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„Rückschlag für das freie Internet“: Heftige Kritik an Regierungsplänen für neues Urheberrecht

Das schwarz-rote Kabinett stimmte über den Beschluss ab. Foto: dpa

Die Bundesregierung hatte einst versprochen, die EU-Urheberrechtsreform ohne Uploadfilter umzusetzen. Jetzt kommen sie doch. Entsprechend groß ist der Unmut.

Die rasante Entwicklung der digitalen Welt mit der Bedeutung von großen Plattformen und sozialen Netzwerken macht neue Urheber-Regeln notwendig. Die jetzt angeschobene Reform soll das rechtliche Verhältnis zwischen Urheber, Internet-Plattformen und den Nutzern festlegen, wenn es zum Beispiel um das Hochladen von Fotos, Artikelteilen oder Videoausschnitten geht. Vor allem bei Verstößen muss geklärt sein, wer für Inhalte verantwortlich ist.

All das soll nun ein Gesetzentwurf regeln, den das schwarz-rote Kabinett an diesem Mittwoch beschlossen hat. Nun müssen sich Bundestag und Bundesrat damit befassen. Bis Juni muss Deutschland bereits verabschiedete entsprechende EU-Richtlinien in nationales Recht übertragen haben.

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht sprach nach dem Kabinettsbeschluss von der „größten europäischen Urheberrechtsreform der letzten 20 Jahre“. Geklärt werde die Verantwortlichkeit von Upload-Plattformen wie YouTube oder Facebook. „Kreative und Verwerter sollen fair an den Gewinnen der Plattformen beteiligt werden“, sagte die SPD-Politikerin. Künstler bekämen unmittelbare Zahlungsansprüche gegenüber den mächtigen Plattformen.

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Der Digitalverband Bitkom übte scharfe Kritik. Die Reform enttäusche in vielen Bereichen. „Das ursprüngliche Ziel, ein modernes Urheberrecht für den digitalen Binnenmarkt zu schaffen, wird klar verfehlt“, sagte Susanne Dehmel, Mitglied der Bitkom-Geschäftsführung. „Auch wenn es die Bundesregierung so nicht nennen möchte, die Uploadfilter sollen kommen.“ Bei Uploadfiltern handelt es sich um Programme, die geschützte Inhalte schon beim Hochladen erkennen und aussortieren.

Dehmel trifft hier einen wunden Punkt. Die EU-Reform zog vor 2019 allem wegen der Uploadfilter den Zorn viele junger Menschen auf sich. In Deutschland stand deswegen die Bundesregierung in der Kritik. Sie lehnte die verpflichtende Einführung von Uploadfiltern im Koalitionsvertrag eigentlich als unverhältnismäßig ab, stimmte dem Vorhaben auf europäischer Ebene dann aber doch zu.

Bitkom sieht Plattformen vor einer „kaum lösbaren Aufgabe“

Die federführende damalige Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) geriet deshalb heftig unter Druck. Als einer der energischsten Gegner der Uploadfilter gilt der frühere Juso-Chef und jetzige SPD-Bundesvize Kevin Kühnert. Aber auch die Union erfuhr großen Widerstand, weil der CDU-Europaabgeordnete Axel Voss die Reform für das Europaparlament verhandelt hatte.

Deutschland gab deshalb nur unter Vorbehalt grünes Licht für die Reform. In einer vierseitigen - rechtlich aber nicht bindenden - Zusatzerklärung führte die Bundesregierung aus, wie sie umgesetzt werden soll: ohne Uploadfilter und mit diversen Ausnahmen. Das Ergebnis findet sich nun dem von Justizministerin Lambrecht vorgelegten Gesetz wieder. Schwerpunkt des Entwurfs ist nach ihren Worten das sogenannte Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz.

Bitkom-Expertin Dehmel kritisierte, damit würden Betreiber von bestimmten Online-Plattformen erstmals mit einer allgemeinen Überwachungspflicht ihrer Dienste belegt. „Alle Nutzerinhalte müssen demnach automatisiert gescannt werden“, sagte sie. „Das allein ist ein großer Rückschlag für das freie Internet.“ Die einzelnen Vorgaben zur Überwachung, Sperrung und Moderation von Nutzerbeschwerden seien zudem technisch schlicht nicht umsetzbar. „Die betroffenen Plattformen stehen vor einer kaum lösbaren Aufgabe.“

Die neuen Vergütungsregeln für Urheber und Rechteinhaber brächen zudem mit zuvor bewährten Modellen, sagte Dehmel weiter. „Für Kreative leistet das Gesetz einen Bärendienst.“ Es sei „hochwahrscheinlich“, dass sie künftig in Summe weniger Lizenzeinnahmen erzielen als nach den alten Regeln.

FDP: „Sehr trauriger Tag für die Grundrechte in der digitalen Welt“

Ein breites Bündnis von Rechteinhabern verschiedener Branchen - von der Deutschen Fußball Liga über die Vertreter privater Fernseh- und Radiosender bis hin zur Film-, Bild- und Musikindustrie - zeigte sich denn auch „bestürzt“. Denn der Entwurf stärke letztlich globale Online-Plattformen und schwäche zugleich die Rechtsposition von Kreativen und ihren Partnern.

„Künftig sollen bis zu 15 Sekunden aus einem Musikstück, Filmwerk oder Laufbild, bis zu 160 Zeichen Text, 125 Kilobyte für Fotos und Grafiken gegen eine (geringe) kollektivierte Pauschalvergütung von jedem Menschen erlaubnis- und haftungsfrei öffentlich verwendet werden können“, kritisierte das Bündnis. Die Rechteinhaber könnten also nicht mehr primär darüber bestimmen, wie und wo ihre Werke genutzt würden. Auch andere Details aus dem Entwurf stellten die deutsche Kreativbranche gegenüber den globalen Mitbewerbern schlechter und schadeten dem Kreativstandort Deutschland.

Ministerin Lambrecht betonte hingegen: „Unser Entwurf sieht einen fairen Interessenausgleich vor, von dem Kreative, Rechteverwerter und Nutzer gleichermaßen profitieren werden.“ Zudem wolle man die Kommunikations- und Meinungsfreiheit von Internet-Nutzern wahren und vor „Overblocking“ schützen - also dem Sperren von hochgeladenen Inhalten, die eigentlich legal sind.

Der digitalpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion und Vorsitzende des Ausschusses Digitale Agenda, Manuel Höferlin, sprach mit Blick auf den Gesetzentwurf von einem „sehr traurigen Tag für die Grundrechte in der digitalen Welt“. Denn mit dem Kabinettsbeschluss habe die Große Koalition den Einsatz von Uploadfiltern „quasi amtlich bestätigt“. „Damit hat sie der Meinungsfreiheit im Netz nicht nur einen Bärendienst erwiesen, sondern wieder einmal Wortbruch gegenüber Millionen von Nutzerinnnen und Nutzern begangen“, sagte Höferlin.

Auch die Grünen-Netzpolitikerin Tabea Rößner warf der Bundesregierung und insbesondere der CDU Wortbruch vor. Das Bundesjustizministerium habe sich zwar ernsthaft bemüht, die Umsetzung der europäischen Vorgaben in deutsches Recht „lösungsorientiert“ anzugehen und hierfür den nationalen Spielraum zu nutzen. Doch sei die Ministerin am Ende aber wohl vom Bundeswirtschaftsministerium „an vielen Stellen massiv ausgebremst“ worden.

Verlegerverbände mahnten eine zügige Umsetzung an

„Die im Jahr 2019 zu Protokoll gegebenen erheblichen Bedenken der Bundesregierung in Bezug auf algorithmenbasierte Uploadfilter, auf die die Große Koalition seitdem immer wieder gebetsmühlenartig verwiesen hat, sind damit nur noch Schall und Rauch“, sagte Rößner.

Verlegerverbände mahnten eine zügige Umsetzung und wirksame Schutzrechte für journalistische Inhalte an. „Die EU-Urheberrechtsrichtlinie gibt den Mitgliedsstaaten einen besseren Schutz der Urheber und Rechteinhaber gegenüber den Megaplattformen vor“, erklärten die Verbände der Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) sowie der Zeitschriftenverleger (VDZ).

Dies müsse auch Ziel in Deutschland bleiben. Das im Gesetzentwurf vorgesehene Leistungsschutzrecht sei ein Schlüssel, „um die Ausbeutung journalistischer Inhalte durch kommerzielle Plattformen künftig einzudämmen“. Das vorige Leistungsschutzrecht war gerichtlich gekippt worden.

Der Gesetzentwurf wird nun dem Bundesrat für eine Stellungnahme zugeleitet und soll anschließend im Bundestag beraten werden. „Die Richtlinien sind bis zum 7. Juni 2021 in deutsches Recht umzusetzen“, erklärte das Justiz- und Verbraucherschutzministerium.

Mit Agenturmaterial