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Der Clan hinter Décathlon steckt in Schwierigkeiten

Der Familie Mulliez gehören die Einzelhandelskette Auchan und der Sportausrüster Décathlon. Doch die Umsätze sind rückläufig – die Familie wird zunehmend nervös.

Auch der Weltmarktführer für Sportausrüstung gehört der Familie Mulliez. Foto: dpa
Auch der Weltmarktführer für Sportausrüstung gehört der Familie Mulliez. Foto: dpa

Rund 700 Mitglieder zählt die Association Familiale Mulliez, die Versammlung der weitverzweigten nordfranzösischen Familie. Ihr gehören mehr als 60 Unternehmen wie die Einzelhandelskette Auchan, der Weltmarktführer für Sportausrüstung Décathlon, die Restaurantkette Flunch, die Textil- und Modefirmen Phildar und Pimkie, die Leroy-Merlin-Baumärkte sowie die Autozubehörfirma Nordauto.

Alle sorgten über eine lange Zeit für einen steten Mittelzufluss. Seit Jahren gibt es in Frankreich die allseits bekannte Redewendung: Von 100 Euro, die ein Franzose konsumiere, landeten elf in den Taschen der Mulliez. Die Textilindustrie im nordfranzösischen Roubaix hat die Grundlage für den Reichtum der Familie gelegt. Gérard Mulliez, der heute 88-jährige Patriarch, vermehrte ihn mit der Gründung von Auchan um ein Vielfaches. Auf 38 Milliarden Euro schätzte das Magazin „Challenges“ 2018 das Vermögen des Clans. Damit belegte er Platz fünf auf der Liste der reichsten Familien Frankreichs.

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Doch die Nordfranzosen gehen durch eine Schlechtwetterperiode. Auchan, ihr wichtigstes Investment, wurde von der Krise des Einzelhandels erwischt. In Frankreich zieht es wie in anderen Ländern weniger Menschen in die riesigen Hypermarchés. Die einen wenden sich dem Onlinehandel zu, die anderen Lidl. Manche suchen kleinere Supermärkte auf oder gleich Lebensmittelgeschäfte, die mit lokalen Angeboten werben.

Auch Carrefour erwischt dieser Anti-Hyper-Effekt. Der seit zwei Jahren amtierende Chef Alexandre Bompard will die Fläche der Hypermärkte um 400.000 Quadratmeter verkleinern, aber keine Geschäfte schließen. Auchan geht härter ran: Hier sollen auch ganze Standorte entfallen oder verkauft werden. Mehr als eine Milliarde Verlust machte die Auchan-Holding im vergangenen Jahr, zu der auch eine Immobiliensparte und eine Bank gehören – oder besser: gehörten.

Denn die Mehrheit an der Bank Oney hat die Familie vor Kurzem für rund 100 Millionen Euro an die Sparkassen- und Genossenschaftsgruppe BPCE verkauft. Besserung ist bei Auchan noch nicht in Sicht: Der Chef der Holding, Edgard Bonte, sprach von „sehr unzureichenden Ergebnissen“. Seine Vorgänger, Wilhelm Hubner und Régis Degelcke, hatten bei Auchan Retail lediglich ein beziehungsweise zwei Jahre amtieren können, bevor sie unsanft abberufen wurden.

Bei Décathlon waren die Umsätze im wichtigsten Markt Frankreich 2018 um fünf Prozent rückläufig – äußerst beunruhigend in einem Jahr mit Fußballweltmeisterschaft, in dem Frankreich auch noch den Titel holte. Das Unternehmen wurde Opfer der eigenen Strategie, immer stärker auf Eigenmarken zu setzen und bekannte Sportmarken wie Adidas, Nike oder Puma ein Schattendasein in den Regalen fristen zu lassen. So griffen die Kunden lieber in anderen Geschäften zu.

Die Familie ist so kommunikativ wie eine geschlossene Auster. Doch Insider berichten, es herrsche Nervosität. Die Dividenden fließen nicht mehr wie früher. Aus der Geschichte anderer Familienunternehmen wie der der Peugeots weiß man aber: Abnehmende Dividenden sind die Vorläufer zunehmender interner Konflikte, in schlimmster Ausprägung sogar des Zerfalls.

Der Ton sowie der Managementstil seien wesentlich rauer geworden, berichten Kenner der Familie in den Medien. Ein Beispiel: Décathlon wurde traditionell von einem Mitglied der Familie Leclercq – zum Clan gehörig – geführt, auch wenn die Mulliez die relative Mehrheit am Kapital halten. Nachdem die Geschäfte schlechter liefen, hätten die Mulliez auf die Ablösung von Matthieu Leclercq gedrängt und ihn durch einen Mann ihres Vertrauens ersetzt.

Für die Familie von Michel Leclercq, die Décathlon gegründet hat, sei das ein Kulturschock und ein Traditionsbruch gewesen, berichten Insider. Doch damit nicht genug der schlechten Nachrichten aus dem Reich der Mulliez: Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass der französische Fiskus eine millionenschwere Nachforderung an die Familie stellt.

Durch die komplexe Verschiebung von Finanzmitteln zwischen einer Finanzholding und mehreren Familienmitgliedern seien Gewinne verschleiert worden. 89 Millionen Euro verlange der Fiskus von der Association Familiale Mulliez (AFM). Die AFM wird von einem siebenköpfigen Verwaltungsrat geführt. Dem kann nur angehören, wer selber mindestens vier Jahre eines der Unternehmen der Gruppe geleitet hat. Seit 2014 führt der 45-jährige Barthélémy Guislain den Verwaltungsrat der Gruppe.

Wie seine Vorgänger und der Gründer Gérard Mulliez gibt er keine Interviews. In der Öffentlichkeit tritt er höchst selten auf, und wenn, dann äußert er sich auf geschlossenen Veranstaltungen mit geladenen Gästen zu allgemeinen Fragen des Unternehmertums, wie Anfang 2018. Die Strategie der AFM wird nie öffentlich dargelegt.

Stattdessen gibt es Philosophisch-Erbauliches: „Unternehmer zu sein ist die schönste Aufgabe der Welt, ein Unternehmer muss etwas auf Dauer schaffen – nicht im amerikanischen Sinn lediglich gründen, um sich möglichst schnell zu bereichern“, belehrte Guislain 2018 seine Zuhörer. Dann folgten zwei Sätze, die heute wie ein Menetekel klingen: „Ein Großunternehmen hat es einfach nicht drauf, wie ein Start-up zu innovieren – Großunternehmen haben eine Kultur, die Innovation blockiert.“

Guislain hat in die Familie eingeheiratet. Doch wie alle anderen musste er sich zunächst unternehmerisch bewähren. Er gründete „Kbane“ (ein Wortspiel, das französische „cabane“ bedeutet „Hütte“), einen Baumarkt für energieeffiziente Häuser und Wohnungen. Bei Kbane kann man eine Pelletheizung oder eine Thermosolaranlage kaufen. Oder man gibt dem Unternehmen gleich den Auftrag, das Projekt umzusetzen. Die Idee klingt gut.

Doch der Erfolg ist bescheiden: Zwölf Jahre nach Gründung hat Kbane nach eigener Aussage rund 12.000 Projekte realisiert, zählt in ganz Frankreich nur sechs Stützpunkte. Der Umsatz liege im niedrigen zweistelligen Millionenbereich. Zuletzt wurde ein Verlust ausgewiesen. Den Aufstieg von Guislain hat das nicht behindert.


Die Suche nach neuen Großprojekten

„Ich vertrete ein kleines Unternehmen, das gewachsen ist“, beschrieb Vianney Mulliez einmal das Reich der Familie. Da war der heute 55-Jährige noch Chef von Auchan. Inzwischen führt er die Immobilientochter Ceetrus, früher Immochan, als Vorsitzender des Verwaltungsrats. Der Mulliez-Ableger wird in Paris den neuen Gare du Nord bauen, den größten Bahnhof Europas.

Die Mulliez und Ceetrus sind auf der Suche nach Leuchtturmprojekten, die zeigen sollen, dass man nicht nur Einkaufszentren auf der ganzen Welkt bauen, sondern auch ganze Stadtviertel neu gestalten kann. „Wir sind glücklich darüber, dieses Projekt mit der SNCF verwirklichen zu dürfen, das alle Themen der Zukunft des Städtebaus vereint“, frohlockte Vianney Mulliez nach der Entscheidung der Bahngesellschaft. Das Mulliez-Unternehmen wird 66 Prozent an der Gesellschaft halten, die den Bahnhof baut und bis zu 46 Jahre lang betreibt.

Die Nutzfläche des Bahnhofs wird verdreifacht, unter anderem entsteht eine 300 Meter lange Galerie. Neben Bahnsteigen für den Bus- und Bahnverkehr wird es dort Läden, Büros, Grünflächen und auf dem Dach eine einen Kilometer lange Joggingpiste geben, samt weiteren Sporteinrichtungen. „Das alles unter der Beachtung strengster ökologischer Normen“, ist einer Ceetrus-Pressemitteilung zu entnehmen.

Ein anderes Prestigeprojekt der Familie ist noch nicht ganz so weit: das Einkaufszentrum Europa-City nördlich von Paris. Auf 800.000 Quadratmetern wollen die Mulliez gemeinsam mit chinesischen Partnern eine Mischung aus Geschäften und Hotels errichten. Viele Lokalpolitiker sind dafür, doch die Landwirte in der Region und die Anwohner stellen sich dagegen.

Sie machen geltend, dass eine der letzten grünen Lungen von Paris unter Beton und Teer verschwinden würde. Zudem ist fraglich, ob es tatsächlich Bedarf für ein so großes Einkaufszentrum gibt, denn schon jetzt machen sich zwei große Shoppingmalls in unmittelbarer Nähe Konkurrenz.

„Fimmel für Diskretion"

Gérard Mulliez, der Auchan in den 50er-Jahren gründete, erinnert das vermutlich an die Frühzeit des Unternehmens. „Vier Fünftel der Supermärkte musste ich zukaufen, weil sie mich keine neuen bauen ließen, deshalb haben wir uns auf andere Weise ausgetobt, mit Modegeschäften, Baumärkten und Läden für Autoteile“, plauderte er 2017 aus.

Die Mulliez seien befallen von „ihrem Fimmel für Diskretion, der schon auffällig ist“, räumte eines der Familienmitglieder einmal gegenüber dem Handelsblatt ein und zog es vor, in einem Großunternehmen außerhalb des Clans sein Geld zu verdienen. Juristisch sind die einzelnen Firmen voneinander getrennt.

Doch es gebe eine unsichtbare steuernde Hand, sagte das Familienmitglied: „Ohne dass man es von außen merkt, laufen die Investitionen strikt koordiniert ab: Macht irgendwo ein Auchan-Markt auf, dann haben sie gleich daneben auch einen Leroy-Merlin-Baumarkt, ein Geschäft von Nordauto oder Décathlon.“

Die Aufspaltung in viele kleine Einheiten erschwert es den Gewerkschaften und Personalvertretern, ihre Interessen durchzusetzen. Seit Jahren wollen sie erreichen, dass zumindest Teile des Mulliez-Reichs wie geschlossene Einheiten behandelt werden – bislang vergeblich.

Sechs Praktiken als Philosophie

Bei einem der sehr seltenen öffentlichen Auftritte vor einem Publikum nordfranzösischer Unternehmer erläuterte im Jahr 2015 Vianney Mulliez, der früher Auchan führte, die unternehmerische Philosophie der Familie: „Wir orientieren uns an sechs guten Praktiken.“ Die erste laute: „Wir haben eine Vision, die den Kurs für alle vorgibt und meist Streitigkeiten vermeidet.“

An zweiter Stelle folge das Prinzip, „in Menschen zu investieren und den Mehrwert gerecht zu verteilen“. Nicht alle Auchan-Mitarbeiter werden das unterschreiben. Denn der Wert ihrer Anteilsscheine ist in den vergangenen beiden Jahren deutlich gesunken. Punkt drei: Wer operativ tätig sein will, muss sich an der Leitung eines Unternehmens vor Ort beteiligen.

Die vierte und fünfte Maxime seien die Konzentration auf die lange Frist und vorsichtiges finanzielles Agieren, „das sichert uns die Unabhängigkeit von Banken und Finanzmärkten“. Praktisch alle neuen Projekte finanzieren die Mulliez durch eigene Mittel, der größte Teil des Gewinns wird reinvestiert. Wer als Familienangehöriger etwas Neues starten will, kann sich um die finanzielle Hilfe des Clans bewerben. Der prüft, ob es im Interesse der Gesamtheit ist, Geld in das Vorhaben zu investieren.

Die sechste gute Praxis lautet: „Wir bewahren einen offenen Geist und gesunden Menschenverstand.“ Mulliez-Patriarch Gérard drückte dies im vergangenen Jahr etwas direkter aus: „Unsere Konkurrenten haben uns kopiert und versucht, uns zu töten, das war gut: So mussten wir immer wieder Neues erfinden.“ Die sechs Prinzipien haben den Clan nicht davor geschützt, in die Krise zu rutschen. Nun muss er sich etwas Neues überlegen.

Mehr aus der Serie „Die größten Familienunternehmen der Welt“: Welche Unternehmen in Familienhand können sich mit den größten börsennotierten messen? Wir stellen Ihnen die zehn größten vor. Basis ist der Family Business Index von der Universität St. Gallen und EY. Das Dossier zu den größten Familienunternehmen der Welt mit allen Serienteilen finden Sie hier.