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China nimmt Banken in Corona-Krise in die Pflicht – und gefährdet so deren Stabilität

Die chinesische Regierung will mit fiskal- und geldpolitischen Instrumenten die heimische Wirtschaft stützen. Doch die Maßnahmen sind nicht ohne Risiko.

Seit Tagen bereitet Chinas Staatsführung die Landsleute auf einen „Krieg“ gegen das neuartige Coronavirus vor, genauer einen „Volkskrieg“. „Es ist unvermeidlich, dass die neue Coronavirus-Epidemie erhebliche Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft haben wird“, sagte Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping am Sonntag in einer Fernsehansprache. Oberstes Ziel sei es nun, diese Effekte abzumildern.

Experten erwarten, dass Regierung und Notenbank die Wirtschaft weiter massiv stützen werden. Doch das birgt Gefahren, beispielsweise eine zu hohe Verschuldung der Unternehmen und mehr ausfallgefährdete Kredite in den Bankbilanzen. „Im Moment hat für die Regierung absolute Priorität, die Wirtschaft wieder zum Laufen zu bringen“, sagt China-Experte Klaus-Jürgen Gern vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel). „Dafür nimmt sie in Kauf, dass sich die Probleme bei notleidenden Krediten verstärken.“

Die Wirtschaft der Volksrepublik ist seit den Neujahrsferien Mitte Januar nahezu zum Erliegen gekommen. Grund sind die umfangreichen Restriktionen für den Personen- und Warenverkehr, die die Ausbreitung des Coronavirus verhindern sollen. Die Zahl der Neuinfektionen im Land steigt dennoch weiter an – an diesem Dienstag auf insgesamt 508 Fälle. Bislang haben sich mehr als 77.600 Menschen in China mit dem Krankheitserreger angesteckt.

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Je länger die Krise dauert, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Arbeitslosigkeit steigt. Erste Unternehmen haben bereits vor drohender Zahlungsunfähigkeit gewarnt, wichtige Lieferketten sind unterbrochen. Doch eine höhere Arbeitslosigkeit will die chinesische Regierung unbedingt verhindern, da es dann zu sozialen Unruhen in dem autokratisch geführten Land kommen könnte.

Also nimmt sie die Banken in die Pflicht. Die Institute werden wieder zu einer großzügigeren Vergabe von Krediten an Unternehmen angehalten – und sogar dazu aufgefordert, bei fälligen Forderungen Nachsicht walten zu lassen, wie ein Vertreter von Chinas Banken- und Versicherungsaufsicht zu Wochenbeginn erklärte. Dieser Schwenk ist beachtlich, denn damit könnte der Anteil an Problemkrediten in den Bankbilanzen wieder steigen.

Dabei stellten eben solche Darlehen in der Vergangenheit ein großes Risiko für die chinesische Wirtschaft dar. In den vergangenen zwei Jahren bemühte sich die Regierung in Peking denn auch, dieses Problem in den Griff zu bekommen und das Schattenbankenwesen zu bekämpfen.

Dazu gab es strengere Auflagen: Geldhäuser mussten Problemkredite transparenter ausweisen, und deren Anteil am Gesamtkreditbestand durfte eine bestimmte Höhe nicht überschreiten. Dass die Aufräumaktion noch lange nicht abgeschlossen ist, zeigte sich erst im vergangenen Jahr: Die chinesische Regierung musste mehrere Banken stützen, was Zweifel an der Stabilität des Bankensektors aufkommen ließ.

Das schwierigste in der gegenwärtigen Situation sei, die Balance zu wahren, sagt Ding Yuan, Vizepräsident der China Europe International Business School (Ceibs) in Schanghai: „Zwischen einer Lockerung der Liquidität, um die Unternehmen zu unterstützen, auf der einen Seite und auf der anderen Seite dem Anspruch, den Aufbau neuer uneinbringlicher Forderungen für das Bankensystem zu vermeiden.“

IfW-Experte Gern glaubt, dass wahrscheinlich auch die Kreditvergabe an marode Staatsunternehmen ausgeweitet wird. Schon in der Vergangenheit bereitete die hohe Verschuldung der Unternehmen in China Ökonomen Sorgen. Nach Berechnungen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) lag die Verschuldung der Unternehmen im Jahr 2018 bei etwa 152 Prozent der Wirtschaftsleistung. Zum Vergleich: In Deutschland lag der Anteil nur bei rund 57 Prozent und in den USA bei 74 Prozent.

Ein großes Problem in der Vergangenheit war, dass die staatlichen Banken auf Druck der Regierung Kredite an marode Staatsunternehmen vergeben haben, die ihre Schulden nicht zurückzahlen können. Private Unternehmen hatten das Nachsehen. Iris Pang, die für China zuständige Volkswirtin der ING Bank, sieht eine immer stärkere Belastung der chinesischen Banken.

„Die Ausweitung der Rückzahlungen und die Bereitstellung zusätzlicher Kredite bedeutet, dass die Banken unter zusätzlichen Kapitaldruck geraten werden“, schreibt sie in einer aktuellen Analyse. Liquidität sei jedoch noch kein Thema. Sie erwarte, dass die chinesische Zentralbank Liquidität durch Offenmarktgeschäfte oder gezielte Kürzungen des Mindestreservesatzes steuern könne.

Auch die Notenbank mischt mit

Anders als in Europa oder den USA mischt sich in China auch die Notenbank direkter in die Kreditvergabe der Banken ein, erklärt IfW-Experte Gern. Dennoch hat die chinesische Notenbank zuletzt versucht, diese direkte Steuerung der Kreditvergabe zurückzufahren und ihre Geldpolitik stärker über die Zinsen auszuüben. Allerdings gibt es in der Volksrepublik keinen Leitzins, an dem sich die ganze Geldpolitik ausrichtet, sondern verschiedene Instrumente.

Eines davon sind die Mindestreservesätze der Banken („RRR“), also Pflichtguthaben, die die Institute bei der Notenbank halten müssen. Je niedriger sie sind, desto mehr Liquidität haben die Banken zur Kreditvergabe zur Verfügung.

„Bislang hatten die Mindestreservesätze für die Banken die größte Signalwirkung“, erklärt Andreas Busch, Analyst beim Vermögensverwalter Bantleon. Inzwischen sei auch die Loan Prime Rate (LPR) sehr wichtig. Das ist der Zins für Kredite, den die Banken ihren bonitätsstärksten Kunden berechnen. Der von einer Gruppe von 18 Banken ermittelte Referenzzinssatz wird am 20. eines jeden Monats veröffentlicht.

Seit August arbeitet die chinesische Zentralbank daran, dass der LPR als De-facto-Benchmark für Finanzierungskosten in China gilt. Die Notenbank kann den einjährigen LPR durch verschiedene kurzfristige Zinssätze beeinflussen, die sie festlegt. Zuletzt ist der einjährige LPR von 4,15 auf 4,05 Prozent gefallen.

Der fünfjährige LPR sank ebenfalls, allerdings nicht so stark von 4,8 Prozent auf 4,75 Prozent. Experten glauben, dass die chinesische Notenbank mit den aktuellen geldpolitischen Lockerungen die kurzfristige Finanzierung beeinflussen will. Dabei geht es vor allem darum, Liquiditätsengpässe zu vermeiden.

Dass China bei langfristigen Zinsen zurückhaltender ist, führt Busch auch darauf zurück, dass dort die langfristigen Risiken für die Finanzstabilität größer sind. „Wenn die längerfristigen Zinsen stärker fallen, besteht die Gefahr, dass wieder mehr Immobilienkredite vergeben werden“, sagt er. Er rechnet aber ebenfalls damit, dass die Geldpolitik noch expansiver wird: „Die chinesische Notenbank wird die Geldpolitik wahrscheinlich noch weiter lockern.“

Ähnliche Erwartungen hat Dhiraj Bajaj, Fondsmanager bei Lombard Odier, der erklärt: „Um den Banken zu helfen, erwarten wir, dass die chinesische Zentralbank die Anforderungen an den Mindestreservesatz (RRR) bis Mitte des Jahres um mindestens 50 Basispunkte weiter senken wird, da die wirtschaftliche Lage sehr ernst ist.“

Yuan wertet deutlich ab

Neben langfristigen Risiken durch eine erhöhte Verschuldung dürfte sich die expansivere Geldpolitik kurzfristig vor allem am Devisenmarkt auswirken. „In der Tendenz wird der Yuan durch eine Lockerung der Geldpolitik geschwächt. Das zeigt sich bereits im Wechselkurs“, sagt IfW-Experte Gern.

In den vergangenen Wochen hat die chinesische Währung bereits deutlich zum US-Dollar abgewertet. Senkt die chinesische Notenbank die Zinsen, wird es für Investoren attraktiver, ihr Kapital in anderen Währungsräumen mit höheren Zinsen anzulegen. Das drückt den Wechselkurs. Ähnlich wirkt sich eine Senkung der Mindestreserven für Banken aus, die letztlich dafür sorgt, dass es mehr Yuan am Devisenmarkt gibt.

„Es würde mich nicht wundern, wenn der Yuan weiter abwertet“, sagt Gern. In der Vergangenheit hatte US-Präsident Donald Trump China vorgeworfen, den Yuan-Kurs künstlich zu drücken, um sich so Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. In der gegenwärtigen Situation erwartet der IfW-Experte aber eher keine Kritik von der US-Regierung. Für eine Abwertung gebe es in der Coronakrise gute Gründe.