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Wie Carrypicker das Transportwesen effizienter machen will

Die meisten Lkws fahren mit viel ungenutztem Stauraum über Europas Straßen. Das kostet Geld und belastet die Umwelt. Carrypicker will das ändern.

Andreas Karanas dreht eine Mini-Europalette zwischen den Fingern: „In Europa transportieren sechseinhalb Millionen LKWs täglich Teilladungen“, sagt Karanas. Ein gigantisches Frachtvolumen von 370 Milliarden Euro käme da im Jahr zusammen, das von Spediteuren mit anderen Lieferungen für den Transport kombiniert werden muss.

Nun hat der kleine drahtige Mann mit den grauen Haaren die volle Aufmerksamkeit der Jury für die Zahl, die sich alle merken sollen: „Im Schnitt sind die Lastwagen nur zu 70 Prozent ausgelastet“, sagt er. Man stelle sich mal vor, man könne das zumindest auf 80 Prozent verbessern. „Das wäre ein Gewinn für die Rendite und vor allem für die Umwelt.“

Bei kaum einem der insgesamt 20 Finalisten sollte sich die Jury des Gründerwettbewerbs Weconomy später so einig sein wie bei Karanas: „Das ist eine völlig fragmentierte Industrie, wo solche Lösungen gesucht werden“, „da sieht man die Verfolgung einer Vision.“

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Und: „Der braucht jetzt die kritische Masse.“ So urteilten die Berater, Manager und Innovationsexperten der Jury, der Burkhard Schwenker, Beiratsvorsitzender der Unternehmensberatung Roland Berger, vorsaß.

Die Idee, die alle überzeugt hat, ist der automatisierte Disponent von Karanas‘ Start-up Carrypicker, einer Spedition. 300 Millionen Daten hat er nach eigenen Angaben mit 15 Mathematikern, Datenanalysten und Entwicklern aufbereitet und ausgewertet, um eine Künstliche Intelligenz (KI) zu bauen.

Die könne laut Karanas erstens einen Preis berechnen, zweitens eine intelligente Ladungsbündelung durchführen und drittens einen geeigneten Transportunternehmer finden. Für ihn selbst würde sein erklärtes Ziel einer durchschnittlichen Auslastung von 80 Prozent deutlich verbesserte Margen bedeuten.

Für alle anderen hätte es aber auch einen Nutzen. „Damit ließen sich in einem Jahr schon die C02-Emissionen einer Großstadt wie Frankfurt einsparen“, verspricht Karanas.

Traditionell entscheiden bei einer Spedition Menschen am Telefon über eingehende Aufträge. Wird sich für die kleine Sendung Stuttgart nach Rostock am Dienstag noch eine zweite und dritte Teilladung finden? Welches Unternehmen könnte Interesse an einem Transport auf dem Rückweg haben? Zu welchem Preis ist der Auftrag also durchführbar?

Solche Fragen seien hochkomplex, sagt Andreas Karanas. „Wenn in Bayern Ferien sind, finden Sie kaum Fahrer nach München“, gibt er ein Beispiel. Schnell wird deutlich, dass er eine Ahnung hat, was auch ein digitaler Disponent bedenken muss – aktuell etwa 50 wesentliche Faktoren. In der Vorweihnachtszeit seien die Preise höher als im August, so Karanas.

Bestimmte Gefahrengüter dürften nur geschulten Fahrern überlassen werden, am Montag seien die Bedingungen anders als am Dienstag. Und nach einem Orkan, wenn der Schienenverkehr lahmgelegt sei, stünden viel zu wenig Fahrzeuge zur Verfügung.

Noch keine Wettbewerber in Deutschland

Die geringe Auslastung der Fahrzeuge wird durch Karanas‘ Erklärungen plausibel – und seine Lösung auch. Nur - warum hat dann noch niemand einen LKW-Ladungsrechner gebaut? Im Bereich Teilleistungen hat das Start-up mit Sitz in Hamburg in Deutschland noch keine Wettbewerber.

Und die „inhaltlich schlauste“ Digitalspedition für Komplettladungen ist laut Weconomy-Jurymitglied Axel Krieger die Firma Cargonexx – die sich dann im Austausch mit Karanas als seine vormalige Gründung herausstellt.

Das überzeugt dann auch Krieger, Experte für Automobil und Industrie 4.0 davon, dass Carrypicker Chancen am Markt hat.

Normalerweise können beim Weconomy-Wettbewerb die Juroren den Finalisten nach ihrer mündlichen Präsentation noch ein paar Fragen stellen. Im Fall des Spediteurs Karanas wird daraus aber eher eine Expertendiskussion, weil sich mehrere Berater gut in dem Thema auskennen.

Gründer Karanas ist sich sicher, dass kaum jemand über die notwendigen Daten verfügt, um seine Innovation nachzubauen. Zudem brauche es sehr viel Know-how, um sie überhaupt nutzbar zu machen. „Geld und Größe reichen da nicht“, sagt Karanas. Unternehmen wie Schenker, Kuehne + Nagel oder auch die DHL wären Unternehmen, die zumindest auf ihre eigenen Aufzeichnungen zurückgreifen könnten.

Wie und woher ausgerechnet der Start-up-Gründer den Schatz für Deutschland und die Grenzregionen bekommen hat, das dürfe er nicht sagen, meint Karanas. Die Jury bei Weconomy kommt darüber überein, dass die größeren Wettbewerber des Start-ups von der Intransparenz des Marktes profitieren.

Auch deshalb sei die Idee von Karanas es wert, unterstützt zu werden. In der Branche werde bereits an autonom fahrenden Supertrucks gebaut, aber kaum jemand ahne wohl, dass Leerfahrten billigend in Kauf genommen werden.

Karanas will erst einmal keine KI fürs Cockpit bauen, sondern eine für die Ladefläche. Und er sei schneller als der Wettbewerb, sagt er. Allerdings gibt es im Markt für Transport- und Versandlogistik noch ganz andere Kaliber, die Carrypicker schnell wieder überholen und schließlich überflüssig machen könnten, wenn sie sich nur dazu entschieden.

Allen voran ein riesiger US-Versandhändler: „Wenn einer die Daten hat, dann Amazon“, gibt Andreas Karanas zu. Trotzdem zeigt er sich optimistisch: „Amazon hat bisher weniger die Palette im Blick und kümmert sich vor allem um die letzte Meile“, sagt er. Dass das Unternehmen auch noch in seine Nische vordränge, stünde seiner Ansicht nach also noch nicht so kurz bevor.

Momentan hilft dem Carrypicker-Gründer die drohende Konkurrenz durch Unternehmen wie Amazon oder Google möglicherweise sogar, Förderer zu finden. Das Start-up bekommt vom Bundesverkehrsministerium Hilfe, um die Parameter für seine Disponieranwendung zu erweitern und Lösungen für eine bessere Lastwagenauslastung zu erforschen: Das Ministerium unterstütze die Forschung mit 2,5 Millionen Euro und mit Staudaten, sagt Karanas.

Man dürfe ja nicht von Anfang an vor der amerikanischen Übermacht einknicken. „Wir müssen das in Deutschland mit unseren Daten doch selbst können“, sagt Karanas. Irgendwer müsse den Datenriesen etwas entgegensetzen. Karanas will es tun.

Das Disponierprogramm von Carrypicker arbeitet bereits mit ungefähr 50 Parametern. Karanas nennt es bei der Präsentation „KI-Engine“. Bis die Anwendung tatsächlich von alleine lernt und potenziell sogar die lebenden Disponenten überflüssig machen könnte, wird es allerdings noch eine Weile dauern.

„Momentan müssen noch Menschen der Maschine beibringen, warum sie in der Vergangenheit bestimmte Preise für bestimmte Aufträge gewählt haben und warum sie sich für den gleichen Auftrag zu einem anderen Zeitpunkt anders entschieden haben“, sagt Karanas. Um eine echte KI handelt es sich dabei also noch nicht.

Künstliche Intelligenz disponiert den Raum auf der Ladefläche

Seit einem halben Jahr ist Carrypicker mit seiner digitalen Lösung für die Disposition auf dem Markt. Versender können ihre Auftragsanfragen in eine App eingeben. Über das Start-up werden dann automatisiert weitere Versender angefragt, ob sie Interesse an dem verbliebenen Platz oder einem Transport auf dem Rückweg haben.

Für Großunternehmen bietet das Start-up daneben auch an, mit der neu entwickelten Anwendung die unternehmensinterne Logistik noch einmal durchzurechnen und zu optimieren. Das sei vor allem wegen des Drucks zu mehr Nachhaltigkeit für einige Unternehmen ein Thema, sagt Karanas.

Mit 2000 Transportunternehmen arbeitet der Speditionsunternehmer bereits zusammen. Über dieses Netzwerk stehen Carrypicker 15.000 Fahrzeuge zur Verfügung. Das klingt viel, ist aber nur ein Bruchteil des Marktes. Mit dieser Motivation hat Karanas auch an Weconomy teilgenommen, bei dem es um Kontakte statt um Preisgeld geht.

An einem Wochenende im Oktober wird Karanas bei BASF in Ludwigshafen deutsche Topmanager treffen und mit ihnen seine Ideen abermals durchdiskutieren dürfen. Unter den Teilnehmern sind der BASF-Aufsichtsratsvorsitzende Jürgen Hambrecht, der ehemalige B.-Braun-Melsungen-CEO Heinz-Walter Große, Stephan Bross aus der Geschäftsleitung des Pumpenherstellers KSB und Roland Münch aus der Konzerngeschäftsführung von Voith.

Für Karanas sind das nicht nur achtbare Manager, sondern vor allem potenzielle Kunden, mit einer Vielzahl Kontakten zu noch mehr potenziellen Kunden – die kritische Masse also, von der die Jury bei ihrer Beratung sprach.
Der Wettbewerb ist auch als Mentoring für junge Unternehmer gedacht. Dafür ist der 54-jährige Seriengründer Andreas Karanas aber wohl schon zu ausgebufft.

Nach Stationen in Großkonzernen habe er schon „fünf- oder sechsmal“ gegründet, sagt er. Was würde das Bundesministerium eigentlich sagen, wenn er Carrypicker eines Tages an Amazon verkaufe? „Das Risiko besteht natürlich“, sagt Karanas fröhlich. „Aber das ist nicht das Ziel, das ist mal klar.“