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Continental reagiert mit radikalem Umbau auf den Wandel der Autowelt

Reifen, Antriebe und Zuliefergeschäft: Der Autozulieferer spaltet sich auf und bringt Teile an die Börse. Conti folgt damit dem Trend der Branche.

Die Ankündigung lag in der Luft, aber ein Rest an Überraschung glückte Conti-Chef Elmar Degenhart dann doch. Nach Abschluss einer Analyse habe der Vorstand „einen der größten Umbauten in der Unternehmensgeschichte vorgenommen“, verkündete der Dax-Konzern am Mittwoch in Hannover. Die Continental AG werde sich nach 147-jähriger Firmengeschichte aufspalten, ließ der Konzern seine Aktionäre per Ad-hoc-Mitteilung wissen.

Aus heute fünf Divisionen werde künftig die Continental Group – eine Holding mit drei Geschäftsbereichen. Die „Continental Rubber“ steht künftig für das Traditionsgeschäft mit Reifen und Gummiprodukten, der Geschäftsbereich „Automotive“ für das klassische Zuliefergeschäft mit Fahrwerken und Komponenten mit dem Zukunftsfeld des autonomen Fahrens.

Die dritte Säule „Powertrain“ verantwortet das Geschäft mit Einspritzsystemen, Motorsteuerungen, Hybrid- und Elektromotoren. Dieser Teil soll möglichst schon Mitte 2019 an die Börse. Ein Schritt, den Degenhart auch für die Reifensparte in der weiteren Zukunft nicht ausschließt.

Monatelang hatte Degenhart mit Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle über diesem Schritt gebrütet, den sie mit der bevorstehenden Transformation der Branche begründen. „In der kommenden Dekade und danach durchläuft die Automobilindustrie weltweit den größten und tiefgreifendsten Wandel ihrer über 130 Jahre alten Geschichte“, sagte Degenhart am Nachmittag. „Wir gehen diesen Wandel frühzeitig und vorausschauend an.“

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Am 26. Juli soll der Umbau im Aufsichtsrat abgesegnet werden. Die Arbeitnehmer dürften zustimmen, nachdem der Vorstand den Beschäftigten umfangreiche Standort- und Jobgarantien zugesichert hat. Degenhart will die Einnahmen aus dem Börsengang nutzen und in Elektroantriebe und Techniken zum autonomen Fahren investieren. Die Entwicklung dieser Felder soll in einer zentralen Forschung konzentriert und organisatorisch aufgewertet werden.

Tatsächlich hat der Umbau Signalcharakter: Continental ist mit weltweit 235.000 Beschäftigten und einem Umsatz von 44 Milliarden Euro nach Bosch der zweitgrößte Autozulieferer der Welt. Das Unternehmen hatte auch in jüngster Zeit eine bewegte Geschichte: Nach der Übernahme der Siemens-Sparte VDO 2007 wurde aus dem Reifenhersteller endgültig ein Technologiekonzern mit globalem Anspruch.

Wenig später geriet das Unternehmen dann selbst in das Visier eines Angreifers. Doch der Versuch der Familie Schaeffler, Conti durch eine feindliche Übernahme unter Kontrolle zu bringen, erwies sich in der Finanzkrise als zu gewagt. Man einigte sich auf einen Burgfrieden, der am Ende allen nützte. Die Familie Schaeffler begnügte sich mit 46 Prozent an der Continental AG und fungiert seitdem wie die Familie Quandt bei BMW als stützender Ankeraktionär.

Das Management um Vorstandschef Elmar Degenhart konnte frei agieren und machte Conti zu einem der profitabelsten Industrieunternehmen der Republik. Und auch dieses Mal sieht Degenhart die Familie Schaeffler fest an seiner Seite: „Der Großaktionär hat die Pläne sehr konstruktiv begleitet. Wir gehen von der Unterstützung der Familie Schaeffler aus“, sagte Degenhart.

Mit seinen Aufspaltungsplänen ist Degenhart aber nicht allein. Die Dieselkrise sowie der Übergang zu Elektroantrieben setzen Hersteller und Zulieferkonzerne massiv unter Druck. Die herkömmliche Verbrennertechnologie muss mit milliardenschweren Investitionen weiterentwickelt werden, um den immer strengeren Abgas- und Verbrauchsvorschriften zu genügen. Gleichzeitig müssen die Konzerne die Einführung von Elektroantrieben finanzieren, deren Markterfolg heute noch völlig ungewiss ist. Hinzu kommen die Digitalisierung und das autonome Fahren, bei dem Conti mit seinen Radar- und Sensorsystemen eine Schlüsselrolle einnimmt.

Für die Branche entsteht so ein gewaltiger Innovationsdruck, der die bestehenden Strukturen infrage stellt. Aus monolithischen Großgebilden werden Holdings, unter denen die neu formierten Töchter flexibler und dezentraler entscheiden. Geld und Investitionen werden nicht mehr zentral eingesammelt und mit der Gießkanne verteilt. Künftig sollen die jeweiligen Geschäfte selber um Geld und Investoren buhlen, Partnerschaften eingehen und Personal rekrutieren.

Die Tektonik der Branche ist in Bewegung: So hat Volkswagen die Lastwagentöchter Scania und MAN unter dem Namen „Traton“ bereits abgespalten. Das neue Unternehmen unter der Führung von Andreas Renschler soll in spätestens einem Jahr börsenreif sein.

Börsengang auch bei Daimler?

Daimler bereitet die Gründung von drei eigenständigen Unternehmen vor, die sich unter dem Dach einer Muttergesellschaft formieren. Schon 2019 könnten Mercedes-Benz Cars, die Finanzsparte und Daimler Trucks eigenständige Aktiengesellschaften sein. Auch die Stuttgarter liebäugeln mit dem Börsengang der Lastwagensparte.

Schneller ist nur der Zulieferkonzern Knorr-Bremse: Eigentümer Heinz-Hermann Thiele lässt seit Monaten einen Börsengang prüfen, schon im September könnte die Entscheidung fallen. Ihn treibt weniger das Geld als vielmehr die Frage, wie das Unternehmen nach seiner Zeit geführt werden kann.

Für die Investoren sind die Schritte längst überfällig. Seit Beginn der Dieselkrise liegen die Autokonzerne und ihre Zulieferer deutlich hinter der Börsenentwicklung zurück. Allein die mögliche Abspaltung der Lastwagentöchter bei Daimler und Volkswagen könnte einen zusätzlichen Börsenwert von 30 Milliarden Euro einspielen, schätzen Analysten.

Frank Schwope begrüßt den Schritt von Continental zur Holding. „Das ist ein gravierender Umbau, der viel Dynamik entfachen wird“, konstatiert der Analyst der NordLB. Gerade vor dem Hintergrund, dass alle Autozulieferer vor einem massiven Technologieumbruch stehen – weg von klassischen Verbrennungsmotoren hin zu Elektroantrieben –, ergebe der Umbau Sinn. „Er kostet aber auch sehr viel Geld. Kosten von mehr als 400 Millionen Euro sind kein Pappenstiel“, moniert Schwope die von Conti veranschlagten Ausgaben für den Umbau.

„Continental sieht das Ende des Verbrennungsmotors gekommen und zieht rechtzeitig den Stecker“, analysiert Ferdinand Dudenhöffer. Der Leiter des Center Automotive Research an der Universität Duisburg-Essen sieht Konkurrenten wie Bosch, die sehr stark an Diesel- und Benzinmotoren hängen, nun unter Zugzwang. Die Branche durchlebe einen riesigen Wandel. „Alle, die in diesen Transformationsprozess mit alten Strukturen hineingehen, werden Klötze an den Beinen haben, die sie beim Laufen behindern“, warnt Dudenhöffer.

„Es scheint, als wäre geradezu ein Wettrennen ausgebrochen über die Einführung von Holdingstrukturen und den Börsengang von Tochterunternehmen, um Potenziale und Werte freizusetzen“, beobachtet Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW).

Getrieben würden diese Spin-offs und Umstrukturierungen durch die niedrigen Zinsen. Das billige Geld lasse derzeit die Bewertungen durch die Decke schießen, so Tüngler: „Ziehen dunkle Wolken an den Börsen auf, wird sich das Zeitfenster für derartige Transaktionen aber schnell schließen“, warnt der Aktionärsschützer.

Tüngler ist skeptisch, ob Aufspaltungen immer zum Vorteil der Anleger sind. Die Summe der Teile müsse nicht zwangsläufig mehr wert sein als das große Ganze. „Ein Konzern mit drei oder vier Standbeinen ist deutlich weniger anfällig, da sich Schwächen und Stärken im Konzernverbund ausgleichen. Dieser natürliche Ausgleich fällt weg, wenn die Unternehmensbestandteile ihren eigenen Weg gehen“, erklärt Tüngler.