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Chefs von Constantin Film: „Lange können wir das nicht durchhalten“

Drehs sind gefährdet, Blockbuster kommen zunächst nicht ins Kino. Martin Moszkowicz und Oliver Berben sprechen über die Corona-Folgen für die Filmbranche.

Die Constantin Film versteht sich als der größte, konzernunabhängige Film- und Fernsehproduzent der Republik. In der Münchener Zentrale wurden Kino- und TV-Hits erschaffen wie „Die unendliche Geschichte“, „Der Schuh des Manitu“ oder „Die Päpstin“, ebenso die „Fack ju Göhte“-Trilogie oder zuletzt der Kassenhit „Das perfekte Geheimnis“.

Aber auch die Constantin leidet – wie die deutsche und globale Filmindustrie in toto – unter den Corona-Kollateralschäden. „Es gibt keinerlei Planbarkeit mehr“, klagt Vorstandschef Martin Moszkowicz im Handelsblatt-Interview: „Lange können wir das so nicht durchhalten, muss man ganz klar sagen.“ Und sein Vorstandskollege Oliver Berben flankiert: „Von Normalität sind wir in der Branche alle weit entfernt.“

Noch immer ist nicht einmal klar, wann teure Blockbuster überhaupt wieder in die Kinos gebracht werden können und ob der Stopp einer neuen Produktion durch einen Corona-Fall im Drehteam abgesichert wäre. „Die Versicherungsbranche hat in dieser Situation kein besonders gutes Bild abgegeben“, mahnt Moszkowicz, der die Versicherer „mit dafür verantwortlich“ macht, „dass wir nun derartige Probleme haben“.

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Die beiden Constantin-Führungskräfte fordern deshalb von der Regierung in Berlin einen Ausfallfonds „als eine Art Rückversicherung oder Bürgschaft, die aber stark befreiend auf die gesamte Branche wirken könnte“, sagt Berben. Die momentane Kurzarbeit für große Teile der Filmschaffenden komme weit teurer, glaubt Vorstandschef Moszkowicz.

Um die Constantin Film noch besser für die Zukunft aufzustellen, soll Berben künftig Vizechef und wohl auch Kronprinz werden. „Es geht vor allem darum, gemeinsam die Firma solide und zukunftssicher aufzustellen“, so Moszkowicz, der zugleich ankündigt: „Sie können sicher sein, dass die Constantin Film bereits in Kürze weitere Key-Mitarbeiter und Firmen an sich bindet.“

Lesen Sie hier das ganze Interview:

Herr Berben, Herr Moszkowicz, wann waren Sie das letzte Mal in einem Kino?
Moszkowicz: Es ist knapp zwei Wochen her….
Berben: … und wir waren da zusammen im Mathäser Filmpalast in München, wo wir uns auf einer großen Leinwand und mit perfektem Ton einen unserer eigenen Filme angeschaut haben. Es ist angesichts der aktuellen Rahmenbedingungen ein eher trauriges und deprimierendes Erlebnis zu sehen, wie leer solche sonst so lebendigen Orte derzeit oft sind.

In Kalifornien, der Heimat Hollywoods, mussten die Kinos gerade wieder komplett geschlossen werden. In Deutschland sind sie zwar geöffnet, aber aufgrund der Abstandsregeln und wenig Film-Nachschub kaum besucht. In welchem Zustand ist die globale, aber auch die deutsche Filmindustrie?
Moszkowicz: Ich will vermeiden, dass ausgerechnet unsere Branche zu verheult rüberkommt. Aber natürlich sind wir derzeit alle schwer getroffen. Bei den Kinos kommt erschwerend hinzu, dass die Probleme der US-Regierung bei der Corona-Bekämpfung sich nun ganz konkret selbst auf die deutschen Filmtheater auswirken. Eigentlich sollten jetzt im Sommer etliche amerikanische Blockbuster wenigstens mit Verzögerung endlich starten. Daraus wird jetzt erst mal wieder nichts, weil die Kinos in den USA zum großen Teil geschlossen sind und das Infektionsgeschehen steigt.

Leidet der Fernseh-Bereich genauso?
Berben: Zunächst mal produzieren wir ja Produkte, die auch und gerade in Krisenzeiten wie jetzt eine hohe Nachfrage erleben, wie man in den letzten Monaten nicht nur am Boom des linearen TV und der Streamingdienste sehen konnte. Die Leute wollen unterhalten werden, auf andere Gedanken kommen. Ich bin mir deshalb sicher: Der Bedarf an Programm wird in den nächsten Jahren weiter steigen – unabhängig von den Kanälen der Auswertung. Aber zurzeit haben es natürlich alle Produktionen in der Herstellung schwer, weil umfängliche Versicherungen nicht mehr existieren und auch die Hygienemaßnahmen komplex sind.

In jedem europäischen Land gelten zudem andere Öffnungsregelungen…
Moszkowicz: … was leider zu einem großen Flickenteppich führte, ja. Und jeden Tag können sich die Maßnahmen ändern. Es gibt keinerlei Planbarkeit mehr. Auch wenn der Schutz der Konsumenten für mich selbstverständlich immer Vorrang hat: Es ist schon auch verrückt zu sehen, wie zusammengepfercht die Leute oft stundenlang wieder auf lange Flüge geschickt werden, während in Filmtheatern drastische Abstandsregeln gelten, die den Betrieb kaum wirtschaftlich durchführbar machen.

Kim Ludolf Koch vom Kino-Verbund Cineplex schrieb Ihnen jüngst einen offenen Brief, in dem er Sie förmlich anfleht, Ihre zurückgehaltenen Filme in die Kinos zu bringen, damit das Geschäft wieder anläuft. Was antworten Sie ihm?
Moszkowicz: Das sage ich ihm lieber persönlich, weil solche öffentlichen Debatten nicht viel bringen. Ich verstehe die Probleme der Kinobetreiber. Aber es hilft nichts, den Druck dann ausgerechnet an uns deutsche Produzenten weiterzureichen.

Weil auch die Constantin Film schauen muss, wo sie bleibt?
Moszkowicz: Weil wir sehen müssen, was wir mit den reduzierten Platzkapazitäten in den Kinos derzeit überhaupt erreichen könnten. Und weil wir darauf schon mit reduzierter Werbekraft reagieren müssten, was wiederum für noch weniger Nachfrage sorgen würde… das ist ein Teufelskreis, in den wir uns nicht sehenden Auges stürzen können. Wir sollten die Fragen der Reihe nach beantworten. Und die erste ist: Wie können wir die Kapazitäten der Kinos wieder erhöhen, wie können die bestehenden Hygienekonzepte optimiert werden? Für uns kann ich immerhin sagen: Wir werden bis zum Jahresende jeden Monat einen neuen Film starten.

Natürlich setzt man da erst mal auf Produktionen, die ein jugendliches Publikum ansprechen, das auch am kinoaffinsten ist.
Berben: Kino lebt auch von einer Portion Eskapismus und Freiheit. Der Rahmen ist auch da wichtig – und die psychologische Komponente nicht zu unterschätzen.

Egal, ob wir über Konzerte, Restaurantbesuche oder Shoppingtouren sprechen – vieles hat derzeit seine Unschuld verloren oder macht schlicht keinen Spaß.
Berben: Genau. Und es muss eben auch erst mal wieder das Umfeld stimmen, um an alte Erfolge anknüpfen zu können.

Corona-bedingt musste die Constantin über 30 Projekte stoppen. Wie viele wurden mittlerweile wieder aufgenommen?
Berben: Acht Produktionen aus unterschiedlichen Bereichen sind bereits wieder angelaufen. Und in der Postproduktion wurden weitere fertiggestellt. Von Normalität sind wir in der Branche aber alle weit entfernt, zumal selbst die wieder angelaufenen Produktionen unter teils schwersten Bedingungen arbeiten müssen.
Moszkowicz: Der logistische und finanzielle Aufwand ist gewaltig. Für alle Mitarbeiter und die Künstler ist das anstrengend. Lange können wir das so nicht durchhalten, muss man ganz klar sagen.

Wenn bei Dreharbeiten ein Corona-Fall alles lahmlegt, zahlt weiterhin keine Versicherung, oder?
Moszkowicz: Die Versicherungsbranche hat in dieser Situation kein besonders gutes Bild abgegeben. Ehrlich gesagt: Ich mache sie mit dafür verantwortlich, dass wir nun derartige Probleme haben. Und es ist ja juristisch noch immer nicht geklärt, ob ein derart allgemeiner Ausschluss von Corona-bedingten Risiken wirklich wirksam ist.

Sie fordern deshalb einen Ausfallfonds des Bundes. Was sagt Kulturstaatsministerin Monika Grütters?
Berben: Die Idee dazu wird in den USA schon seit 9/11 in Bezug auf Terrorismusrisiken erfolgreich angewandt. Jeder Produzent ist auf solche Sicherheiten angewiesen. Mittlerweile hatten die Sender uns Produzenten zwar zugestanden, dass sie im schlimmsten aller Fälle und zeitlich befristet 50 Prozent der Kosten übernehmen wollen. Da bei Auftragsproduktionen aber 100 Prozent der Rechte übertragen werden, ist das allerdings in keinem Fall ausreichend. Wo sollen denn die restlichen 50 Prozent herkommen? In anderen Ländern wie Österreich oder Frankreich sind staatliche Ausfallsfonds mittlerweile bereits beschlossen und aktiv.
Moszkowicz: Ich hoffe, dass wir mit Berlin bald eine Lösung finden, die wir dringend brauchen, denn sonst verlieren wir gegenüber anderen Ländern auch schnell unsere Wettbewerbsfähigkeit. Es wäre eine klassische Wirtschaftshilfe, die den Staat womöglich gar nichts kosten, aber eben Sicherheit schaffen würde. Die momentane Kurzarbeit kommt den Steuerzahler teurer.
Berben: Und es wäre ja nur eine Art Rückversicherung oder Bürgschaft, die aber stark befreiend auf die gesamte Branche wirken könnte. Denn im gleichen Moment, in dem so ein Ausfallfonds starten würde, könnten Produktionen sofort starten und Arbeitsplätze wären gesichert.

Wenn man die aktuellen Probleme der Filmwirtschaft sieht und zugleich den Boom der Streamingdienste – welches Medium hat mehr Zukunft: Kino oder TV?
Moszkowicz: Alles hat Zukunft. Das lässt sich ja heute auch gar nicht mehr trennen, denn aus einer Serie wird ja oft ein Kinofilm und umgekehrt. Alle Auswertungsformen bieten weiterhin große Chancen, auch wenn es sicher Verschiebungen gibt. Zurzeit sind ja auch die klassischen Pay- und Free-TV-Anbieter unter Druck, weil es mit Streamern eben sozusagen „New Kids on the Block“ gibt. Wichtig wird sein, dass wir als Constantin Film künftig möglichst viele Auswertungsbereiche in Deutschland und der Welt abdecken und es uns weiterhin gelingt, mit den besten Künstlern erstklassige Produktionen herzustellen.
Berben: Es geht um Flexibilität. Als größtes konzernunabhängiges Unternehmen der Branche in Deutschland müssen wir uns immer neu anpassen können und wandelbar bleiben. Wir haben ja mit jedem neuen Projekt eine wachsende Vielzahl von potenziellen Kunden für alle nur denkbaren Kanäle. Und vor allem: Unseren Zuschauern ist das alles völlig egal. Sie wollen mal im großen Kino einen Blockbuster sehen, mal zu Hause auf der Couch eine ganze Staffel genießen oder einfach auf dem Weg zur Arbeit auf dem Handy ihre Lieblingsserie weiterverfolgen. Das ist es, was wir bedienen müssen.

Nun sollen Sie, Herr Berben, Herrn Moszkowiczs neuer Stellvertreter als Vorstandschef der Constantin werden. Was bedeutet das?
Berben: Eine große Verantwortung und ein großes Glück, denn ich arbeite ja nun auch schon seit über 20 Jahren mit Begeisterung für die Firma. Künftig wollen wir noch stärker Mauern und alte Grenzen einreißen, um noch produktiver zu werden. Gerade in einer Krisenzeit wie jetzt heißt es, Weichen zu stellen für die Zukunft.

Der Vizeposten klingt nach Kronprinz. Wie sieht Ihr Exitplan aus, Herr Moszkowicz?
Moszkowicz: Es gibt keinen. Wir wollen das Unternehmen einfach in den nächsten Jahren gemeinsam weiter nach vorn bringen. Da kann es nur helfen, wenn Oliver und ich unsere 20-jährige Zusammenarbeit weiter intensivieren. Als unser Aufsichtsratschef Bernhard Burgener mich auf eine Verlängerung meines Vorstandsvorsitzes ansprach, habe ich Oliver Berben als Stellvertreter empfohlen. Jetzt wurden wir beide für die nächsten Jahre bestätigt beziehungsweise berufen. Gerade in diesen Zeiten ein wichtiges Zeichen von Stabilität und Kontinuität.

Sie beide liegen altersmäßig nur 13 Jahre auseinander. Läuft das noch als Generationswechsel?
Moszkowicz: Es geht vor allem darum, gemeinsam die Firma solide und zukunftssicher aufzustellen. Dazu braucht es keine streng hierarchische Führung mehr, die auf einen Solisten fixiert ist …

… wie früher sicher unter Bernd Eichinger.
Moszkowicz: … der als Mitinhaber ohnehin eine Sonderstellung hatte und zugleich die Constantin in einer ganz anderen Ära steuerte und zu großen Erfolgen führte. Heute sind gut funktionierende Managementteams gefragt. Wir wollen die Constantin Film noch stärker als bisher als DIE Produktionsfirma in Deutschland positionieren und Künstlern eine universelle Plattform bieten, auf der sie jede Art von Produktion für jede Art der Auswertung realisieren können. Sie können sicher sein, dass die Constantin Film bereits in Kürze weitere Key-Mitarbeiter und Firmen an sich bindet.
Berben: Auch die Constantin hat sich stark verändert. In früheren Zeiten hat das Unternehmen vielleicht zwei Kinofilme pro Jahr produziert. Heute sind es eher 15. Dazu kommen noch rund 1000 Stunden Programm für Fernsehen und Streamingdienste. Das kann ein Verantwortlicher allein nicht mehr steuern. Dazu braucht es eine gute Management-Mannschaft. Der Konkurrenzdruck ist groß. Umso wichtiger wird nach innen wie nach außen auch ein gutes Betriebsklima.

Welcher Akzent ist Ihnen besonders wichtig in der neuen Rolle?
Berben: Tatsächlich die Flexibilität. Dabei wird es auch noch mehr darauf ankommen, mit den richtigen Kreativ-Teams einerseits lokale Produktionen für einen internationalen Markt herzustellen, und andererseits, den europäischen und englischsprachigen Bereich auszubauen. Je stärker sich die Constantin da als Kreativ-Hub positioniert, umso erfolgreicher werden wir. Der Wunsch nach einem guten Zuhause ist heute bei den Künstlern fast noch wichtiger als Fragen des Geldes. Das ist unsere Chance: ein Umfeld zu schaffen, in dem sich Kreative wohlfühlen.

Ihr aktuell wohl größter Schauspielstar, Elyas M’Barek, war schon in Hits wie der „Fack ju Göhte“-Reihe oder zuletzt „Das perfekte Geheimnis“ zu sehen. Geht’s mit ihm weiter?
Moszkowicz: Wir haben eine Rahmenvereinbarung mit ihm für neue Kinofilme. Ein konkretes Projekt namens „Babytalk“ soll im Herbst unter der Regie von Mark Rothemund in den Dreh gehen. Aber natürlich werden wir die Zusammenarbeit mit Bora Dagtekin, dem Regie-Mastermind hinter den erwähnten Filmen und seiner Produzentin Lena Schömann fortführen. Schon heute ist die Constantin Film führend bei der Bindung von etablierten Künstlern und neuen Talenten. Das wollen wir weiter ausbauen.

Herr Berben, Sie hatten ursprünglich zunächst Elektro-, Luft- und Raumfahrttechnik studiert. Wieso landeten Sie dann doch beim Film?
Berben: In den Semesterferien habe ich damals bei den unterschiedlichsten Produktionen gearbeitet – vom Beleuchter über den Kamera-Assistenten bis zum Aufnahmeleiter. Dann gründete ich mit 22 meine erste Firma, Moovie, die später an die Constantin andockte.

Was haben Sie von Ihrer Mutter vor allem gelernt, mit der Sie ja viele gemeinsame Projekte gestemmt haben?
Berben: Vor allem: Nie aufgeben! Immer weitermachen!

Vergangenes Jahr hatte die Constantin einen Umsatz von 264 Millionen Euro. Wagen Sie eine Prognose fürs Corona-Jahr 2020!
Moszkowicz: Alle haben riesige Probleme derzeit. Insofern ist es für Vorhersagen selbst jetzt im Juli noch zu früh. Es wird jedenfalls kein gutes Jahr – egal, für wen in der Branche man spricht. Bisher gehen wir aber davon aus, dass wir unsere Ziele erreichen, wenn auch am unteren Rand unserer internen Guidance. Nächstes Jahr sieht es dann anders aus: Da wird es eine Unmenge Produktionen geben, die in die TV-Sender und Kinos drängen.

Dieses Überangebot wird dann auch wieder gefährlich werden, weil es dann noch schwerer wird für den einzelnen Film, sich durchzusetzen, oder?
Moszkowicz: Leider ja. Der Wettbewerb wird härter. Dennoch glaube ich, dass 2021 ein grandioses Jahr werden wird – auch und gerade für die Zuschauer.
Berben: Das Echo der Coronakrise werden wir noch zu spüren bekommen, denn es fehlt dann natürlich auch an jenen Werbegeldern, die die Produktion neuer Stoffe letztlich erst möglich machen. Dieses bisschen Wasser muss ich in Martins Wein gießen. Aber ansonsten bin ich natürlich Berufsoptimist wie er.

Herr Berben, Herr Moszkowicz, vielen Dank für das Interview.