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Chinas Megakonzerne funktionieren nicht

Nur Größe zählt, glaubt Chinas Führung und schmiedet riesige Konzerne. Doch die passen nicht zusammen und sind kaum zu managen.

Am Ende von Ren Jianxins Sanierungsplan stehen zwei Euro. Dafür bekommt man eine dampfende Schüssel Nudeln mit Schweinefleisch und Eiern. Ren ist kein Koch, sondern Chef von ChemChina, dem größten Chemiekonzern des Landes. Um niemand entlassen zu müssen, gründete er eine Fast-Food-Kette. Exarbeiter kochen nun landesweit Nudelsuppe.

Auch wenn diese zu den besten in China gehört: Peking hat andere Pläne für das Unternehmen. Seit Monaten sieht es danach aus, dass ChemChina mit Chinas Nummer zwei SinoChem fusionieren soll. Die Regierung baut Superkonglomerate, die China wettbewerbsfähiger machen sollen. 2015 wurden die größten Zughersteller fusioniert, 2016 folgten fünf Megafusionen, so die der Giganten Baosteel und Wuhan Iron and Steel.

„Peking glaubt, nur wenn chinesische Firmen ihre Ressourcen vereinen, können sie technologisch mit Ausländern mithalten“, sagt Cai Shuheng, Managementprofessor in Shanghai. Um wahrgenommen zu werden, müsse man schnell an Größe zulegen, bestätigt ein Spitzenmanager von ChemChina.

Doch außer dem Streben nach Größe spricht wenig für eine Fusion: Es gibt kaum Überschneidungen zwischen den Konzernen. ChemChina ist stark in der Agrarchemie, SinoChem in der Öl- und Gasförderung. Und die Kulturen sind grundverschieden:

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ChemChina gilt als dynamisch, Chef Ren Jianxin als cleverer Geschäftsmann. Wegen Ren sei er zu ChemChina gegangen, sagt ein ausländischer Manager. Ren ist Überlebenskünstler: Kaum ein Chef eines Staatskonzerns hat sich so lange außerhalb der Schusslinie Pekings halten können. „In China haben Menschen genauso viel Angst davor, bekannt zu werden, wie Schweine davor, fett zu werden“, heißt es im Land.

Ren hatte in den Achtzigerjahren mit ein paar Tausend geliehenen Dollar Reinigungsmittel produziert. 2004 hatte er einen Konzern, der auf Druck Pekings mit dem Ministerium für die Chemieindustrie verschmolzen wurde und heute als Staatskonzern 40 Milliarden Dollar umsetzt. Und kräftig einkauft, oft auf Pump: den Siliziumproduzenten Elkem in Norwegen, den Agrarchemiker Adama in Israel, Reifenbauer Pirelli in Italien und Maschinenbauer KraussMaffei. Der Schweizer Saatguthersteller Syngenta, das Finale dieser Zukaufsserie, ist die größte Übernahme, die in China bisher gestemmt wurde.

Die 1950 gegründete SinoChem ist dagegen eher schläfrig und konsensorientiert. Ebenfalls eines der größten Staatsunternehmen, aber im Ausland kaum präsent, dafür aber mit 200 Töchtern: Chemie, Landwirtschaft, Energie und Immobilien. „Ein Gemischtwarenladen“, sagt ein Manager aus der Branche. Anders als bei ChemChina arbeiten bei SinoChem kaum ausländische Topmanager. Übernahmen scheiterten, deshalb macht SinoChem Gemeinschaftsprojekte, etwa mit der niederländischen DSM bei Chemikalien.

Der Einfluss Pekings ist größer als bei ChemChina. Mit fatalen Folgen: Zwar sollen auch Staatsunternehmen Gewinne machen. In ihren Führungsgremien sitzen aber Kader, die auf den rechten Weg achten. „Dort wird unmissverständlich klargemacht, was Peking will“, sagt ein Spitzenmanager, der bei einer SinoChem-Tochter arbeitet. Peking will keine Pleiten und keine Bilder von entlassenen Angestellten, die das Vertrauen in das politische System erschüttern könnten, sagt der Manager. Deshalb werden die Giganten lieber fusioniert als gesundgeschrumpft – egal, wie überschuldet sie sind.


Mächtige Gegenspieler

Die Fusion der Chemieriesen soll helfen, dass ChemChina seine Überschuldung in den Griff bekommt. Die Schulden sind 2,5 Mal so hoch wie das Eigenkapital, die Quote ist doppelt so mies wie bei SinoChem. Die Zwangsfusion soll ChemChina helfen, die Übernahme von Syngenta besser zu verkraften. In Peking heißt es, dass sich der Konzern an den 42 Milliarden Dollar Kaufpreis verhoben haben könnte.

Dass Ren deshalb seinen Platz räumen wird, gilt als sicher. Er hat dynamisch agiert, aber Schulden angehäuft. Schlimmer: Er gehört einer Clique aus der Jugendorganisation der Partei an, die sich mit der Führung gerade einen Machtkampf liefert. Neuer starker Mann dürfte SinoChem-Chef Ning Gaoning werden, genannt Frank. Sein Verhältnis zu Peking soll ungetrübt sein. „Gewinnen wird, wer politisch besser vernetzt ist“, sagt Cai.

Über die Köpfe der Chefs hinweg

Wie Ning das Konglomerat in den Griff bekommen will, ist trotzdem unklar. „Für so unterschiedliche Geschäftszweige kann niemand das Fachwissen haben“, sagt ein Chemiemanager. Schon heute haben die Konzernzentralen nahezu kapituliert, überlassen die einzelnen Geschäftsfelder den zuständigen Führungskräften, achten höchstens darauf, ob sie Geld bringen. Nur große Investitionen und Übernahmen werden von der obersten Führungsetage abgenickt. Synergien werden kaum gehoben. „Die Integration wird langwierig und extrem schwierig sein“, sagt Cai Shuheng. Das bestätigt auch ein Manager aus dem Umkreis des Unternehmens, der beide Chefs gut kennt. Beide sollen die Fusionsentscheidung für falsch halten. Sie soll zudem über ihre Köpfe hinweg getroffen worden sein. „Unsteuerbar“ habe Ning das neue Konglomerat genannt.

Noch-Weltmarktführer BASF bleibt denn auch gelassen: „Wenn der Wettbewerb in China stärker geordnet wird und Umweltfragen wichtiger werden, könnten wir sogar profitieren“, sagt ein BASF-Manager. Doch China hat Zeit, sagt Professor Cai: „Haben sich die Giganten in ein paar Jahren sortiert, werden sie zu mächtigen Gegenspielern.“

KONTEXT

Die größten Chemiekonzerne der Welt

Platz 10

PPG Industries (USA)

Mit 15,33 Milliarden US-Dollar Jahresumsatz landet das US-Unternehmen mit Firmensitz in Pittsburgh (Pennsylvania) auf dem zehnten Platz der umsatzstärksten Chemieunternehmen weltweit.

Zu den Produktbereichen gehören Kunstglasprodukte, Kunstharze und Beschichtungswerkstoffe für Raumfahrt, Architektur und Industrie.

Quelle: Unternehmensangaben, Statista 2017 / Gesamtjahr 2016, jeweils letzte verfügbare Angaben

Platz 9

Linde (Deutschland)

Der deutsche Technologiekonzern mit dem Kerngeschäft um Gase und Prozess-Anlagen hat im letzten Jahr 17,83 Milliarden US-Dollar Umsatz gemacht und erreicht so den neunten Platz im Unternehmensranking.

Platz 8

Air Liquide (Frankreich)

Auf Platz acht des aktuellen Rankings landet das führende, französische Unternehmen bei Gasen für Industrie, Medizin und Umweltschutz. 19,08 Milliarden US-Dollar Jahresumsatz in 2016 machen dies möglich. Mit Linde und Praxair zählt Air Liquide zu den drei größten Industriegasherstellern der Welt.

Platz 7

Henkel (Deutschland)

Der Düsseldorfer Konzern gliedert sich in drei Unternehmensbereiche: Wasch-/Reinigungsmitte, Schönheitspflege und die Klebstoffe und fuhr 2016 einen Jahresumsatz von 19,69 Milliarden US-Dollar ein. In naher Zukunft möchte der Siebtplatzierte sowohl die US-Firma Darex Packaging Technologies für mehr als 1,05 Milliarden US-Dollar übernehmen als auch den mexikanischen Anbieter von Friseurprodukten Nattura Laboratorios aufkaufen. Der Düsseldorfer Konsumgüterkonzern will so vor allem das eigene Friseurgeschäft in Mexiko und den USA ausbauen.

Platz 6

DuPont (USA)

24,6 Milliarden US-Dollar Umsatz und Platz sechs für den Konzern für Chemie, Materialien und Energie. Im Dezember 2015 gaben DuPont und der Konkurrent Dow Chemical bekannt, dass sie fusionieren wollen. Danach soll das Gemeinschaftsunternehmen in drei börsennotierte Unternehmen für Agrarchemikalien, Spezialchemikalien und Kunststoffe aufgespalten werden.

Platz 5

Lyondell Basell (USA)

Im Mittelfeld des Rankings und mit 29,18 Milliarden US-Dollar Jahresumsatz landet Lyondell Basell. Der weltweit größte Produzent von Polyolefinen und Katalysatoren betreibt zudem Erdölraffinerien und produziert Treibstoffzusätze wie MTBE.

Platz 4

Saudi Basic Industries (Saudi-Arabien)

Unverändert auf dem vierten Platz befindet sich der saudi-arabischer Chemie- und Metall-Konzern Saudi Basic Industries. Mit 39,5 Milliarden US-Dollar Jahresumsatz reichte es für Metallkonzern nicht für den Sprung unter die Top-3-Chemiekonzerne. Neben Grundchemikalien wie Methanol und Ethanol stellt das Unternehmen aus dem Nahen Osten auch Düngemittel her.

Platz 3

Dow Chemical (USA)

Mit 48,16 Milliarden US-Dollar Umsatz fiel der zukünftige Fusionspartner von DuPont um einen Platz im Vergleich zum Vorjahr. Die Hauptgeschäftsbereiche des US-Unternehmens aus Midland (Michigan) erstrecken sich auf die Kunststoffherstellung, Vorprodukte für die Wasseraufbereitung, Klebstoffe, Insektiziden, Saatgut und die Herstellung von Grundstoffen wie Chlor und Natronlauge.

Platz 2

Bayer (Deutschland)

Der zweitplatzierte deutsche Konzern (49,2 Milliarden US-Dollar Umsatz 2016) mit Schwerpunkt auf der chemischen und pharmazeutische Industrie plant eine Megafusion mit Monsanto. Damit möchte das Unternehmen seine Agrarchemie-Sparte um genverändertes Saatgut erweitern. Um diese umstrittene Fusion unter Dach und Fach zu bringen, sollen Bayer und Monsanto bereit sein, Firmenteile für 2,5 Milliarden Dollar zu verkaufen.

Platz 1

BASF (Deutschland)

Unveränderter Spitzenreiter mit 60,54 Milliarden US-Dollar Jahresumsatz: BASF. Der nach Umsatz und Marktkapitalisierung weltweit größte Konzern, mit Hauptsitz in Ludwigshafen am Rhein, wird sich angesichts der Megafusionen in der Branche künftig neu positionieren müssen. Dabei würde aber, laut Unternehmensführung, mehr Wert auf die Wettbewerbsfähigkeit der bestehenden Geschäftsfelder, als an Größe an sich gelegt werden.