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Christian Sewing warnt: „Staatshilfen dürfen nicht zur Gewohnheit werden“

Sewing wirbt für ein Auslaufen staatlicher Corona-Hilfen. Alle müssten sich an die neue Realität anpassen – auch wenn das schmerzhaft werde. Und er fordert Aufklärung bei Wirecard.

Christian Sewing ist Stammgast beim Handelsblatt Banken-Gipfel. Aber auch für ihn und das größte heimische Geldhaus ist dies ein beispielloses Jahr. Der Deutsche-Bank-Chef warnt davor, die Langfristfolgen der Pandemie zu unterschätzen. Seine Forderung: Banken und Unternehmen müssen sich an die neue Realität anpassen – auch wenn das schmerzhaft wird.

Um wettbewerbsfähig zu bleiben, kommen die Geldhäuser in Europa seiner Ansicht nach auf Dauer nicht an einer Konsolidierung vorbei. Die Coronakrise habe erneut gezeigt, dass es für die europäische Wirtschaft enorm wichtig sei, starke Banken in Europa zu haben.

Mit Blick auf den Vorsprung der US-Banken konstatiert er, man müsse anerkennen, dass viele US-Institute ein robustes Geschäftsmodell hätten. „Wenn man sieht, wie die amerikanischen Banken ihre Kreditvorsorge gesteigert haben, zugleich in Technologie investierten und trotzdem hochprofitabel waren, dann gebührt dem erst einmal Lob“, räumt der Deutsche-Bank-Chef ein.

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Lesen Sie hier das gesamte Interview:

Herr Sewing, die Bevölkerung ist mit Blick auf die Bekämpfung von Corona zunehmend gespalten. Was geht Ihnen als Staatsbürger durch den Kopf, wenn Sie die Bilder aus Berlin vom Wochenende sehen?
Wir müssen uns in einer Demokratie auch mit anderen Meinungen auseinandersetzen. Es ist gut, diese Diskussion zu führen. Aber es ist immer auch eine Frage, wie man seine Meinung äußert. Das, was in Berlin passiert ist, insbesondere vor dem Reichstag, ist in der Art absolut inakzeptabel. Nicht nur wegen des eigentlichen Vorfalls, sondern auch mit Blick auf den Respekt vor den Entscheidungsträgern. Es gab im Frühjahr eine Situation, die wir alle nicht kannten. Ich finde, die Entscheidungsfähigkeit der Politik – und auch der Mut, schnell zu entscheiden – hat Deutschland ausgezeichnet. Das verdient Anerkennung. Deswegen bin ich über die Art und Weise der Demonstrationen schockiert.

Wie sehen Sie die Rolle des Staates, der viele Unternehmen unterstützte? Droht eine Überdosis Staatshilfe, wenn sich die Coronakrise noch länger hinzieht?
Das ist ein unheimlich schmaler Grat. Ich glaube, dass die erste Reaktion richtig war. Wir alle – Bürger wie Wirtschaft – waren in einem Schockzustand. Und wenn dann auch noch ein Unternehmen unverschuldet in so eine Krise rutscht, ist die unmittelbare Hilfe wichtig und richtig. Aber wir erreichen jetzt eine zweite Phase. Wir dürfen nicht dauerhaft von Subventionen und Zuschüssen abhängig sein. Wir müssen uns aus dem ersten Schock lösen und zu tragfähigen Geschäftsmodellen finden – da sind die Unternehmen in der Verantwortung. Dann wird sich der Staat auch wieder zurückziehen. Und das ist richtig. Eine dauerhafte Intervention des Staates ist nicht sinnvoll.

Sie halten die Verlängerung des Kurzarbeitergelds und die Verlängerung der Insolvenzantragspflicht also für falsch?
Solche Maßnahmen dürfen nicht zur Gewohnheit werden. Das kann nicht der neue Normalzustand sein. Wir müssen an uns selbst den Anspruch haben, aus dieser Krise mit neuen Geschäftsmodellen wieder herauszugehen. Auch wir Banken haben viel zu lange gebraucht, uns auf Herausforderungen wie die Negativzinsen einzustellen. Wir müssen einen Ausweg aus der Krise finden. Darüber sollten wir uns Gedanken machen.

Aber noch stecken wir mitten in der Krise. Wie hart werden die Folgeschäden die Banken treffen?
Klar ist, dass wir einen Rückgang der Wirtschaftsleistung erleben, wie wir ihn in den vergangenen Jahrzehnten nie gesehen haben. Die Banken haben im ersten Halbjahr ihre Risikovorsorge verdrei- oder vervierfacht, um eben Vorsorge im Wortsinne zu treffen. Wenn wir jetzt die richtige Balance finden, auch mit Unterstützung des Staates, dann können wir mit dieser Krise umgehen, ohne in einem Desaster zu enden.

Also haben Sie keine Angst, dass die Coronakrise in einer Bankenkrise endet?
Die Banken in Deutschland und in Europa haben nach der Finanzkrise ihre Kapitalpolster mehr als verdoppelt. Deshalb sehe ich die Banken auf Sicht der nächsten zwölf bis 18 Monate in einer guten Position, um mit dieser Situation umzugehen. Aber wenn sich so eine Krise mit negativem Wirtschaftswachstum und staatlichen Zuschüssen über die nächsten vier, fünf Jahre hinziehen würde, dann würden natürlich auch die Banken darunter leiden.

Welchen Einfluss hat Corona auf die geplante Transformation der Deutschen Bank?
Wir haben uns bereits vor Ausbruch der Krise auf die Geschäftsbereiche fokussiert, in denen wir wettbewerbsfähig sind. Deshalb haben wir beispielsweise den institutionellen Aktienhandel eingestellt. Dieser Fokus hat uns geholfen, dass wir trotz der Kosten für die Transformation und trotz Corona noch profitabel sind und investieren können.

Vor allem die Investmentbanker verdienen momentan das Geld für die Deutsche Bank. Klopfen die jetzt bei Ihnen an und wollen mehr Einfluss? Es wäre nicht das erste Mal, dass die Deutsche Bank ihre Strategie ändert.
Wir haben uns im Investmentbanking auf das konzentriert, was wir gut können. Bei Anleiheemissionen gehören wir zum Beispiel zu den Top drei weltweit. Wenn eine Strategie besser aufgeht als erwartet, gibt es erst recht keinen Anlass, sie zu ändern.

Und die anderen Geschäftsbereiche?
Klar ist, wir werden noch länger mit Negativzinsen leben müssen. Auf diesen zusätzlichen Gegenwind müssen wir uns noch besser einstellen, auch mit neuen Produkten. Diese Arbeiten sind im Privatkunden- und auch im Firmenkundengeschäft bereits weit fortgeschritten.

An welche Anpassungsmaßnahmen denken Sie sonst noch? Auch an Personalabbau?
Es geht nicht nur um Kostenanpassung. Wir haben uns ehrgeizige Ziele gesetzt. Bis 2022 müssen die Kosten auf 17 Milliarden Euro runter – da bin ich sehr zuversichtlich, auch dass wir in diesem Jahr unsere 19,5 Milliarden Euro an Kosten schaffen. Aber wir müssen auch die Erträge wieder steigern. Dazu gehört, dass wir verstärkt die Negativzinsen an unsere Unternehmenskunden weitergeben. Das könnte auf Dauer einen dreistelligen Millionenertrag zusätzlich bringen. Auch die geplante Kooperation mit Google haben wir nicht nur angestoßen, um Kosten zu sparen – sondern auch, um zusätzliche Produkte zu entwickeln.

Vor Steuern soll am Ende des Jahres eine schwarze Null bei Ihnen stehen. Die Analysten glauben allerdings nicht so recht daran.
Ich will mich nicht darüber beschweren, dass die Analysten uns noch nicht komplett vertrauen, nachdem wir über Jahre immer wieder Ziele ausgegeben haben, die wir dann nicht erreichten. An der einen oder anderen Stelle sieht man, dass das Vertrauen bereits wieder da ist. Die Analysten stellen zum Beispiel nicht mehr die Frage nach einer Kapitalerhöhung, auch auf der Kostenseite glauben sie mehr und mehr, dass wir es schaffen. Jetzt müssen wir daran arbeiten, dass wir auch auf der Ertragsseite vorankommen und die Erwartungen erfüllen. Wenn wir trotz der schwersten Krise in vielen Jahrzehnten, trotz unserer Transformation in den ersten sechs Monaten des Jahres profitabel sind, wäre ich ein schlechter Unternehmer, wenn ich mir dieses Ziel nicht auch für den Rest des Jahres setzen würde.

Wirkt die Coronakrise als Katalysator für die lange erwartete Konsolidierung der europäischen Bankenbranche?
Während der Hochphase von Corona werden wir sicher noch keine Konsolidierung sehen. Für uns als Bank ist es entscheidend, die Profitabilität nachhaltig zu steigern. Wenn wir das erreichen, sind wir auch deutlich besser für eine Konsolidierung aufgestellt.

Die amerikanischen Geldhäuser strotzen vor Kraft, trotz Corona. Muss man das hinnehmen als deutscher Banker? Die Schere scheint sich nicht zu schließen.
Man darf nie aufgeben, aber man muss anerkennen, dass viele US-Institute ein robustes Geschäftsmodell haben. Wenn man sieht, wie die amerikanischen Banken ihre Kreditvorsorge gesteigert haben, zugleich in Technologie investierten und trotzdem hochprofitabel waren, dann gebührt dem erst einmal Lob.

Was bedeutet das für die Banken in Europa?
Wenn wir wettbewerbsfähig bleiben wollen, kommen wir auf Dauer an einer Konsolidierung nicht vorbei. Diese Sicht teilen viele Banken. Denn die Coronakrise hat erneut gezeigt: Für die europäische Wirtschaft ist es enorm wichtig, dass wir starke Banken in Europa haben. Das ist auch die Rückmeldung, die wir von den Unternehmen bekommen.

Wie bewerten Sie denn den Wirecard-Skandal?
Der Fall ist für die Reputation des deutschen Finanzmarktes alles andere als positiv. Auch ausländische Investoren fragen sich, wie so etwas geschehen konnte. Wir tun deshalb gut daran, den Fall gründlich zu untersuchen und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Wir sollten aber nur nicht einzelne handelnde Personen an den Pranger stellen, sondern das Finanzsystem und die Aufsicht optimieren.

Wirecard galt ja als Aushängeschild für Finanztechnologie in Deutschland. Warum tun sich deutsche Banken so schwer mit der Digitalisierung?
Na ja, selbst wenn man die Zahlen von Wirecard für bare Münze nimmt, hätte das Unternehmen im gesamten Jahr so viele Transaktionen abgewickelt wie wir an einem einzigen Montagmorgen. Da müssen sich die Banken wirklich nicht verstecken. Wir haben unsere Transaktionsbank bereits seit geraumer Zeit als strategischen Wachstumsbereich identifiziert und in diesem Bereich investiert, um unsere starke Wettbewerbsposition weiter auszubauen.

Aber für Schlagzeilen in der Öffentlichkeit sorgen nicht die Offerten der Deutschen Bank, sondern die Einführung von Apple Pay? Nutzen Sie diesen Dienst selbst?
Ja, und ich habe gute Erfahrungen gemacht!

Zum Beispiel?
Es muss Spaß machen, ein Produkt zu nutzen, Daten abzufragen und Transaktionen zu tätigen. Dieser Spaß macht auch Bankprodukte sehr viel attraktiver. Das lerne ich von Apple Pay, aber das zeigt auch unsere App für Privatkunden.

VW-Chef Herbert Diess hat in einer Brandrede gefordert, dass VW mehr wie Tesla denken müsse. Kann man das auch auf die Deutsche Bank übertragen? Müssen Großbanken zu Internetkonzernen werden?
Das war der Grund, warum wir uns für Google als künftigen Partner entschieden haben. Wir finanzieren seit jeher Unternehmen. Aber mit der systematischen Analyse von Daten können wir den Unternehmen maßgeschneiderte Lösungen liefern. Das geht nur zusammen mit Technologiefirmen.

Dann machen Sie doch eine Zusage: Nächstes Jahr sehen wir neue Apps der Deutschen Bank, die Spaß machen?
Das sage ich gern zu!