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Caravan-Hersteller Hymer ist jetzt amerikanisch

Wohnmobilriese Thor kauft den schwäbischen Konkurrenten ohne die Nordamerika-Tochter. Wegen eines Bilanzskandals zahlen die Amerikaner weniger als geplant.

Die Übernahme des Freizeitfahrzeugbauers Erwin Hymer Group aus Bad Waldsee durch US-Konkurrent Thor Industries ist unter Dach und Fach. Allerdings mit finanziellen Einbußen für die Familie Hymer.

Die im Herbst beschlossene Übernahme, die der Gründerwitwe Gerda und den Kindern Christian und Carolin etwa 2,1 Milliarden Euro in bar und in Thor-Aktien einbringen sollte, drohte in letzter Minute zu platzen. Denn vor knapp zwei Wochen wurden dubiose Bilanzmanipulationen im Nordamerika-Geschäft der Schwaben öffentlich.

Im Zentrum der Affäre steht die Hymer-Tochter Roadtrek in Kanada. Unter Hymer-Chef Martin Brandt wurde der kanadische Reisemobilbauer von den Schwaben 2016 gekauft. Mehrere Manager der Erwin Hymer Group North America mit Sitz in der kanadischen Provinz Ontario waren suspendiert worden. Die Firma beschäftigt dort rund 850 Mitarbeiter.

Thor wird nun die Nordamerika-Aktivitäten von Hymer und deren Verbindlichkeiten nicht übernehmen. Das führt zu einer Reduzierung des Kaufpreises um 170 Millionen Euro. Zudem werden die zu übernehmenden Verbindlichkeiten um 180 Millionen Euro gesenkt. Das Handelsblatt hatte bereits am Donnerstag darüber berichtet.

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Für die Familie Hymer erweist sich der Kauf von Roadtrek damit im Nachhinein als dickes Minusgeschäft. Dabei lagen große Hoffnungen auf der Übernahme: Bei Roadtrek erprobten die Schwaben die ersten selbstfahrenden Caravans im Straßenverkehr.

2030 sollten diese auf den Markt kommen, hatte Hymer-Chef Martin Brandt im Gespräch mit dem Handelsblatt vor anderthalb Jahren angekündigt. „In den eigenen vier Wänden einschlafen und am Urlaubsort aufwachen“, sagt Brandt damals, „das ist fast wie Teleportieren.“ Nun bleibt die Familie auf dem skandalumwitterten Geschäft in Nordamerika samt Verbindlichkeiten sitzen.

Ob Hymers die Geschäfte in Nordamerika einfach dicht machen, sie sanieren oder verkaufen, ist unklar. Das börsennotierte Familienunternehmen Thor mit etwa 18.000 Mitarbeitern und 7,3 Milliarden Dollar Umsatz ist bereits Marktführer in Nordamerika. An der Hymer-Gruppe war Thor vor allem deshalb interessiert, weil die Schwaben führend in Europa sind. Mit der Übernahme entsteht der weltgrößte Hersteller von Freizeitfahrzeugen.

Mit Hymer ist nach Baumaschinenhersteller Wirtgen, der 2017 von US-Konkurrent John Deere für 4,4 Milliarden Euro übernommen wurde, ein weiteres deutsches Familienunternehmen in die USA verkauft worden.

Vor rund 60 Jahren entwickelte der schwäbische Tüftler Erwin Hymer den Prototyp des Caravans, den „Ur-Troll“. Hymer baute die Firma zum europäischen Marktführer für Wohnwagen- und Reisemobile auf. Die Hymer-Gruppe bestand zuletzt aus 20 Marken und machte mit rund 7300 Mitarbeitern weltweit 2,5 Milliarden Euro Umsatz.

Experten halten den Verkauf für sinnvoll

2013 verstarb der charismatische Gründer, der bis ins hohe Alter gewirkt hatte. Die Familie war nie operativ, sondern nur im Aufsichtsrat tätig. Gründersohn Christian Hymer sieht Thor als „idealen neuen Eigentümer“: „Thor Industries und die Erwin Hymer Group sind aus demselben Holz geschnitzt und in ihrer Unternehmenskultur von ihren Gründern geprägt.“

Als Anteilseigner sei die Familie voll und ganz dem langfristigen Erfolg von Thor und der Erwin Hymer Group verbunden. Thor will allerdings die Aktien, die die Familie Hymer nun bekommt, schrittweise wieder zurückkaufen.

Für Branchenexperten wie Peter Greischel, Professor für Unternehmensführung und Marketing der Hochschule München, ist der Verkauf sinnvoll. „Der Zusammenschluss der beiden Marktführer in Europa und USA ist ein betriebswirtschaftlich logischer und richtiger Schritt.“

Konkurrent Thor wird durch den Milliarden-Deal die unangefochtene Nummer eins für Freizeitfahrzeuge - mit zehn Milliarden Dollar Umsatz und einem Marktanteil von mehr als 30 Prozent.

„Dies ist ein besonderer Moment für Thor. Denn mit dem Abschluss der Übernahme der Erwin Hymer Group können wir sofort eine führende Position im dynamischen europäischen Markt für Freizeitfahrzeuge einnehmen“, sagte Bob Martin, Präsident und CEO von Thor. „Hymer ist eine Gelegenheit, wie man sie einmal im Leben bekommt.“ Nun wurde sie günstiger als gedacht.