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Chef der Bundesagentur für Arbeit: Krisenmanager wider Willen

Als Detlef Scheele, der Chef der Arbeitsagentur, sein Amt antrat, gab es nur Erfolge zu vermelden. Durch die Coronakrise droht nun die Rückkehr der Massenarbeitslosigkeit.

Ende März, als sich die ersten Auswirkungen des Corona-Shutdowns zeigten, erhielt Detlef Scheele Rückendeckung von oberster Stelle. Wenn es mal Probleme gebe bei der Beantragung von Kurzarbeitergeld oder Grundsicherung, solle man lieber ihm einen Brief schreiben als den Ärger an der Bundesagentur für Arbeit (BA) auszulassen, sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) damals.

Heil weiß, welcher Belastung die rund 100.000 Mitarbeiter der Nürnberger Behörde derzeit ausgesetzt sind. Und sein eigenes politisches Schicksal hängt mit davon ab, wie gut sein Parteifreund Scheele als BA-Chef die Situation in den Griff bekommt.

Dass er heute mit 63 Jahren noch zum Krisenmanager werden muss, hätte sich der Hamburger wohl kaum träumen lassen, als er auf Vorschlag von Andrea Nahles im April 2017 sein Amt antrat. Monat für Monat gab es nur Positives vom Arbeitsmarkt zu berichten, der BA-Chefposten sollte der krönende Abschluss der beruflichen Karriere des Politik- und Sportwissenschaftlers werden.

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Jetzt muss Scheele zusehen, wie in der Coronakrise die Arbeitslosigkeit steigt und die Kurzarbeit durch die Decke geht. Die Zahlen, die er am vergangenen Freitag präsentierte, hätten ihm schon kurz „den Atem stocken lassen“, räumte er ein. Der BA-Chef rüstet die Behörde um.

Rund 9000 Mitarbeiter, die in der Arbeitsvermittlung oder anderen Bereichen arbeiten, kümmern sich jetzt allein um Kurzarbeitergeld. In normalen Zeiten sind es 700. Die Jobcenter-Personalräte schickten einen mahnenden Brief an den Chef, dass die Mitarbeiter bei der Bearbeitung der erwarteten Flut von Hartz-IV-Anträgen schnell an die Kapazitätsgrenzen stoßen könnten.

Enger Scholz-Vertrauter

Es ist noch nicht lange her, da sollte die BA zu einem Dienstleister für Qualifizierung und Weiterbildung umgebaut werden. Nun geht es vor allem darum, den Arbeitsmarkt ohne massive Stellenstreichungen in die Nach-Corona-Phase zu retten. Am Geld werde die Kurzarbeit nicht scheitern, versichert Scheele. „Die Politik wird die BA nicht allein lassen, sollte unsere Rücklage aufgebraucht sein“, sagte er im März im Interview mit dem Handelsblatt.

Der BA-Chef weiß dabei Finanzminister Olaf Scholz an seiner Seite. Er war sein Staatssekretär, als Scholz in der Finanzkrise das Bundesarbeitsministerium führte. Später saß Scheele als Sozialsenator am Kabinettstisch, als Scholz Hamburg regierte. In der Hansestadt führte er die Jugendberufsagentur ein, wo sich Arbeitsagentur, Jobcenter, Kommune und andere Behörden zusammentun, um Jugendlichen zu einem Job oder Ausbildungsplatz zu verhelfen. Das Modell hat bundesweit Schule gemacht.

Was Massenarbeitslosigkeit bedeutet, ist dem Vater dreier Kinder aus seiner beruflichen Laufbahn gut vertraut. Als SPD-Kanzler Gerhard Schröder seine Agenda-Arbeitsmarktreformen entwarf, war Scheele Geschäftsführer der Hamburger Arbeit – einer Beschäftigungsgesellschaft, die Arbeitslosen den Weg zurück ins Berufsleben ebnen sollte.

Scheele ist ein politisch denkender Mensch, der sich als Behördenchef nicht mehr politisch äußern darf. Die vor Kurzem von der Koalition beschlossene generelle Aufstockung des Kurzarbeitergelds sieht er durchaus skeptisch, verkneift sich aber öffentliche Kritik weitgehend. Er macht, was Politik und Verwaltungsrat ihm vorgeben.

Auch in der unschönen Personalaffäre um die Abberufung seiner Vorstandskollegin Valerie Holsboer war in der Sache von ihm nichts zu vernehmen. In einem Brief an die Mitarbeiter kritisierte er lediglich die öffentlich ausgetragene Schlammschlacht.

Sollte die Arbeitslosigkeit wieder stark steigen, dürfte die Debatte über den Sozialstaat neu entbrennen. Scheeles Partei wollte schon vor Corona „Hartz IV hinter sich lassen“. Wer das wolle, müsse aber auch überzeugend erklären, was dann an die Stelle treten solle, betonte der BA-Chef. Die staatliche Grundsicherung sei in Teilen kritikwürdig, der Hartz IV-Antrag sicher auch unangenehm für den Einzelnen: „Aber das soziale Netz hält.“