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Ist euer Chef ein Narzisst, gibt es nur einen Weg, euch zu schützen, sagt ein Arbeitspsychologe

Narzisstische Chefs können ihren Mitarbeitern das Leben zur Hölle machen.
Narzisstische Chefs können ihren Mitarbeitern das Leben zur Hölle machen.

Im Vorstellungsgespräch war noch alles gut. Der Chef wirkte sympathisch, charismatisch, riss Witze und war generell sehr umgänglich. Alles, was er sagte, klang toll und ihr wart stolz, dass diese erfolgreiche Person euch in seinem Team haben will.

Doch jetzt, nach ein paar Wochen im Job, hat die Fassade Risse bekommen. So langsam habt ihr den Eindruck, der Chef hält euch und eure Kollegen für Idioten. Komplimente sind erwünscht, Kritik angeblich auch — wenn ihr sie aber äußert, wird sofort zurückgeschossen. Wenn ihr Erfolge feiert, führt er das auf sich zurück. Für Krisen hingegen tragt ihr die die Schuld — da habt ihr wohl eure Arbeit einfach nicht gut genug gemacht.

Kommt euch das bekannt vor, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass ihr es mit einem extremen Narzissten zu tun habt.

„Narzisstische Führungskräfte führen, damit sie sich besser fühlen“

Es gibt Chefs, die führen, weil sie sich dazu berufen fühlen. Sie wollen ein Projekt mitgestalten, glauben fest an ihr Produkt, wollen Dinge bewegen. Narzisstische Chefs und Chefinnen haben einen ganz anderen Beweggrund, sagt Markus Dobler, Arbeitspsychologe und Autor des Buchs „Umgang mit unfähigen und schwierigen Chefs“.

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In erster Linie führe eine narzisstische Führungskraft, um sich besser zu fühlen, erklärt Dobler im Interview mit Business Insider. Ganz egal, was sie tun — alles diene zunächst einmal der Stärkung des eigenen Selbstwertgefühls.

Laut Dobler erschließt sich das Verhalten einer narzisstischen Führungskraft schnell, wenn man erst mal das Grundprinzip verstanden hat. „Stellen Sie sich Zuckerwürfel vor“, sagt der Psychologe. „Narzissten haben sich, weil ihr Selbstwertgefühl ganz klein ist, künstlich eine Art Turm damit gebaut. Dieser Turm ist extrem hoch.“ Bei Menschen mit einem normalen Selbstwertgefühl sehe das Zuckerwürfelkonstrukt hingegen wie eine Pyramide aus. „Sie ist nicht so hoch, dafür aber relativ stabil. Beim Narzissmus ist das anders. Der Turm ist zwar hoch, aber extrem wackelig.“

Was die Metapher deutlich machen soll: Hinter dem scheinbar hohen Selbstbewusstsein von Narzissten steckt eigentlich das Gegenteil. Führungskräfte mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung sind innerlich völlig verunsichert und überkompensieren diese Unsicherheit mit dem oben beschriebenen Verhalten. Ihr fragiles Selbstwertgefühl thront hoch auf dem künstlich aufgebauten Zuckerwürfel-Turm — und um den zu Fall zu bringen, reicht eine leichte Erschütterung.

An diesen Verhaltensweisen erkennt ihr einen narzisstischen Chef

Weil ihr Turm so instabil ist, werten narzisstische Führungskräfte alles ab, was sie gefährdet. Das äußert sich im Arbeitsalltag in verschiedenen Verhaltensweisen, die wir hier für euch aufgelistet haben:

  • Sie sind nicht kritikfähig: „Jede Kritik gefährdet den Turm. Deswegen schießen sie um sofort um sich, wenn sie kritisiert werden“, erklärt Dobler. „Das ist der erste Hinweis, dass ihr es mit einer narzisstischen Führungskraft zu tun habt.“

  • Sie können keine Fehler eingestehen: „Ein Eingestehen eines Fehlers würde den Turm komplett gefährden und zum Einsturz bringen“, sagt Dobler. „Deswegen kann es gar nicht sein, dass ich als Narzisst einen Fehler mache. Es sind immer die anderen. In der Psychologie nennt man das ‚Externalisierung‘.“ Und Erfolge? Die werden eingeheimst.

  • Sie sind Selbstdarsteller: Laut Dobler gelangen so viele Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung in Führungspositionen, weil sie sehr charismatisch sein können. „Wenn es mir gelingt, mein eigenes Selbstwertgefühl künstlich aufzupeppen, dann bin ich der Regel auch in der Lage, mich gut zu verkaufen.“ Das sei auch einer der Gründe, warum leicht beeindruckbare Menschen häufig auf diese Art von Menschen hereinfallen. „Narzissten können außerordentlich charmant, freundlich und zugewandt erscheinen“, sagte auch der Psychologe Udo Rauchfleisch in einem früheren Gespräch mit Business Insider. „Es ist aber keine warme Art der Bezugnahme auf andere Menschen, sondern eine sehr kühle, berechnende Art, andere für sich zu gewinnen.“

  • Sie ignorieren die Bedürfnisse anderer: Narzisstischen Führungskräften fällt es schwer, einen Perspektivwechsel zu vollziehen und auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter einzugehen, da ihnen nur eine Sache wichtig ist: die Stärkung ihres Selbstwertgefühls. Dass es ihnen nicht um das Wohl ihrer Mitarbeiter geht, zeigt auch ihr Führungsstil: Generell "führen" narzisstische Chefs laut Dobler nicht, sie "managen". "Sie verschieben Ressourcen, ähnlich wie Schachfiguren. Und da werden auch gerne Bauernopfer gemacht.“

Wenn zwei Narzissten im Büro aufeinander treffen

Besonders interessant wird es, wenn zwei narzisstische Führungskräfte sich ein Büro teilen. "Solange sie sich in Ruhe lassen, sich gegenseitig befeuern und auf die Schulter klopfen und solange sie über die anderen ,Vollidioten' herziehen können — von denen man als Narzisst ja immer umgeben ist — ist das völlig ungefährlich", sagt Dobler.

In der Regel verstehen sich narzisstische Führungskräfte also relativ gut, so lange keine Konkurrenzsituation besteht. Herrscht aber Konkurrenz, wird es spannend. "Von außen ist das lustig zu betrachten, weil es eine Art Gockelkampf ist", sagt der Psychologe. "Jeder versucht, das Weibchen zu beeindrucken, das in dem Fall der Chef oder die Geschäftsleitung ist."

Der einzige Ausweg: Das Weite suchen

"Sie sind nicht wichtig, das Team ist nicht wichtig, wichtig bin nur ich." Ein Chef, der seinem Team diese Botschaft vermittelt, ist für die Arbeitsmoral fatal. Aber was tun? Sich wehren?

„Ein Grundsatzgespräch mit einem Narzissten können Sie grundsätzlich vergessen“, sagt Dobler. „Wegen der tiefen Unsicherheit und dem Mangel an Selbstwertgefühl wird jede Kritik abgewehrt.“ Dem Psychologen zufolge bleiben nur zwei Alternativen: dem Chef immer wieder Bestätigung geben — oder gehen.

„Sie schleimen rum, oder Sie halten Abstand und verlassen das Unternehmen. Oder Sie opponieren und zeigen der Führungskraft, was für eine Pfeife sie ist. Dann dauert es normalerweise nicht lange, bis Sie trotzdem gehen. Aber nicht freiwillig.“

Narzisstische Persönlichkeiten seien stets auf der Suche nach Bestätigung und dementsprechend anfällig für Schmeicheleien und Lob — selbst dann, wenn sie wissen, dass es geheuchelt ist, sagt Dobler. Das könne durchaus dazu führen, dass Mitarbeiter, die diesen Weg gehen, bevorzugt werden. „Aber nur, solange sie ihm nicht gefährlich werden. Sobald Sie besser als er sein könnten, fängt er an, Sie zu bekämpfen.“

Der Ausnahmefall: Mitarbeiter mit Expertenstatus

Wenn ihr ein Experte in eurem Fach und unersetzlich für das Unternehmen seid, habt ihr möglicherweise ein Ass im Ärmel. „Wenn die Führungskraft nicht ohne Sie kann, wenn Sie einen Expertenstatus haben und das Unternehmen abhängig ist von Ihrem Wissen, dann haben Sie Erpressungspotenzial", erklärt Dobler. "Häufig wird die Führungskraft dann Ihnen schmeicheln. Wenn Sie aber problemlos ersetzbar sind, dann werden Sie diesen Kampf nicht gewinnen."

Dass sich ein Narzisst grundlegend ändert, sei nur durch therapeutische Maßnahmen möglich — es sei jedoch äußerst selten, dass sich Narzissten von sich aus in Therapie begeben. „Wenn sie überhaupt in Therapie gehen, dann häufig wegen etwas anderem." Meist seien Depressionen der Grund; wenn der Zuckerwürfel-Turm zusammengefallen ist.

"Der beste Rat, den ich geben kann: Suchen Sie so schnell wie möglich das Weite!“

Dieser Artikel erschien bei Business Insider bereits im Februar 2020. Er wurde nun erneut geprüft und aktualisiert.