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CDU-Politiker stellt Türkei als Nato-Partner infrage

Über die Zukunft der in der angesichts der dortigen innenpolitischen Ereignisse gibt es in der großen Koalition unterschiedliche Meinungen: Die Union sieht langfristig die -Mitgliedschaft der Türkei gefährdet. Die SPD warnt hingegen vor den Folgen eines Austritts der Türkei aus der Militärallianz.

„Auf Dauer wäre es nicht akzeptabel, einen Partner im Verteidigungs- und Wertebündnis Nato zu haben, der nicht demokratisch verfasst ist“, sagte der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt (CDU), der „Rheinischen Post“ vom Freitag. Bündnistreue und Bündnisfähigkeit der Türkei seien derzeit zwar gegeben, fraglich sei jedoch die Treue des Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

„Bei aller berechtigter Kritik an Erdogan: Wir müssen aufpassen, dass wir die Türkei nicht als Nato-Partner verlieren“, warnte hingegen der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Niels Annen, in der „Bild“-Zeitung vom Freitag. „Ein Austritt der Türkei hätte unabsehbare Folgen - auch für unsere Sicherheit!“

Nach dem gescheiterten Putschversuch geht Erdogan massiv gegen angebliche Gegner vor. Seit dem Umsturzversuch wurden zehntausende Staatsbedienstete festgenommen, entlassen, suspendiert oder versetzt, darunter Soldaten, Polizisten, Staatsanwälte, Richter und Regierungsmitarbeiter, aber auch Universitätsdozenten und Lehrer. Am Mittwochabend hatte Erdogan nach einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats einen dreimonatigen Ausnahmezustand verhängt.

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Die Massenverhaftungen in Militär und Justiz und die Machtkonzentration in den Händen des Staatspräsidenten seien alarmierend, sagte Hardt. Die Union setze darauf, dass die Mehrheit der Türken eine starke Nation im demokratischen Lager bleiben wolle.


Experte: Türkei kann nicht aus der Nato ausgeschlossen werden

Carlo Masala, Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr München, hält indes ein Ende der -Mitgliedschaft der für nahezu ausgeschlossen. Die Türkei könne zwar aus der austreten. Aber: „Die Türkei, egal in welche Richtung sie sich entwickeln wird, kann nicht aus der Nato ausgeschlossen werden, da der Nordatlantische Vertrag von 1949 einen Ausschluss eines Mitgliedes nicht vorsieht“, sagte Masala dem Handelsblatt. „Um die Türkei aus der Nato auszuschließen, bedürfte es einer Änderung dieses Vertrages, die von allen Mitgliedsstaaten mitgetragen werden und auch von allen Parlamenten der mittlerweile 29 Allianzpartner ratifiziert werden müsste. Dass dies geschieht, ist absolut illusorisch.“

Masala, der auch Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Nato Defence College ist, reagierte damit auf Äußerungen des CDU-Außenpolitikers Jürgen Hardt, der die Türkei als Nato-Partner infrage gestellt hatte. „So sehr man die Stellungnahme von Herrn Hardt emotional nachvollziehen kann, so sehr sollte sich die Nato von Realismus und strategischen Interessen in ihrer Politik gegenüber der Türkei leiten lassen. Und das bedeutet gegenwärtig mit ihr weiter eng zusammen zu arbeiten“, sagte Masala.

Man dürfe auch nicht vergessen, so der Politik-Professor, dass der Türkei aufgrund ihrer geopolitischen Lage eine „bedeutende Rolle in der Nato-Politik gegenüber den Risiken und Bedrohungen aus dem südlichen Krisenbogen der Allianz zukommt“. „Ohne die Türkei wäre es noch schwieriger diesen Bedrohungen zu begegnen. Gegen die Türkei wäre es nahezu unmöglich“, warnte Masala.

Abgesehen davon gab Masala zu bedenken, dass die Türkei nicht der erste autoritäre Staat in der Allianzgeschichte wäre. „Sowohl Spanien, Portugal und auch Griechenland waren, als sie noch Diktaturen waren, Mitglieder der Allianz“, sagte der Experte. Aus Prinzip mische sich die Nato aber nicht in die inneren Angelegenheiten eines ihrer Mitglieder ein.

KONTEXT

Wer hat Einfluss auf Erdogan?

Hintergrund

Demokratisch legitimierte Institutionen dürfen nicht vom Militär gestürzt werden - das ist die einhellige Reaktion vieler Staats- und Regierungschefs auf den Putschversuch in der Türkei. Doch die postwendende Ankündigung von Präsident Recep Tayyip Erdogan einer "Säuberung" lässt nichts Gutes für Demokratie und Rechtsstaat ahnen.

Der Westen

Die Beziehungen zum Westen haben sich in den vergangenen Monaten weiter verschlechtert. Gründe sind die Eskalation des innertürkischen Konflikts mit den Kurden, Einschränkungen von Parlamentarierrechten und hartes Vorgehen gegen Journalisten. Von US-Präsident Barack Obama bis zu Bundeskanzlerin Angela Merkel sind Staats- und Regierungschefs auf Distanz zu Erdogan gegangen. Von ihnen dürfte er sich nun erst recht nichts sagen lassen.

Angela Merkel

Seit Übernahme des Kanzleramts 2005 spricht sich Merkel gegen eine Vollmitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union aus. Sie hat zu dem impulsiven Erdogan nie einen engen Draht aufbauen können. Viel besser gelang ihr das mit Premierminister Ahmet Davutoglu, mit dem sie in Brüssel die Verhandlungen über den Flüchtlingspakt der EU mit der Türkei führte - der aber auf Betreiben Erdogans im Juni abtreten musste. Mit der Armenienresolution des Bundestags ist das Verhältnis zur Türkei im Frühsommer dann auf dem Tiefpunkt angelangt. Der Bundestag hatte die Massaker im damaligen Osmanischen Reich 1915 an den Armeniern als Völkermord eingestuft.

Wladimir Putin

Die Türkei hatte Ende November 2015 ein russisches Kampfflugzeug im syrischen Grenzgebiet abgeschossen. Putin tobte und verhängte schmerzhafte Sanktionen gegen die bis dahin befreundete Türkei. Nun sollen die Beziehungen wieder normalisiert werden, nachdem Erdogan jüngst einen Brief an Putin schrieb, den der Kreml als die geforderte Entschuldigung für den Abschuss gelten ließ. Aber selbst wenn die beiden Präsidenten wieder zueinander fänden - Putin gilt nicht gerade als guter Lehrer in den Fächern Demokratie und Rechtsstaat.

Die EU

Erdogan weiß um die Macht der Türkei, Flüchtlinge von ihrem Weg in die EU abzuhalten. Manchmal konnte man den Eindruck haben, dass Brüssel in Demokratie- und Menschenrechtsfragen gegenüber der Türkei stillhielt, um Ankara nicht zu verprellen.

G20

Anfang September treffen sich Obama, Merkel, Putin und Erdogan beim Gipfel der 19 führenden Industrienationen und der EU (G20) in China. Der neue Ministerpräsident Binali Yildirim verkündete erst kürzlich, außenpolitisches Ziel Ankaras sei es, "die Zahl der Freunde zu mehren, die der Feinde zu verringern". Bis September könnte Erdogan Säuberungswelle aber schon weitgehend abgeschlossen sein.

KONTEXT

Gülen-Bewegung: Weltoffener Islam oder unvereinbar mit dem westlichen Gesellschaftsbild?

Was charakterisiert die Hizmet-Bewegung?

Unter der geistigen Führerschaft des seit 1999 im US-Bundesstaat Pennsylvania lebenden Gülen will Hizmet nach eigenen Angaben Bildung, Wissenschaft und Dialog auf der Basis eines modernen Islam fördern. In der Türkei hat die Bewegung in den Medien, der Polizei und der Justiz viele Unterstützer. Weltweit betreibt Hizmet hunderte Schulen - getreu Gülens zentraler Forderung, Schulen zu bauen statt Moscheen.

Was werfen Kritiker der Bewegung vor?

Seine Gegner legen dem 75-jährigen Gülen zur Last, einen radikalen Islamismus zu befördern - und in der Türkei einen Staat im Staat aufgebaut zu haben. Auch in Deutschland ist die Bewegung umstritten: Kritiker bemängeln fehlende Transparenz in der dezentral aufgebauten Hizmet-Bewegung. In Wahrheit wolle Hizmet mit ihrer Bildungsarbeit einer Islamisierung der Gesellschaft den Weg ebnen.

Was sagen andere?

Die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen gibt zu bedenken, dass sich das Gülen-Schrifttum programmatisch an einem konservativ-islamischen Gesellschaftsbild orientiere - dem Bild einer Gesellschaft, das insbesondere hinsichtlich der Rechte von Frauen, der Meinungs- und Religionsfreiheit sowie der Trennung von Religion und Staat "dem Gesellschaftsbild der Mehrheitsgesellschaft entgegensteht".

Wie ist Hizmet in Deutschland organisiert?

Als Ansprechpartner der deutschen Hizmet-Bewegung versteht sich die Stiftung Dialog und Bildung in Berlin. Nach deren Angaben engagieren sich bundesweit etwa 150.000 Menschen in der Bewegung. Die Hizmet-Anhänger betreiben demnach hierzulande rund 160 Nachhilfevereine, 30 Schulen und ein Dutzend Dialogvereine.

Was hält die Hizmet-Bewegung ihren Kritikern entgegen?

Der Stiftungs-Geschäftsführer Ercan Karakoyun betont, Hizmet stehe für einen weltoffenen und toleranten Islam. "Das sieht in Deutschland so aus, dass hier unterschiedliche Bildungsprojekte auf die Beine gestellt werden und dass man in Kontakt tritt mit Andersgläubigen und Andersdenkenden in der Gesellschaft, um so interkulturelle Dialoge zu ermöglichen", sagte er am Montag im WDR-Fernsehen.

Was sagt Hizmet in Deutschland zum Putschversuchin der Türkei?

Die Stiftung Dialog und Bildung verurteilte den Putschversuch in einer Stellungnahme vom vergangenen Samstag "aufs Schärfste". Zudem schrieb Geschäftsführer Karakoyun im Kurzbotschaftendienst Twitter: "Die schlechteste Demokratie ist besser als jeder Putsch."

Wie beurteilen die Sicherheitsbehörden die Gülen-Bewegung?

In einem Bericht zur Hizmet-Bewegung kam der Verfassungsschutz Baden-Württemberg im Juli 2014 zu dem Ergebnis, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine geheimdienstliche Beobachtung "derzeit nicht gegeben" seien. Es lägen "keine tatsächlichen Anhaltspunkte" dafür vor, dass die Gülen-Bewegung mit ihren Aktivitäten verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolge.

Aber?

Zwar vertrete Gülen ein "konservatives Islambild im Sinne eines allumfassenden Systems der Gesellschaft", das auch die staatliche Ordnung umfasse. Die "mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung kollidierenden Elemente in der Lehre Gülens" fänden jedoch keinen Ausdruck in politischen Aktivitäten, die auf die Beseitigung zentraler Verfassungsgrundsätze ausgerichtet seien, schrieben die Stuttgarter Verfassungsschützer.