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Carlos Menem war Argentiniens Hoffnungsträger – doch er scheiterte an Korruptionsskandalen

Carlos Menem, ehemaliger Präsident von Argentinien, sitzt in einem Gerichtsgebäude. Foto: dpa

Der ehemalige Präsident des lateinamerikanischen Landes ist im Alter von 90 Jahren verstorben. Er baute Argentinien nach dem marktwirtschaftlichen Ansatz um.

Backenbart, Plateausohlen und grelle Anzüge waren seine Markenzeichen. Als Carlos Saúl Menem im Juli 1989 sein Amt als Präsident Argentiniens antrat, da wurde der Peronist an der Spitze des Landes in der ganzen Welt wegen seines Auftretens belächelt. Auf Staatsbesuchen im Dienstjumbo („Tango One“) hatte er seinen Friseur dabei und genauso zahlreiche wie kaufwütige Freunde und Familienangehörige.

Die politische und wirtschaftliche Elite Argentiniens schlug die Hände über dem Kopf zusammen über den Emporkömmling aus der Provinz, abstammend aus einer syrischen Händlerfamilie, dazu noch Peronist und Populist. Doch es war genau dieser Menem, der das Land aus dem schweren wirtschaftlichen Chaos rettete.

Nun ist Menem im Alter von 90 Jahren in Buenos Aires gestorben. Amtsinhaber Alberto Fernández bestätigte am Sonntag den Tod seines Vorgängers, der schon länger krank war. Menem war von 1989 bis 1999 Präsident Argentiniens.

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Als erster Staatschef in Lateinamerika formte Menem sein Land und Wirtschaft mit liberalen, marktwirtschaftlichen Ansätzen um – die jungen Demokratien nach den Jahrzehnten der Militärdiktaturen versuchten sich damals erfolglos mit Staatinterventionismus.

Sein Vorgänger Raúl Alfonsín konnte das Chaos nicht in den Griff bekommen, in dem das Land zu versinken drohte. Hyperinflation, Kapitalflucht, blockierende Gewerkschaften sowie ein ineffizienter und aufgeblähter Staatsapparat lähmten eine überwiegend staatlich kontrollierte Wirtschaft, die durch Protektionismus vom Weltmarkt isoliert war. Die Demokratie war ständig durch putschlüsterne Militärs, eine sich maßlos bereichernde Oberschicht und Korruption auf allen Ebenen in Gefahr.

Dem promovierten Juristen Menem gelang es in kurzer Zeit, das traditionelle Machtpatt zwischen Agraroligarchie, Militärs und den Peronisten zu entflechten, das seit fast einem halben Jahrhundert das Land lähmte. Als gewiefter politischer Taktierer sicherte der in der Diktatur ebenfalls verfolgte Menem den mächtigen Generälen zwar Straffreiheit für die Verbrechen der Vergangenheit zu. Doch gleichzeitig kürzte er rigoros ihre Budgets. Bis heute ist Argentinien eines der Länder in Südamerika, in denen die Militärs am wenigsten zu sagen haben.

Den Großgrundbesitzern strich Menem die Subventionen, schaffte die Mindestpreise ab und öffnete die Grenzen für Agrargüter. Damit entzog er der Oligarchie ihre Privilegien. Bis dahin musste die Agraroligarchie sich wenig um ihr Land kümmern: Der fruchtbare Boden, das gute Klima, die niedrigen Löhne samt garantierten Preisen bescherten ihnen solide Renditen. Die meisten von ihnen lebten in Buenos Aires und nutzten ihre Ländereien als luxuriöse Wochenendsitze.

Nach der Deregulierung unter Menem mussten sich die Großgrundbesitzer entscheiden, ob sie in die Landwirtschaft investieren wollten oder ihr Land verkaufen mussten, weil sie es sich nicht mehr leisten konnten. Dieser Ausleseprozess hat Argentinien eine der weltweit modernsten und produktivsten Landwirtschaften und eine konkurrenzfähige Agrarindustrie beschert: Bei Weizen, Mais, Soja, Pflanzenölen, aber auch Wein und Obst spielt das Land ganz vorn auf dem Weltmarkt mit. Argentinien ist heute wieder wie vor 100 Jahren einer der international wichtigsten Agrarlieferanten.

Privatisierungen durchgeboxt

Eine glückliche Hand bewies der ökonomische Laie Menem bei der Wahl seines Wirtschaftsministers: Domingo Cavallo band ab 1991 die Landeswährung Peso mit einem sogenannten Currency-Board an den US-Dollar und bekam so die Hyperinflation in den Griff. Mit dem derart gefesselten Peso umschiffte der Ökonom auch die schwierige Zeit nach der von Mexiko ausgelösten Tequila-Krise von 1995.

Das umfassende Privatisierungsprogramm boxte das Duo Menem-Cavallo in einer perfekten Arbeitsteilung durch: Der Machtpolitiker Menem hielt seinem Minister den Rücken frei. Cavallo konnte schalten und walten. Argentiniens Infrastruktur, Straßen, Stromnetze, Telekom, Häfen und Flughäfen erlebten einen Modernitätsschub, von dem das Land bis heute zehrt.

Bei Treffen wie dem World Economic Forum in Davos wurde Carlos Menem als neoliberaler Reformer mit höchsten Ehren empfangen. Doch irgendwann hatten die Argentinier genug von ihm. 1999 schließlich ließen sie seine Versuche einer erneuten, verfassungswidrigen Wiederwahl nicht mehr zu. Die Korruptionsvorwürfe nahmen zu, auch mehrere ungeklärte Verbrechen, in denen Günstlinge Menems eine dubiose Rolle spielten, beschleunigten seinen Abgang.

Bis heute wird untersucht, ob sein 1995 bei einem Hubschrauberabsturz verstorbener Sohn einem Racheakt seiner Gegner zum Opfer fiel. Bis noch vor Kurzem wurde Menem immer wieder angeklagt und auch verurteilt wegen Korruptionsverwicklungen, die jedoch meistens in höheren Instanzen für ungültig oder verjährt erklärt wurden.

Im Nachhinein ist auch Menem, wie viele seiner Vorgänger und Nachfolger letztendlich wegen Korruption und Größenwahn gescheitert. Er hat dem Land – vor allem Landwirtschaft und Infrastruktur – einen Modernitätsschub verpasst. Doch den übergroßen Staatsapparat, die niedrige Produktivität der Industrie und den Einfluss der mafiaähnlichen Gewerkschaften hat er kaum verändert.

Auch nach seinem Abtritt sorgte Menem in Lateinamerika für Aufmerksamkeit. Etwa als er 2001 die Chilenin Cecilia Bolocco heiratete, eine frühere Miss Universum und bekannte chilenische Fernsehmoderatorin. Oder als er 2003 erneut versuchte, Präsidentschaftskandidat zu werden, aber von dem danach siegreichen Nestor Kirchner verdrängt wurde. Als Senator blieb Menem auch als 90-Jähriger noch bis vor Kurzem einflussreich.