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Warum China zur großen Hoffnung von Big Pharma wird

China hat sich zum größten Wachstumsmarkt für westliche Pharmakonzerne entwickelt. Die versuchen nun, ihre Position auch durch Zukäufe auszubauen.

Der Deal ist der bislang wohl größte im chinesischen Pharmasektor und zugleich exemplarisch für die schleichende Gewichtsverlagerung im globalen Pharmageschäft: Für 2,7 Milliarden Dollar erwirbt der amerikanische Biotechnologie- und Pharmakonzern Amgen einen Anteil von 20,5 Prozent an der führenden chinesischen Biotechfirma Beigene.

Zugleich vereinbarten die beiden Firmen eine Vertriebsallianz für drei Amgen-Medikamente und eine Forschungs-Partnerschaft mit dem Ziel, 20 Produktkandidaten aus der Pipeline von Amgen gemeinsam für den chinesischen Markt zu entwickeln. „Die Allianz ermöglicht es uns, weitaus mehr Patienten mit unseren Medikamenten zu versorgen und unsere Präsenz im bevölkerungsreichsten Land der Erde zu verstärken“, beschrieb Amgen-CEO Robert Bradway die strategische Rationale hinter der neuen Partnerschaft.

Der Megadeal zeigt, wie viel Potenzial für die westlichen Pharmakonzerne im chinesischen Gesundheitsmarkt steckt. Von Konjunkturflaute und Handelsstreit ist dort nichts zu spüren. Die Volksrepublik hat sich für Big-Pharma vielmehr zu einem maßgeblichen Wachstumstreiber entwickelt und daran dürfte sich auf absehbare Zeit wenig zu ändern.

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Das bestätigten einmal mehr die jüngsten Quartalszahlen aus der Branche: Der US-Konzern Merck & Co etwa meldete für sein Chinageschäft jüngst eine Umsatzsteigerung um enorme 87 Prozent auf knapp 900 Millionen Dollar im dritten Quartal. Gegenüber der bereits sehr starken Performance im ersten Halbjahr hat sich für den US-Konzern das Wachstum in China damit sogar noch beschleunigt. Ähnliches gilt für die britische Astra Zeneca, deren Chinaumsätze im dritten Quartal währungsbereinigt um 40 Prozent und in den gesamten ersten neun Monaten um 37 Prozent zulegten.

China-Boom ist keine Eintagsfliege

Bei den meisten anderen Pharmahersteller entwickelt sich das Geschäft in der Volksrepublik zwar nicht derart dynamisch, aber trotzdem offenbar besser als in den meisten anderen Märkten. Sanofi etwa steigerte seine Erlöse in China und anderen Schwellenmärkten in den ersten neun Monaten um neun Prozent, während das gesamte Pharmageschäft des Konzerns um gerade mal zwei Prozent zulegte.

Der China-Boom ist für Big-Pharma dabei keineswegs eine Eintagsfliege. Der wachsende Arzneimittel-Bedarf gibt der Branche vielmehr bereits seit mehr als zehn Jahren Schub und trug damit maßgeblich dazu bei, die Pharmabranche trotz Innovationsflaute und steigendem Preisdruck im Westen noch auf leichtem Wachstumskurs zu halten.

Typisches Beispiel ist etwa der US-Konzern Pfizer, dessen China-Geschäft in den vergangenen beiden Jahren um mehr als ein Drittel zulegte, während die Gesamterlöse im Konzern mehr oder weniger stagnierten. Der Anteil des Chinaumsatzes bei Pfizer stieg damit von sechs auf acht Prozent.

Nach Daten des Marktforschungsunternehmens Iqvia hat sich das Marktvolumen des chinesischen Pharmamarktes seit 2008 von rund 40 Milliarden Dollar auf 137 Milliarden Dollar im Jahr 2018 mehr als verdreifacht. Mit mehr als elf Prozent Anteil am globalen Pharmaumsatz ist China damit inzwischen vor Japan zweitgrößter Arzneimittelmarkt der Welt nach den USA.

Für die kommenden fünf Jahre bis 2023 geht der Marktforscher von einem weiteren Wachstum auf bis zu 170 Milliarden Dollar aus. Doch diese Schätzung fällt vor dem Hintergrund der jüngsten Firmenzahlen womöglich zu konservativ aus. „Natürlich gibt es Risiken“, räumte AstraZeneca-Chef Pascal Soriot im jüngsten Analysten-Call ein. „Aber China ist auch voller Möglichkeiten.“

Die britische Analyse- und Beratungsfirma GlobalData sieht den chinesischen Pharmamarkt schon 2022 bei mehr als 200 Milliarden Dollar Umsatz. Und auch Experten der Rating-Agentur Moody’s gehen davon aus, dass China weiter ein Wachstumstreiber für die globale Pharmaindustrie bleibt, der auch in den nächsten Jahren die nachlassende Dynamik in den westlichen Märkten kompensieren könnte.

„Die erweiterte Kostenerstattung im Gesundheitssektor wird für signifikante Absatzsteigerungen sorgen“, heißt es in einer Analyse der Ratingagentur. Firmen mit bisher bereits starken Positionen in China wie etwa Pfizer AstraZeneca, Sanofi, Bayer, Novartis und Roche seien dabei in einer besonders günstigen Ausgangsposition, um das Potenzial zu nutzen.

Gefragte Krebsmittel

Vor allem der wachsende Wohlstand und der demografische Wandel in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt sowie gesundheitspolitische Reformen in China sprechen für weiter günstige Perspektiven für die Pharmabranche. Volkskrankheiten wie Krebs und Diabetes haben bei den 1,4 Milliarden Einwohnern Chinas zugenommen – und die Regierung in Peking misst dem Thema Gesundheit hohe Bedeutung bei.

Nicht umsonst verbuchen daher Firmen mit innovativen Krebsmitteln wie Merck & Co oder Astra Zeneca derzeit besonders stürmisches Wachstum in China. Auch die Allianz von Amgen und Beigene ist voll auf Krebsmedikamente fokussiert. Denn der chinesische Onkologiemarkt könnte riesig werden. Mit mehr als vier Millionen ist die Zahl der jährlichen Krebserkrankungen in China schon heute in etwa doppelt so hoch wie in den USA. Und in den kommenden zwei Jahrzehnten wird sie nach Schätzung der WHO auf etwa 6,7 Millionen Fälle steigen.

Im Jahr 2016 hatte Peking den Plan „Gesundes China 2030“ verabschiedet. Die Staatsführung setzt neben Prävention und Gesundheitsaufklärung auch darauf, der chinesischen Bevölkerung Medikamente zu einem erschwinglichen Preis zu bieten. Das soll neben erheblichen Steuernachlässen auf Medikamente auch damit erreicht werden, dass mehr Medikamente von der chinesischen Krankenversicherung abgedeckt werden. Allein im Jahr 2019 wurden laut Zahlen der Nationalen Sicherheitsbehörde des Gesundheitswesens 128 neue Präparate zu den erstattungswürdigen Medikamenten hinzugefügt.

Zudem setzt die Regierung auf eine schnellere Entwicklung von innovativen Mitteln. So wurde laut der Einschätzung von Branchenvertretern der Zulassungsprozess für neue Medikamente sowohl von lokalen als auch von multinationalen Konzernen beschleunigt.

Für die Pharmabranche erwachsen damit auch neue Herausforderungen auf dem Wachstumsmarkt China. Zum einen dürfte sich die Struktur des Marktes erheblich verändern. Waren es in der Vergangenheit noch maßgeblich die älteren, vielfach patentfreien Arzneien, mit denen die westlichen Pharmafirmen in China reüssierten, verlagert sich das Geschäft jetzt in Richtung in Innovationen. Dauerte es früher Jahre, um eine Neuentwicklung in China auf den Markt zu bringen, liegen heute zwischen der Erstzulassung eines Medikaments im Westen und der Zulassung in China nur noch wenig Monate.

Preise unter Druck

Zum anderen wächst auch in China der Preisdruck. So üben staatliche Behörden erheblichen Druck auf die Unternehmen aus, ihre Preise zu reduzieren. Je nach Medikament müssen erhebliche Nachlässe gewährt werden, um auf die Erstattungslisten zu gelangen. Die Preiskürzungen, schätzt Moody’s, könnten zum Teil mehr als 50 Prozent der bisherigen Listenpreise betragen. Die Margen bei den betroffenen Produkten dürften damit deutlich sinken.

Pharmaunternehmen müssen sich zudem, wenn alles nach Plan der chinesischen Kommunistischen Partei (KP) geht, auf wachsende Konkurrenz aus dem Reich der Mitte einstellen. Die Branche gehört zu einer von zehn Schlüsselindustrien, die die Staatsführung in ihrer „Made in China 2025“-Strategie identifiziert hat.

In diesen Bereichen will die Volksrepublik technologisch aufholen und weltweit führende Unternehmen aufbauen. Denn vor allem im Bereich der originären Medikamentenentwicklung sind chinesische Unternehmen nicht vertreten. Peking setzt dabei auf üppige Subventionen und eine Konsolidierung der Branche.

Vor allem in der Entwicklung neuer Biotech-Medikamente sind chinesische Firmen inzwischen stark aktiv. Der neue Amgen-Partner Beigene zum Beispiel arbeitet an mehreren neuartigen Medikamenten gegen Leukämien und Lymphome, für die man ab 2020 auch Zulassungen in den USA anstrebt. Mehr als 100 klinische Studien laufen inzwischen bei chinesischen Universitäten und Firmen im Bereich innovativer Gen- und Zelltherapien gegen Krebs.

Aus dem Blickwinkel der etablierten Pharma-Akteure gewinnt die Volksrepublik damit auch als F+E-Standort zusehends an Bedeutung. Novartis etwa investierte bereits 2016 rund eine Milliarde Dollar in ein großes F+E-Zentrum in Shanghai, wo inzwischen mehr als 700 Forscher für den Schweizer Pharmariesen arbeiten.

Die Darmstädter Merck-Gruppe betreibt seit 2009 bereits ein Pharmaforschungs-Zentrum in Peking und eröffnete vor wenigen Tagen einen weiteren „Innovation-Hub“ in Shanghai. Zugleich legte der Konzern erstmals einen Seed-Capital-Fonds für junge chinesische Firmen im Technologie- und Gesundheitssektor auf. Gemeinsam mit lokalen Partnern wolle man Innovationen voranbringen“, beschrieb Merck-Chef Stefan Oschmann das Ziel, und dies „in China, für China und darüber hinaus.“