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Corona-Angst: Startup bietet Vorsorge-Checkup in der Wohnung

Der Berliner Arzt Axel Baumgarten gehört zu den Gründern des Startups Previmo.
Der Berliner Arzt Axel Baumgarten gehört zu den Gründern des Startups Previmo.

Das Coronavirus hält Menschen von Vorsorgeuntersuchungen ab. Aus Angst sich anzustecken verschieben viele Patienten die Termine, wie auch Zahlen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zeigen. Berliner Ärzte reagieren mit einem neuen Angebot auf diesen Trend. Nach Anamnese und Online-Terminvereinbarung findet die Blutabnahme in der Wohnung des Patienten statt. Im Anschluss erhält er oder sie einen verständlichen Arztbrief, der auch per Videosprechstunde erklärt werden kann. Billig ist das Angebot nicht, und auch keine Kassenleistung. Es zeigt aber einen Trend der Telemedizin. Der „Point of Care“, der Ort der Behandlung, verlagert sich in Richtung Patient.

Die Gründer stammen aus Berliner Arztpraxen mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Der Arzt Axel Baumgarten ist Geschäftsführer des Zentrums für Infektiologie Berlin Prenzlauer Berg (ZIBP). Dort arbeiten mehrere Hausärzte und Infektiologen und behandeln HIV und andere Infektionskrankheiten. Zweiter Player ist die Kantpraxis mit ihrem Fokus auf Gastroenterologie und Rheumatologie. Die Präventionsidee eint die Ärzte: „Wir kommen alle aus einem Bereich mit Krankheitsbildern, bei denen es günstig ist, wenn man sie früher entdeckt als später“, sagt Axel Baumgarten. Mitgründer Marcus Thuma hat an der Kantpraxis zudem ein Checkup-Modell aufgebaut.

Untersuchung beim Patienten

In erster Linie geht es bei Previmo um Vorsorgeuntersuchungen: allgemeine Gesundheits-Checks, Checks des Immunsystems oder sexuell übertragbarer Erkrankungen. Corona-Tests wurden kurzfristig ins Portfolio aufgenommen. Sie sind aber nicht der Fokus. „Es gibt den großen Wunsch nach Vorsorge. Aber gerade in Coronazeiten sind die Leute dafür in den Praxen weggeblieben“, sagt Baumgarten. „So ist die Idee gereift, dass wir zu den Patienten kommen.“ Die Untersuchung funktioniere nicht anders als in der Arztpraxis. „Wir sind nur flexibel beim Ort der Untersuchung.“

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Ein Arzt schaut sich dazu die anamnestischen Daten eines online registrierten Patienten an und validiert, ob der Checkup für ihn oder sie geeignet ist. „Unsere Medizinischen Fachangestellten (MFA) und Schwestern vereinbaren dann einen Besuchstermin zuhause oder im Büro, um Blut abzunehmen“, sagt Baumgarten. „Dann validieren und interpretieren wir die Befunde und schreiben einen Bericht, der Werte und Empfehlungen verständlich erklärt. Bei Auffälligkeiten gibt es das Angebot der ärztlichen Weiterversorgung in der Praxis.“

Anfragen von Unternehmen

Zielgruppe des digitalen Angebots sind zunächst Privatpersonen. Coronabedingt kamen Betriebe dazu. „Unternehmen, die während der Pandemie funktionieren wollten, fragten an, ob wir zum Testen zu ihnen kommen können. Das machen wir auch gerne.“

Das Startup versteht sich nicht als Konkurrenz zu Hausärzten. „Previmo ergänzt den Arztbesuch, ersetzt ihn aber nicht“, sagt Baumgarten. Es ist ein Einstieg für Leute, die eine Vorsorgeuntersuchung machen wollen, aber keine Zeit dafür haben.“ Es ist ein Tool, um Menschen früher in die Vorsorge zu bringen und sich gesundheitlich durchchecken zu lassen.“

Angebot für Selbstzahler

Denn besonders Männer nehmen es mit der gesundheitlichen Vorsorge nicht so genau. Zwar gehen 63 Prozent zu Checkups beim Allgemeinmediziner, aber nur 40 Prozent regelmäßig zum Zahnarzt und 15 Prozent zum Urologen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Statista-Umfrage. Frauen haben das Thema Vorsorge dagegen besser verinnerlicht: 59 Prozent besuchen präventiv ihren Gynäkologen, 58 Prozent den Zahnarzt und 56 Prozent ihren Hausarzt.

Previmo ist ein Angebot für Selbstzahler und wird in der Regel von Privatversicherungen erstattet. Eine Vergütung dieser Leistung durch die Gesetzlichen Krankenkassen, in denen 90 Prozent der Menschen in Deutschland versichert sind, kann sich Baumgarten über Verträge mit einzelnen Krankenkassen (Selektivverträge) vorstellen. Immer mehr gesetzliche Versicherungen bieten ihren Kunden individuelle Leistungen an. Der große Gesundheits-Checkup der Stoffwechselprozesse und inneren Organsysteme kostet 380 Euro. Es gibt auch kleinere Pakete zum Beispiel für Männermedizin, das Immunsystem oder sexuell übertragbare Erkrankungen.

Startup will organisch wachsen

Eine reguläre Aufnahme in das Leistungsverzeichnis der Kassenärzte hält er dagegen für unwahrscheinlich. Solche Prozesse erfordern in Deutschland Geduld. Baumgarten nennt dafür beispielhaft die Diagnose der Leberwerte als allgemeine Vorsorgeuntersuchung. „Das hat über zehn Jahre gedauert.“

Previmo ist vorerst innerhalb des Berliner S-Bahn-Rings verfügbar. „Wir müssen sehen, wie sich das entwickelt“, sagt der Arzt. „Am Anfang ist es logistisch schwierig, Routen von Spandau bis zum Müggelsee zu planen. Wir wollen organisch wachsen und sind in erster Linie Ärzte aus Arztpraxen.“

Telemedizin erlebt Boom

Telemedizinische Angebote, sind während der Corona-Pandemie nicht nur stark gewachsen (Zava berichtete dieser Tage von einer Million Beratungen und Behandlungen in Deutschland, Teleclinic ein Plus von 500 Prozent). Sie differenzieren auch immer stärker ihre Angebote. Während Previmo die Bluabnahme in die Wohnung des Patienten bringt, schickt MedKitDoc gleich ein ganzes Sammelsurium vernetzter diagnosischer Geräte dorthin: ein digitales Stethoskop, Drei-Kanal-EKG, Blutdruckmesser, Pulsoximeter und Thermometer. Deren Messergebnisse werden per App an den Arzt übertragen, der dann per Video behandelt.

Abgerechnet wird auch hier nach Gebührenordnung mit privaten Krankenversicherungen. Die Geräte werden derzeit in Pilotprojekten Pflegeheimen und Apotheken leihweise zur Verfügung gestellt. „Wir arbeiten parallel an einem Mietmodell für Familien und chronisch Kranke“, sagte Mitgründer Nicolai Nieder. Angestrebt werde eine Gebühr unter 50 Euro pro Monat. Der Kaufpreis beläuft sich auf 950 Euro. Geplant ist, die zugehörige Videosprechstunde auch als Kassenleistung abzurechnen.

Jürgen Stüber scheibt bei Gründerszene über die digitale Gesundheitswirtschaft. Jeden Freitag lest ihr hier die Kolumne Healthy Business, die einen Blick auf die digitale Gesundheitsbranche wirft. Die Kolumne aus der vergangenen Woche findet ihr hier: