie weitergeht. Der erwartete Absatzeinbruch im chinesischen Automarkt zu Jahresbeginn hat sich durch Corona noch einmal deutlich verstärkt. Im Februar wurden nach neuesten Angaben 80 Prozent weniger Neuwagen verkauft.

Das verheißt nichts Gutes. Evonik-Vorstand Harald Schwager geht aber davon aus, dass die Autoindustrie im zweiten Quartal zum Ende 2019 erwarteten Takt zurückkehren wird. Für Evonik rechnet Schwager damit, dass der Konzern bei Corona-Belastungen nach dem ersten Quartal aus dem „Gröbsten“ raus sei.

Ob die chinesische Konjunktur danach zur großen Nachholwelle ansetzt, darüber zeigt er sich skeptisch. „Ein Lippenstift, der im ersten Quartal nicht aufgetragen wurde, wird im zweiten Quartal nicht zweimal aufgetragen“, sagte Schwager. Evonik stellt Effektstoffe für Kosmetik her.

Auf der anderen Seite profitiert der Essener Konzern auch von den Folgen der Lungenkrankheit. Evonik produziert Wirkstoffe für Desinfektionsmittel. Laut CEO Kullmann gibt es seit Wochen einen regelrechten Run auf die Produkte. Die Essener haben das Desinfektionsgeschäft jüngst mit der Übernahme der US-amerikanischen Firma Peroxychem noch ausgebaut.

Die internationalen Produktionsketten von Evonik auch in Europa und den USA hat die Viruskrise bisher noch nicht beeinträchtigt. Im täglichen Arbeitsleben hingegen sind Spuren sichtbar: Die globale Führungskräftetagung des Essener Konzerns wurde ebenso abgesagt wie das anstehende Treffen der Betriebsräte. Auf Messen verzichtet man, wann immer möglich. Und an den chinesischen Standorten dürfen in den Kantinen die Mitarbeiter nur einzeln an den Tischen sitzen.