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Warum Carsten Spohr so unzufrieden ist

Obwohl die Lufthansa-Zahlen für 2016 gut aussehen, kommen auf den Konzern und seinen Chef Carsten Spohr harte Zeiten zu. Die fünf wichtigsten Baustellen.

Eigentlich müsste Carsten Spohr gerade Deutschlands zufriedenster Konzernchef sein. Immerhin erreichte der 50-Jährige am Mittwochmorgen eine vorläufige Einigung mit seinen Piloten. Der fast fünf Jahre dauernde Tarifkonflikt ist beendet. Zudem konnte er nicht nur Frieden und Streikfreiheit verkünden. Wo andere Konzernchefs nach Arbeitskämpfen kleinlaut höhere Personalkosten eingestehen müssen, stellte Spohr auf der kurz nach der Einigung beginnenden Aufsichtsratssitzung eine gewaltige Ersparnis vor.

Kommt es wie erwartet im Sommer zu einem Tarifabschluss, spart der neue Finanzchef Ulrik Svensson noch in 2017 bis zu 900 Millionen für Zahlungen an Piloten, die etwa aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig in Rente gehen. Dazu sinken ab sofort die jährlichen Lohnkosten für die 540 Piloten dauerhaft um 50 Millionen Euro pro Jahr. Damit hat die Linie die 500 Millionen Euro Kosten aus den insgesamt 13 Ausstände mehr als verdient. „Rein betriebswirtschaftlich war der Arbeitskampf trotz aller Härte Spohrs beste Investition“, lobt ein Aufsichtsrat der Arbeitnehmerseite.

Trotzdem dürfte Spohrs gute Laune aktuell begrenzt sein. Denn den am Donnerstag vorgestellten Geschäftsbericht prägen jede Menge Probleme.

Zwar hat die Lufthansa einen Rekordgewinn – unterm Strich bleiben 1,8 Milliarden Euro Gewinn übrig – eingeflogen. Doch das verdanken Spohr und Svensson vor allem dem guten ersten Halbjahr. Die Aussichten sind trübe. In allen Teilen des Geschäfts vom Passagierverkehr bis zu den Flugküchen werden die Zeiten härter. „Zumindest in diesem und dem nächsten Jahr rechnen wir mit niedrigere Ergebnissen“, so das Fazit von Andrew Lobbenberg, Luftfahrtanalyst der Investmentbank HSBC.

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Dabei kann es Spohr kaum beruhigen, dass er die Misere größtenteils nicht verschuldet hat. Nach jahrelangem Stillstand hat er überfällige Veränderungen angestoßen und ist fast alle heiligen Kühe des Konzerns angegangen. Manche hat er gar geschlachtet. Seine Vorgänger hatten viele der Probleme schlicht ignoriert. „Der einzige Vorwurf für Spohr ist am Ende, dass er als Vorstand nicht früher oder schärfer agiert hat“, so der Aufsichtsrat.

Die Nöte rühren vor allem aus fünf Feldern - auch wenn ein Insider lästert: „Die Lufthansa hat eigentlich nur eine Baustelle: Alles.“

1. Langstrecke: Preisverfall auf breiter Front

Der Passage genannte Kern der Lufthansa hat seit der Jahrtausendwende den höchsten Druck, aber wies bis vor zwei Jahren die geringsten Veränderungen auf. Das Feld stand lange unter dem direkten Schutz der Konzernchefs, weil es den höchsten Glamour hatte. Es gelang der Linie mit dem Kranich lange, die Verluste im Europaverkehr und den wachsenden Kostennachteil gegenüber Billigfliegern und den Golf-Linien auszugleichen. Dafür sorgten etwa die Gewinne der Schweizer Tochter Swiss, sowie die starke Marktstellung der Lufthansa dank der Flug-Allianz Star Alliance. Und natürlich, dass besonders die deutschen Unternehmenskunden mehr bezahlten.

Als das System ab 2010 zu bröckeln begann, reagierte Spohr, damals noch Passage-Chef. Auf seinen wichtigsten Zielgebieten Nordamerika und China/Japan, die zusammen gut die Hälfte der Lufthansa-Langstrecke ausmachen, schuf er Gemeinschaftsunternehmen. Mit Singapore Airlines, Air China und der japanischen ANA agiert er seitdem bei Flügen in die jeweiligen Heimatländer der Partner als einzige Airline weltweit wie ein Unternehmen. Damit dominiert der Lufthansa-Verbund die deutlich kleineren Wettbewerber aus Asien. So konnte Spohr hohe Preise durchsetzen, weil gerade Geschäftskunden mehr zahlten, um durchschlafen zu können, statt mitten in der Nacht in den Emiraten zum Umsteigen geweckt zu werden.

Doch der Vorteil ist weitgehend passé. Dafür sorgt nicht zuletzt das wachsende Überangebot durch Turkish Airlines, Emirates & Co - Lufthansa-intern Gobos abgekürzt für Golf und Bosporus. „Der Preisverfall ist der Stärkste, den ich in meinen vier Jahrzehnten im Geschäft erlebt habe“, klagt etwa Emirates-Chef Tim Clark. So sind Flüge etwa nach Bangkok reihenweise für unter 600 Euro in der Economy zu haben. Für unter 2000 Euro gibt es Asienreisen in der Business Class.

Will Lufthansa ihre Kunden halten, muss sie reagieren und die Preise senken.


2. Mittelstrecke: Attacke der Billigflieger

Noch schlechter läuft es im Europaverkehr. Hier verdient die Billigtochter Eurowings zwar Geld. Doch auf den von Lufthansa betriebenen Strecken steigen die Verluste. Dort fliegt die Marke mit dem Kranich am Leitwerk wegen ihres Reformstaus fast allen Wettbewerbern hinterher.

Und der Druck wächst, denn Billigflieger wie Ryanair starten nun in den Großflughäfen wie Frankfurt. Zwar verlangen die Iren gelegentlich auch mal mehr Geld als die Lufthansa in der Business Class berechnet, wie der Ryanair-Chef im WirtschaftsWoche-Interview einräumen musste. In der Regel aber verderben sie nun die Preise - selbst auf Geschäftsrouten wie Frankfurt-London.

Ärger droht auch bei Eurowings. Nachdem Spohr die als Germanwings gegründete Billigtochter lange klein hielt, hat er sie zuletzt durch die Teil-Übernahme von Air Berlin in Rekordzeit zur Nummer drei in Europa aufgebaut. Das reicht aber nicht. Zum einen rechnen selbst Optimisten im Konzern damit, dass erst im nächsten Jahr alles wirklich rund und kostengünstig läuft. Bis dahin aber dürfte der Druck wieder steigen, weil Ryanair weiter Gas gibt in Deutschland. Und auch Easyjet nicht länger nur in Berlin aktiv ist.

Dazu steht bei Eurowings der wohl bedeutendste Führungswechsel in der Konzerngeschichte an. Ab 1. Mai leitet der ehemalige Mobilfunk-Manager Thorsten Dirks den Flugdiscounter. Er muss als erster komplett konzernfremder Vorstand neben der Integration einen tiefen Kulturwandel schaffen. „Wer im Billiggeschäft Erfolg haben will, darf sich nicht als Airline fühlen, sondern als Markenartikler“, so Easyjet-Chefin Carolyn McCall. Das bislang als unverzichtbares Erbgut geltende Fluggeschäft wird zu nicht viel mehr als einem Anlass, um Erlebnisse und kostenpflichtige Extras zu verkaufen: Bordmenüs, Lounge-Zugang oder Hotelübernachtungen.

3. Frachtgeschäft: Kampf gegen den Abstieg zum Fuhrbetrieb

Wenn Peter Gerber über das Passagiergeschäft spricht, tritt eine gewisse Milde in sein Gesicht. Denn so hart die Lage auch bei der Passage ist: „Bei uns ist sie ungleich härter.“

Die Lufthansa gehört zu den wenigen Spezialisten für gut bezahlte anspruchsvolle Fracht. Hierzu zählen Tiere sowie Pharmaprodukte und Hightech-Bauteile, bei denen Lufthansa konstante Temperaturen oder erschütterungsfreien Transport garantiert. „Aber das ist selbst für Lufthansa nur ein Teil des Geschäfts“, so der Insider.

Doch das wird unterm Strich mehr als wett gemacht durch die viel stärkere Konkurrenz. Die liefern zum einen die Golffluglinien. Sie haben in ihren Großraumflugzeugen viel Raum für Fracht und füllen ihn zu Preisen, die in der Regel kaum mehr als die zusätzlichen Kosten decken. Dazu kommen auch Frachtlinien aus den USA oder Russland, die anders als im Passagiergeschäft nicht nur mit Zwischenstopps in ihren Heimatländern fliegen dürfen, sondern ihre Routen relativ frei wählen können.

Gleichzeitig gibt es im Frachtgeschäft fast keine Möglichkeit zu Premiumpreisen. Die Branche kennt wie die Containerschiffhart fast keine Aufpreise für besseren Service oder kürzere Transportzeiten. „Für ein paar Euro weniger wechselt hier jeder sofort die Airline“, klagt ein Manager der Branche. Also gewinnt das Unternehmen mit den niedrigsten Kosten. Weil für alle die Ausgaben für Flugzeuge, Airport Gebühren oder Sprit gleich sind, bleiben fast nur die Personalausgaben um sich von der Konkurrenz abzuheben. „Und da haben wir keinen Vorteil“, so Gerber vorsichtig. Und dieser Druck wird eher größer als kleiner.


4. Wartung: Sinkflug der Vorzeigetochter

Wenn es um gute Gewinne ging, lieferte bis 2015 kein Teil der Lufthansa zuverlässiger als das Wartungsgeschäft. Die am Hamburger Flughafen ansässige Technik-Tochter konnte die höchsten Aufpreise verlangen, weil sie besonders zuverlässig arbeitet. Das bescherte den Kunden weniger Pannen von Jets und damit weniger teure ungeplante Standzeiten an fremden Airports.

Dazu hatte Lufthansa Technik eine ausgeklügelte Logistik. Bei Ausfällen waren in Rekordzeit Ersatzteile und Monteure vor Ort. Zu guter Letzt setzte die Linie mit als erste auf Standorte in Niedriglohnländern, um dort Routinearbeiten günstig erledigen zu lassen.

Doch das Modell wankt. So muss die Technik erstmals niedrigere Überschüsse melden und auch in Deutschland Personal abbauen.

Zum einen haben moderne Flugzeuge weniger Pannen. „Passiert etwas, sind die Reparaturen zwar in der Regel teuer, doch am Ende sind die Wartungskosten niedriger“, erklärt der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt.

Dazu wächst die Konkurrenz. So drängen die Flugzeughersteller und die Motorenbauen wie GE und Rolls Royce stärker ins Wartungsgeschäft. Oder sie verkaufen ihre Triebwerke zunehmend nur mit Wartungsverträgen. Nicht zuletzt weil Lufthansa Technik an Standorten wie auf den Philippinen oder in China für eine gute Ausbildung gesorgt hat, bieten nun Betriebe aus diesen Ländern Wartungsarbeiten an. „Mit oft ähnlicher Qualität und zu meist niedrigeren Preisen“, so Großbongardt.

5. Catering: Nachlassender Genuss

Bei der Umsatzrendite war die LSG genannten Lufthansa Tochter für Catering und die Lieferung anderer Teile des Bordservices meist das Schlusslicht im Konzern. Wie bei den Unternehmen im Frachtgeschäft sind auch bei den Flugküchen Lohnkosten der größte Unterschied zwischen den Anbietern.

Doch das nahm die Lufthansa gern in Kauf. Zum einen binden die Cateringbetreiber anders als Technik und Passage wenig Geld und haben so eine relativ hohe Eigenkapitalrendite. Das lässt die Konzernbilanz in den Augen von Analysten besser aussehen. Zudem brachte die LSG viele Fluglinien in Kontakt zur Lufthansa, denen die deutsche Linie dann auch Verträge mit anderen Konzerntöchtern anbieten konnte. Ein Beispiel sind Deals mit der IT-Tochter Systems, die airline-spezifischen Programme anbietet.

Auch diese Zeit ist vorbei. Die meisten Fluglinien haben in den vergangenen Jahren ihren Bordservice gekürzt und geben weniger Geld für Mahlzeiten aus. Die früher üblichen Gratiszeitungen sind bis auf wenige Ausnahmen sogar ganz verschwunden.

Gleichzeitig wächst die Konkurrenz abermals und hat die LSG sogar überholt. War die Lufthansa noch bis vor kurzem der größte Anbieter von Bordservice, hat die chinesische HNA-Group mit der Übernahme der ehemaligen Swissair-Tochter Gate-Group nun die Spitze übernommen. Und die Chinesen sind bereit um Geschäft zu kämpfen. „Sie wollen im Fluggeschäft wachsen“, so ein Branchenkenner. „Sie können das aber nur begrenzt bei Airlines oder im Technikbereich tun, weil dies in vielen Ländern als sicherheitspolitisch bedenklich gesehen wird. Also starten sie bei den Küchen.“

KONTEXT

Skytrax-Ranking: Die besten Airlines der Welt

Platz 10

Lufthansa

Vorjahr: Rang 12

Quelle: Skytrax

Platz 9

Qantas Airways

Vorjahr: Rang 10

Platz 8

EVA Air

Vorjahr: Rang 9

Platz 7

Turkish Airlines

Vorjahr: Rang 4

Platz 6

Etihad Airways

Vorjahr: Rang 6

Platz 5

ANA All Nippon Airways

Vorjahr: Rang 7

Platz 4

Cathay Pacific Airways

Vorjahr: Rang 3

Platz 3

Singapore Airlines

Vorjahr: Rang 2

Platz 2

Qatar Airways

Vorjahr: Rang 1

Platz 1

Emirates

Vorjahr: Rang 5