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Business-Influencerin Annahita Esmailzadeh: In meinen ersten Bewerbungsgesprächen saß ich da wie ein dressierter Dackel

Annahita Esmailzadeh - Copyright: Annahita Esmailzadeh
Annahita Esmailzadeh - Copyright: Annahita Esmailzadeh

Dieser Artikel ist Teil einer Porträtreihe der Zukunftsmacherinnnen 2022, die von Business Insider ausgewählt und zusammen mit unserem Partner Regis 24, einem Data-Tech-Unternehmen und Auskunftei, in Berlin ausgezeichnet wurden. Das komplette Ranking findet ihr hier.

Vor einiger Zeit hatte Annahita Esmailzadeh eine Begegnung, die sie heute als "Schlüsselerlebnis" bezeichnet. Ausgerechnet ein Bewerbungsgespräch mit einer angehenden Praktikantin sollte sie noch lange zum Nachdenken bringen. Darüber, wie Unternehmen mit einer völlig neuen Generation Arbeitnehmer umgehen können und sollten. Und darüber, wie sie selbst dieser Generation zukünftig eine gute Chefin sein kann – trotz oder gerade wegen großer Unterschiede.

"Ich saß da wie ein dressierter Dackel"

„Vor einiger Zeit hatte ich eine Bewerberin Anfang 20 da, es waren keine fünf Minuten des Gesprächs vergangen, da fing sie schon mit ihrer Erwartungshaltung an mich und an das Unternehmen an“, erzählt Esmailzadeh. Die Bewerberin erklärt unter anderem, dass sie nach 16 Uhr nicht erreichbar sein werde und weder nach Feierabend noch am Wochenende auf E-Mails antworten würde – egal, wie dringend es sei. „Was total fair ist“, sagt Esmailzadeh. Bloß habe die Bewerberin noch ergänzt, dass es für sie eine „Red Flag“ und ein „Kündigungsgrund“ sei, wenn Esmailzadeh ihr am Wochenende oder nach Feierabend noch schreiben würde.

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Esmailzadeh sagt: „Ich war wirklich sehr irritiert.“ ­Sie habe an ihre eigenen Bewerbungsgespräche für Praktika und Werkstudistellen denken müssen: „Ich saß da wie ein dressierter Dackel. Ich wollte gefallen.“ Jahrelang hat Esmailzadeh genau das getan, was nötig war, um das zu werden, was sie heute ist: eine der führenden Frauen in der Tech-Branche. Und nun, nur ein paar Jahre später, scheint eine Generation nachzurücken, die ganz anders tickt. Wie sollte sie damit also umgehen?

Tiaji Sio, Gründerin des Netzwerks Diplomats of Color und Co-Gründerin der Initiative DIVERSITRY
Tiaji Sio, Gründerin des Netzwerks Diplomats of Color und Co-Gründerin der Initiative DIVERSITRY

Entscheidung für eine vielversprechende Karriere

Esmailzadehs eigene Karriere begann mit der Entscheidung für ein Wirtschaftsinformatik-Studium. In der Schule sei sie in den technischen Fächern „nie die Leuchte“ gewesen, erzählt sie. Nicht richtig schlecht, aber auch nicht richtig gut. Besser lief es in Fächern, in denen es um Sprache ging, also habe sie eigentlich geplant, Journalistin zu werden oder Soziale Arbeit zu studieren. Als Esmailzadeh dann aufs Abi zusteuerte, entschied sie sich dagegen. Sie sagt: „Mir und auch meinen Eltern war es immer wichtig, dass mein Job mir Sicherheit gibt.“ Esmailzadehs Familie kommt aus dem Iran, sie wuchs im Münchener Westend auf – ein Stadtteil, der in den 1990er Jahren als sozialer Brennpunkt galt. Esmailzadeh sollte es mal besser haben als ihre Eltern, also googelte sie „bestes Gehalt“ und „gute Karrierechancen“ und landete so beim Studium für Wirtschaftsinformatik.

Zu ihrer eigenen Überraschung schloss Esmailzadeh das erste Semester mit der Note 1,0 in Softwarentwicklung ab. Heute glaubt sie, dass es so gut für sie lief, hing auch damit zusammen, dass sie sich aktiv für das Studium entschieden hatte. "Ich wusste, was auf mich zukommt und ich konnte mich darauf einstellen", sagt Esmailzadeh. Außerdem habe sie ein echtes Interesse für Technologien entwickelt – auch weil sie erkannt habe, wie relevant dieser Bereich war und wie viel wichtiger er noch in Zukunft werden würde.

Dajana Eder
Dajana Eder

Also zog Esmailzadeh es durch: Auf den Bachelor- folgte ein Masterabschluss, beide machte sie an der Hochschule in München. Und während andere in den Semesterferien verreisten, sammelte Esmailzadeh Praxiserfahrungen. Darauf folgten namhafte Jobs: darunter vier Jahre beim Softwareriesen SAP – zuletzt sogar ein Jahr als Head of Innovation beim SAP Labs in München. Seit Ende 2021 leitet sie bei Microsoft den Bereich Customer Success Account Management für die Branchen Travel, Transport, Power und Utilities.

Laut auf Linkedin

Heute ist Annahita Esmailzadeh nicht nur eine Führungsperson bei einem der größten Softwareunternehmen der Welt, sondern auch eine bekannte Business-Influencerin. Auf Linkedin hat sie über 100.000 Follower. In ihren Beiträgen stellt sie sich mitunter gegen allerhand tradierte Wahrheiten – wie beispielsweise nur Menschen einzustellen, die einen stringenten Lebenslauf haben. Sie teilt die besten und die schlechtesten Karrieretipps, die man ihr in ihrem Berufsleben gegeben hat oder appelliert an andere Führungskräfte, eine gesunde Fehlerkultur zu etablieren, Ellenbogenmentalität zu unterbinden und auch mal Menschen einzustellen, die nicht "Klone von einem selbst" sind.

Mit ihrer Reichweite will sie „Mut machen, inspirieren und auf Herausforderungen aufmerksam machen“, sagt sie. Als „junge Frau mit Migrationshintergrund“ möchte sie außerdem mit gutem Beispiel vorangehen, anderen zeigen: Wenn ich das geschafft habe, dann kannst du das auch. Deshalb engagiert sie sich auch in diversen Mentoring-Programmen. 2022 erschien außerdem ihr erstes Buch, an dem sie als Co-Autorin mitgewirkt hat. Es soll Führungskräften die Generation Z näherbringen. „Ein dressierter Dackel“ ist sie nicht mehr. Esmailzadeh hat jetzt eine Stimme – und nutzt sie auch.

Vanessa_Heidemann
Vanessa_Heidemann

Gegen das Klischee

In der Außenwahrnehmung sticht Esmailzadeh dabei schon deshalb heraus, weil sie als Frau in der Tech-Branche immer noch eine Seltenheit ist. Laut dem Statistischen Amt der Europäischen Union (Eurostat) liegt der Frauenanteil in der IT‑Branche in Deutschland nur bei 17,5 Prozent. Bei Esmailzadeh kommt noch dazu, dass sie auch sonst kaum dem ITler-Klischee entspricht: Vermutlich wäre niemand überrascht, wenn sich Esmailzadeh – lange, volle Haare, modische Outfits – irgendwo als Beauty-Bloggerin vorstellte. Für Esmailzadeh bedeutet das allerdings auch, immer wieder unterschätzt oder nicht ernst genommen zu werden. Vor einigen Jahren habe sie an ihrem ersten Arbeitstag in einer Entwicklungsabteilung ihren Arbeitsplatz gesucht, woraufhin sie ein Kollege fragte, ob sie sich im Stockwert vertan hätte – denn die Marketingabteilung sei woanders.

Heute nutzt Esmailzadeh diese Erfahrungen, um immer wieder über Vorurteile und Klischees aufzuklären. Über die geschilderte Begegnung verfasste sie beispielsweise einen Artikel auf Linkedin. Das ist nicht ihr einziger Beitrag zu diesem Thema dort. Sie sagt: „Wir alle haben Vorurteile, aber es ist wichtig, dass wir versuchen, die Menschen nicht vorzeitig abzustempeln.“

Dinge ändern sich – dafür steht Annahita Esmailzadeh. Und während andere über die berüchtigte Generation Z – die häufig als faul und illoyal gilt – gerne ihren Kopf schütteln, hat Esmailzadeh die Begegnung mit der jungen Bewerberin am Ende zum Anlass genommen, um nachzuforschen: Warum handelt diese Generation so anders, als sie es getan hat?

Heute kennt Esmailzadeh die Antwort: weil sie es können. Der sogenannte War of Talents – also der Kampf der Unternehmen um die besten Arbeitskräfte – ist längst in vollem Gange. Der hohe Bedarf an Fachwissen und der demografische Wandel sind nur zwei Gründe dafür. Zukünftig wird die Aufgabe von Führungskräften wie Esmailzadeh sein, junge Talente für ihr Team zu gewinnen. Esmailzadeh hat diese Herausforderung bereits angenommen: Anstatt sich auf die Schwächen der Gen Z zu konzentrieren, betont sie lieber ihre Stärken. Esmailzadeh will ihnen eine gute Chefin sein. Sie sagt: „Ich bin der Meinung, um als Führungskraft erfolgreich zu sein, ist ein aufrichtiges Interesse an Menschen das A und O.“