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Chips unter der Haut – Wie Manager zu Maschinen werden

Es war vor allem der Zufall, der aus Ricardo Ferrer Rivero vor zwei Jahren einen Cyborg machte. Der Unternehmer war damals zu Gast auf der Computermesse Cebit in Hannover, als er auf Amal Graafstra traf. Graafstra gilt als Pionier der Szene, die Mensch und Maschine verschmelzen will.

Während seines Vortrags in Hannover suchte der Experte einen Freiwilligen, der sich auf der Bühne einen reiskorn-großen Chip implantieren ließ. Spontan erklärte sich der damals 32-jährige Ferrer Rivero bereit, sich das elektronische Bauteil injizieren zu lassen – und so zum „Kybernetischen Organismus“, englische Kurzform: Cyborg – zu werden.

Kurz zuvor hatte er auf einer Konferenz in Holland gesehen, wie Geschäftsleute ihre Kontaktdaten per Implantat auf die Smartphones ihres Gesprächspartners sendeten – und wollte die Technik selbst ausprobieren. Ballt Ferrer Rivero heute seine rechte Faust, zeichnen sich die Umrisse des Chips unter seiner Haut klar ab. „Es hat gezwickt, aber nach ein paar Sekunden war es vorbei“, erinnert sich der Unternehmer.

Doch nicht nur Name, Anschrift, Telefonnummer und Mailadresse übermittelt Ferrer Rivero mit dem Mikrochip inzwischen. Der Gründer öffnet mithilfe der Technik rund um seinen Arbeitsplatz etwa 50 Türen, die mit elektronischen Code-Schlössern versehen sind. Sogar in die Tiefgarage kommt er mit dem Implantat.

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Auto per Hand starten

Ferrer Rivero ist unter anderem Gründer eines Coworking-Zentrums mit rund 1.000 registrierten Nutzern in Hannover. Etwa 20 davon haben es dem gebürtigen Venezolaner mittlerweile nachgemacht – und sich ebenfalls einen Chip in die Hand implantieren lassen.

Gerade überlegt Ferrer Rivero außerdem, ein Dienstfahrzeug so umzurüsten, dass es die Coworking-Space-Nutzer mit ihren Chips öffnen und starten können. Das setzt einen entsprechenden Funkempfänger im Auto voraus, der die zugelassenen Fahrer erkennt und dann die Wegfahrsperre löst.

Chips unter der Haut, die Schlüssel und Ausweispapiere überflüssig machen, sind nur der Anfang der Vision eines Zukunftsmanagers, der sich schneller und effektiver durch den Alltag bewegt. Noch ist die Diskussion über Cyborgs zwar vor allem Gesprächsstoff für Nerd-Stammtische und Technikkonferenzen.

Dabei können viele der Körpererweiterungen bei näherer (und ernsthafterer) Betrachtung das durchgetaktete Leben eines Managers auf ähnliche Weise revolutionieren, wie einst das Smartphone.

Schon heute messen Fitnessarmbänder und smarte Uhren Blutwerte und Stresslevel, warnen vor Herzinfarkten und erinnern per Push-Mitteilung daran, mal wieder eine Pause einzulegen. Erste Tests mit sogenannten EEG-Hauben ermöglichen es außerdem, Schalter per Gedankenübertragung zu betätigen oder Gegenstände zu bewegen.

Effizienzorientierte Visionäre wie Amazon-Chef Jeff Bezos oder Tesla-Gründer Elon Musk träumen sogar von Hirnimplantaten, mit denen wir nicht nur unser Gedächtnis verbessern, sondern auch neue Fremdsprachen oder spezielle Fachexpertise – wie Software – auf unserem menschlichen Betriebssystem einspielen. „Wir müssen alle zu Cyborgs werden, wenn wir den unvermeidlichen Aufstand der Roboter überleben wollen“, warnte Musk neulich auf einem Zukunftskongress in Dubai. Wird Science-Fiction also Normalität?

Zumindest das Einpflanzen der bereits millionenfach an Tieren erprobten Chips scheint unter einigen Managern derzeit offenbar en vogue zu sein. Der schwedische Manager Andreas Sjöström von der IT-Beratung Sogeti etwa hat vor Kurzem als weltweit erster Flugpassagier per Körperimplantat eingecheckt – und erntete beim Boarding von Stockholm nach Paris ziemlich ungläubige Blicke, als er seine linke Hand am Lesegerät vorbeischwenkte, und sich die Tür zum Gate öffnete.

Den notwendigen Zugangscode, der sich beim Online-Check-in üblicherweise an ein Smartphone schicken lässt, hatte der schwedische Technikexperte kurz zuvor mit einem Spezialzubehör an den Chip in seinem Körper gesendet und dort abgespeichert.

Der US-Unternehmer Todd Westby, Chef von Three Square Market, einem Anbieter von Verkaufsautomaten im Bundesstaat Wisconsin, wiederum lädt seine Mitarbeiter ab und zu auf „Chips und Salsa“-Abende ein, wo mutige Freiwillige bei mexikanischen Snacks einen Elektronikchip zwischen Daumen und Zeigefinger eingesetzt bekommen. Mit der Technologie können sich die Mitarbeiter zum Beispiel schneller an ihren Computer anmelden.
Und auch in Deutschland feierte sich erst kürzlich die Elektronikmarktkette Media Markt Saturn dafür, nun einen Chief Cyborg Officer in den eigenen Reihen zu haben, der vor seiner Chip-Implantation ein schnöder IT-Manager war. So sehen Marketing-Gags wohl im Cyborg-Zeitalter aus.

Weltweit haben sich insgesamt rund 70.000 Menschen freiwillig chippen lassen, schätzt Patrick Kramer. Er ist Chef des Hamburger Unternehmens Digiwell, einer Art Amazon für Cyborg-Chips und andere Accessoires, mit denen sich der eigene Körper technisch aufrüsten lässt. „Body Hacking“ nennen sie das Chip-Update für den Menschen.

Etwa 2.000 Implantate hat allein Kramers Team in den letzten Jahren gesetzt. Aber auch Sets zum Selbstchippen werden immer beliebter, erzählt der Unternehmer. Die günstigsten Pakete inklusive Spritze gibt es schon für knapp 50 Euro zu kaufen.

Hacking für den Körper

Doch längst nicht alles, was derzeit ausprobiert wird, ist auch sinnvoll. Neben moralischen und datenschutzrechtlichen Bedenken – vor allem beim Chippen der eigenen Belegschaft – weist Jan Claas van Treeck vom Lehrstuhl für Medientheorien an der Berliner Humboldt-Universität auf eine weitere Hürde hin.

So sind viele der Mikrobauteile technologisch betrachtet auf einem Stand, der etwa zwei Jahrzehnte alt ist. Damals hat sich der Kybernetik-Professor Kevin Warwick von der Reading University als erster Mensch überhaupt einen Chip implantiert. Viel getan habe sich seither auf der technischen Seite nicht, so van Treeck. „Wir müssen keine Sorge haben, dass diese Chips uns zum Terminator machen werden.“

Was außerdem in einem Hotel in München funktioniert, muss in New York oder Abu Dhabi noch lange nicht klappen. Das liegt an den unterschiedlichen Standards, die parallel am Markt für die Kombination aus Chip und Lesegerät existieren. Um für alle Fälle gerüstet zu sein, hat Körperchip-Händler Kramer derzeit drei unterschiedliche Chip-Implantate in seinen Händen. Demnächst soll ein viertes hinzukommen: der Vivokey.

Der dürfte, wenn man Gesprächspartnern aus der Szene glauben darf, neue Standards setzen: Neben einem größeren Speicher ist der Clou ein zusätzlicher Mikroprozessor. Der kann neuerdings ganze Spezial-Apps abspielen, statt nur einen bestimmten Code per Funk zu übermitteln. So soll die Innovation vor allem der sicheren Verschlüsselung dienen – etwas, was die bisherigen simplen Speicherchips nicht beherrschen.

Im Frühjahr 2019 soll der Vivokey auf den Markt kommen. Dann könnte der kryptografische Schlüssel im eigenen Körper auch dazu dienen, Nachrichten fälschungssicher zu unterschreiben, den Zugang zu sensiblen Bereichen der eigenen Webseite besser abzusichern oder Finanztransaktionen abzuwickeln – sowohl privat beim Onlineshoppen als auch geschäftlich im Einkauf.

Sollte sich eine der Chip-Anwendungen durchsetzen, dürften sich mehr und mehr Cyborg-Pioniere den neuartigen Schlüssel einpflanzen lassen. Als besonders aussichtsreiche Anwendung gilt das bargeldlose Bezahlen.

Das Problem ist jedoch: Noch kooperiert keine Bank oder Kreditkartengesellschaft mit dem Anbieter des neuartigen Körperchips. Für den Hannoveraner Unternehmer Ferrer Rivero, der mit seiner zweiten Firma Unternehmen zur Digitalwährung Bitcoin berät, ist das neue Implantat jedoch interessant.

Er hat sich als Beta-Tester des Vivokeys registriert, weil es ihm wahrscheinlicher erscheint, dass sich der Schlüssel vor allem im Bereich Kryptowährungen etablieren wird. Damit dürfte die Technologie allerdings dort bleiben, wo sie auch heute schon ist: in der Nische.