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Google gegen deutsche Autoriesen – CES wird zum Kampfplatz der Mobilität

Softwaregiganten wie Google wollen die Vorherrschaft im Mobilitätssektor an sich reißen. Daimler, BMW und Audi halten auf der CES dagegen.

Es ist kurz nach sechs Uhr morgens auf der Rennstrecke „Speed Vegas“ in der Wüste Nevadas. Der Audi e-tron beschleunigt auf 145 Kilometer pro Stunde. Im Innenraum bekommen die Passagiere davon allerdings kaum etwas mit. Kein Wunder, sie befinden sich in einer anderen Welt.

Audi hat gemeinsam mit Disney ein völlig neues Erlebnisformat fürs Auto geschaffen. Dank der cleveren Auswertung von Fahrzeugdaten und Virtual-Reality-Brillen verwandelt sich der Wagen dabei im Nu in ein extrem realistisches Videospiel.

Gemeinsam mit Iron Man und Rocket, zwei Comic-Charakteren aus Science-Fiction-Filmen von Marvel, gilt es, sich einen Weg durch ein Asteroidenfeld zu bahnen. Um zu überleben, müssen gegnerische Raumschiffe zerstört werden.

Der Clou dabei: Jede Bewegung des Autos wird in Echtzeit in das virtuelle Erlebnis übertragen. Gibt der Fahrer im Audi Gas, gewinnt auch das Spiel an Tempo. Braust der Wagen auf der Rennstrecke in eine Kurve, geht automatisch auch die Handlung im Spiel in diese Richtung.

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Noch ist all das nur eine Spielerei auf Prototyp-Basis. Geht es nach Volkswagens Edelmarke, könnte aber schon in drei Jahren das erste serienreife Entertainmentformat für Beifahrer fertig sein.

Es sind nicht zuletzt solche Features, mit denen die etablierten Autokonzerne den Softwareriesen aus dem Silicon Valley und China Paroli bieten wollen. Denn nach dem vernetzten Zuhause drängen Plattformentwickler wie Google und Amazon oder Tencent und Alibaba immer stärker ins Fahrzeug.

Für die heimischen Autobauer geht es in diesem Kampf um die Kundenschnittstelle im Mobilitätssektor um viel. Dass VW, Daimler und BMW in Zukunft noch so dominant sein werden wie heute, ist längst nicht ausgemacht. Im Gegenteil. „Die Autokonzerne tun sich enorm schwer“, konstatiert Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive Management.

Die Tech-Riesen hätten zudem einen Startvorteil: „Google, Apple und Co. haben bereits bestehende Ökosysteme, die sie nur auf Autos ausdehnen müssen“, so Bratzel. Die Fahrzeughersteller wären hingegen vielfach gezwungen, sich erst noch breitere Softwarekompetenzen und ein besseres Dienstleistungsverständnis anzueignen.

Nirgendwo sonst auf der Welt kommen sich die beiden Sphären so geballt so nah wie auf der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas. Direkt gegenüber dem Haupteingang hat sich Google aufgebaut.

„Hey Google“, lockt eine Leuchtreklame auf der Frontseite des bunten Bungalows. Hier, am wohl prominentesten Ort der Messe, zeigt der Softwareriese, wie er sich die Zukunft des Autofahrens vorstellt: smart, interaktiv und natürlich geleitet von Google-Software.

Der IT-Konzern zeigt eine neue Integration des Google Assistants für Karten- und Navigationsprogramme, Maps, der sowohl auf dem eigenen Betriebssystem Android als auch auf Apples iOS läuft. Der Fahrer kann sich per Sprachsteuerung zu bestimmten Orten navigieren lassen, ohne dass seine Finger das Telefon berühren.

Unterwegs fragt ihn die Google-Intelligenz, ob er Familie und Freunden die Ankunftszeit mitteilen will, und verfasst Nachrichten. Das Smartphone ist dabei via Bluetooth mit dem Infotainmentsystem des Vehikels verknüpft.

Daimler stellt neues Bediensystem vor

Auf der CES lassen sich eindrücklich die immensen Veränderungen des Autos erfassen. Differenzierten sich die Fahrzeugbauer früher über luxuriöses, schnörkelloses Design, 12-Zylinder-Motoren und Hochgeschwindigkeitsfahrwerke, steht heute zunehmend das vollvernetzte Infotainmentsystem gespickt mit Künstlicher Intelligenz im Vordergrund – etwa bei Daimler.

Der Mercedes-Hersteller präsentiert in Nevada sein runderneuertes Bediensystem MBUX, das mithilfe von Sprachbefehlen und Handgesten angesteuert wird. Vor gut drei Jahren haben die Stuttgarter damit begonnen, ihre komplette Softwarearchitektur neu aufzusetzen.

Heute spielt der Konzern neue Dienste durch sogenannte Over-the-Air-Updates über die Cloud auf. „Wir sind auch eine Art Softwarecompany“, frohlockt Entwicklungsvorstand Ola Källenius.

Der Schwede, der im Mai an die Spitze des Daimler-Konzerns rücken soll, preist MBUX als offenes System. „Du kannst nicht überall das Rad neu erfinden, vor allem da, wo es verdammt gute Räder gibt“, sagt Källenius. Daher wurden in MBUX beispielsweise auch Services von Yelp, Tripadvisor, WeChat, Amazon, Alibaba oder Spotify integriert.

Auf keinen Fall kooperieren will Daimler hingegen in den Bereichen Ästhetik, Bedienlogik und Intuition. Das Fazit von Källenius nach fast einem Jahr MBUX im realen Betrieb fällt positiv aus. Obwohl die teuerste Ausstattung des Systems etwa 2500 Euro kostet, haben 65 von 100 Kunden der A-Klasse dieses System gekauft, das Vorgängersystem kam gerade auf zehn Prozent.

BMW kooperiert mit der Alibaba-Sprachsteuerung

Bis März verspricht Erzrivale BMW nachzuziehen. Ab dann sollen Kunden des Münchener Autokonzerns mit dem Sprachbefehl „Hey BMW“ ihren persönlichen Assistenten zum Leben erwecken können. In China integrieren die Münchener zudem den Sprachassistenten T-Mall Genie von Alibaba, der Zugriff auf das riesige Onlineshopping-Angebot des Internetkonzerns sichert.

Auch Audi und Daimler kooperieren mit den chinesischen Internetgiganten. Dahinter steht sanfter Zwang: Die Regierung in Peking schreibt den Autoherstellern in China vor, dass nur einheimische Navigationsdienste genutzt werden dürfen. Für Konzerne wie Alibaba und Tencent ist das die Eintrittskarte in das Geschäft mit Autofahrern.

Die Schnittstelle zum Kunden zu verteidigen hat deshalb für die Autokonzerne oberste Priorität. „Vor ein paar Jahren musste die Autoindustrie noch wachgerüttelt werden, damit die Branche den digitalen Wandel nicht verschläft“, sagt Gabriel Seiberth, Autoexperte der Beratung Accenture. Mittlerweile würden die „Autobauer aber mehr und mehr zu Techkonzernen mutieren“.

Dario Gill, Chef für das operative Geschäft beim Forschungszweig des Softwareriesen IBM, warnt die Automobilindustrie zudem: „Daten sind das neue geistige Eigentum.“ Die Hersteller sollten diese bloß nicht leichtfertig preisgeben. Bis dato denken die Autobauer nicht daran. In Google sehen sie nahezu unisono einen Datenkraken.

„Der BMW-Kunde verlangt, dass wir seine Daten schützen“, sagt Holger Hampf, Vice President von Designworks, dem hauseigenen Thinktank von BMW. Die Folge: Google kommt bis dato nicht wirklich als Partner für die Fahrzeughersteller infrage. Gänzlich anders agiert etwa Microsoft. „Die spielen sich nicht in den Vordergrund“, sagt Hampf. „Und Microsoft überlässt uns die Interaktion mit dem Kunden.“

Auch mit Amazon ist BMW dicht verdrahtet. Alexa, die smarte Assistentin des Onlinehändlers aus Seattle, spricht bereits in einigen Modellen von BMW und Volkswagen. Schon im September stellte Amazon „Alexa Auto“ vor.

Das kaum handflächengroße, schwarze Kästchen baut eine Verbindung zur digitalen Helferin auf und speichert auch ortsspezifische Routinen des Fahrers. So schaltet sie beispielsweise das Licht an, wenn sich das Fahrzeug der Garage nähert, spielt Audiobücher ab oder navigiert den Autobesitzer.

Accenture-Berater Seiberth hält die großen IT-Unternehmen keineswegs für allzu furchterregend für die Autobauer. „Auch die großen Techkonzerne haben Schwächen. Außer Apple hat es noch kein Konzern aus dem Silicon Valley geschafft, richtig ins Hardwaregeschäft einzusteigen.“

In der Mobilitätswelt von morgen sei aber sowohl die Produkt- als auch die Softwarekompetenz unabdingbar. „Es ist fraglich, ob die US-Konzerne den deutschen Autobauern ihre Plattformen und Dienste aufzwingen können.“

Es kommt offenbar auf die richtige Strategie an. „Microsoft positioniert sich da als weißer Ritter und kooperiert anders als Google lieber mit den Autobauern“, sagt Seiberth. „Die Strategie, sich Daten und Umsätze zu teilen, ist erfolgversprechender.“ Microsoft stehe vor einem großen Revival, glaubt der Berater.